Das Wort von der Versöhnung
von Evelina Volkmann (Stuttgart)
Predigtdatum
:
12.06.2016
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
2. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Timotheus 1,12-17
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Jahrgang 15/16
Reihe II – Nr. 44
3. Sonntag nach Trinitatis
(12.06.2016)
Wochenspruch:
"Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist." (Lukas 19, 10)
Psalm: 103, 1 - 5.8 - 13 (EG 742)
Lesungen
Altes Testament: Hesekiel 18, 1 - 4.21 - 24.30 - 32
Epistel: 1. Timotheus 1, 12 - 17
Evangelium: Lukas 15, 1 - 3.11 b - 32
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 317, 1 - 5 Lobe den Herren
Wochenlied: EG 353, 1.3 -5.8 Jesus nimmt die Sünder an
Predigtlied: EG 355, 1 - 3 Mir ist Erbarmung widerfahren
Schlusslied: EG 331, 6.10.11 Du, des Vaters ewger Sohn
Predigttext: 1. Timotheus 1, 12 - 17
„Ich danke unserm Herrn Christus Jesus, der mich stark gemacht und für treu erachtet hat und in das Amt einge-setzt, mich, der ich früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler war; aber mir ist Barmherzigkeit widerfah-ren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben. Es ist aber desto reicher geworden die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist. Das ist gewisslich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin. Aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, dass Christus Jesus an mir als Erstem alle Geduld erweise, zum Vorbild denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben. Aber Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, der allein Gott ist, sei Ehre und Preis in Ewigkeit! Amen.
Hinführung
Beobachtungen zum Bibeltext 1. Timotheus 1, 12 - 17:
1. Timotheus 1,1 f nennt „Paulus“ als Verfasser und Timo-theus als Adressaten des Briefes. Timotheus ist einer seiner engsten Mitarbeiter des Paulus. Paulus gibt Anweisungen, wie er die ihm anvertraute Gemeinde leiten soll. Ich schlie-ße mich in der Frage der Verfasserschaft der Unechtheit der Pastoralbriefe an. Demnach sind diese pseudonym verfass-ten Briefe in die 2. und 3. Generation der Paulusschüler zu datieren. Ihre Bezeichnung als „Paulus“-Briefe soll Autorität verleihen und die Echtheit der überlieferten Tradition garan-tieren. Deshalb halte ich es auch für verantwortbar, in der Predigt von „Paulus“ zu sprechen.
Der erste Timotheusbrief legt die Theologie aus, die Paulus formuliert hat: Sünde wird in Jesus Christus durch Gnade und Barmherzigkeit überwunden. Dies führt zu Glauben. Der Text enthält daher zahlreiche wichtige theologische Begriffe, u.a. Barmherzigkeit, Gnade, Glauben, Liebe, Geduld, ewiges Leben. Die Perikope wirkt wie ein dogmatisch aufgeladener Text. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass das Evangelium (Jesus macht die Sünder selig) exemplarisch an einer histo-risch bekannten Person und an dessen Biographie festge-macht wird – eben an Paulus (vgl. Apg 9,1 - 19)!
Paulus ist, wo es um die Erfahrung der Gnade geht, nur zweimal in der Rolle des Subjekts (V 12: „Ich danke“; V 15: „Sünder …, unter denen ich der erste bin“). Alle übrigen Stellen haben Jesus Christus zum Subjekt oder werden in der Passivform ausgedrückt. Besonders auffällig ist das zweimalige „mir ist Erbarmung widerfahren“ (VV 13.16). Das bedeutet: Paulus erlebt diese Rettung nicht als einen Akt, zu dem menschliche Vorleistungen bzw. Qualifikationen notwendig sind. Die Rettung geht vielmehr ganz von Gott aus. Paulus war im Unglauben. Er wies das Evangelium zu-rück. Trotzdem gilt ihm die Gnade.
Systematisch-theologische Reflexion: Diese Perikope legt das Damaskusgeschehen aus und demonstriert somit an Paulus, wie Gott nicht nur der Gemeinde oder der Kirche als ganzer, sondern auch dem einzelnen Menschen gnädig be-gegnet. Sie macht die bedingungslose Barmherzigkeit Got-tes anschaulich.
Kirchenjahr:
Der dritte Sonntag nach Trinitatis steht unter dem Thema „Verlorenes suchen – Sünder retten“ (vgl. den Wochen-spruch und die anderen Perikopen). Diese biblische Wahr-heit wird hier an Paulus beispielhaft aufgezeigt.
Homiletische Reflexionen:
Ich stelle mir eine Gemeinde vor, für die es wichtig und von Interesse ist, einmal ausführlich über das Zum-Glauben-Kommen nachzudenken.
Zur Gestalt der Predigt:
Am Beispiel des Paulus will ich in der Predigt erfahrbar wer-den lassen: Was geschieht, wenn Jesus Sünder selig macht (V 15b)? Durch das, was Paulus erlebt hat, wird trockene Dogmatik anschaulich und lebendig und lädt die Hörer und Hörerinnen ein, in Paulus die eigenen Erfahrungen wieder zu finden.
Gliederung
1. Christus versöhnt: Hier nenne ich die Hauptaussage der Perikope.
Nun folgen vier Abschnitte, in denen ich der Biographie des Paulus folgend nachvollziehe, was die Hauptaussage (Chris-tus Jesus ist gekommen, die Sünder selig zu machen) für Paulus und gleichzeitig für uns bedeutet:
2. Die Lebenswende
3. Gott lässt uns wirklich neu anfangen
4. Eifer für Gott
5. Die eigene Vergangenheit nicht ausblenden
Abschließend denke ich darüber nach, wieso Paulus ein „Vorbild“ (V 16) ist:
6. Mit seiner eigenen Geschichte wirbt Paulus um uns.
Ziel
An Paulus will ich aufzeigen: Menschen, die sich – trotz und angesichts ihrer Sünden und Schwächen – von Gott geliebt und angenommen wissen, gewinnen Stärke. Sie sind, um mit Paulus zu sprechen, selig.
Predigt
[1. Christus versöhnt]
Liebe Gemeinde,
„Christus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu ma-chen.” Selig machen – da wird es mir warm ums Herz. „Christus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu ma-chen.” Da fühle ich mich an Weihnachten erinnert. An Hei-ligabend singen wir immer am Ende des Gottesdienstes:
„O du fröhliche, o du selige,
gnadenbringende Weihnachtszeit!
Christ ist erschienen,
uns zu versühnen:
Freue, freue dich, o Christenheit!” (1)
Dieses Lied treibt manchen Menschen Freudentränen in die Augen: Jetzt ist Weihnachten. Jetzt feiern wir Gottes Geburt im Stall zu Bethlehem. Jetzt ist unser Erlöser da! Der uns von unseren Sünden frei macht.
So auch im ersten Timotheusbrief: Die Botschaft trägt die-selbe Freude in sich. Mitten im Kirchenjahr erinnert uns Paulus: Gott schickt seinen Sohn zu uns. Damit wir selig werden. „Freue dich, o Christenheit!“
[2. Die Lebenswende]
„Christus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu ma-chen.” Für Paulus ist das nicht nur so ein daher gesagter Satz. Er sieht darin das Motto seines Lebens. Er ist selig. Er fühlt sich stark. Er liebt sein Amt als Apostel.
Aber das war nicht immer so. Früher, so würde er jetzt sa-gen, früher war er ein richtiger Unhold. Er verfolgte die Christen. Er eiferte gegen die neue Bewegung. Er fand die Christen gottlos. Und ließ sie das schmerzhaft spüren. Das ging so einige Zeit. Bis er sich eines Tages auf seinem Weg nach Damaskus eines Besseren belehren ließ. Sie kennen sicher diese Begebenheit. Mit einem Mal fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: Die Liebe Gottes ist für ihn (!) da. Er erkennt: Ich wehre mich mit meinem Verhalten ja gegen Gott! Ich gehöre ja selbst zu den Verlorenen. Gott liebt mich persönlich. Das löst in ihm die Lebenswende aus.
Bei Paulus ist es wie beim verlorenen Sohn. Seine Geschichte haben wir vorhin in der Schriftlesung gehört. Beide tun, was sie für richtig halten: mit dem Erbe Spaß haben – der eine; Andersdenkende verfolgen – der andere. Zunächst scheint auch alles so zu laufen, wie sie es sich ausgemalt haben. Aber dann merken sie: Das führt so nicht weiter. Da besinnt sich der verlorene Sohn auf seinen guten Vater. Er kehrt um. Er ändert sein Leben.
Und Paulus erlebt: Der auferstandene Christus spricht direkt zu ihm aus dem Himmel. Paulus erkennt: Ich bin auf dem falschen Weg. Gott aber holt ihn jetzt aus dem Verderben. Paulus hat – wie wir sprichwörtlich sagen – sein Damaskus-erlebnis. Er erlebt Gottes Liebe. Er ist von Gott ergriffen. Ihm wird klar: Gott meint ja mich! Gott hat ja an mich und mein Leben gedacht, als sein Sohn am Kreuz starb. Gott schenkt mir persönlich Lebensfreude. Jetzt hat mein Leben einen Sinn, ein Ziel. Und das Wunderbare daran: Selbst hat er gar nichts dazu beigetragen. Gott hat an ihm gehandelt. Paulus ist tief beeindruckt. Das muss er allen Menschen wei-tersagen. Wem er begegnet, dem macht er klar: Du brauchst dich nicht abzumühen, um vor Gott gut dazustehen. Gott erwartet von dir keine Vorleistung. Gott kommt dir, Mensch, entgegen. Er spricht dich an. Jeden und jede von uns auf ganz unterschiedliche Weise. Gott schenkt auch dir ein gutes, ein seliges Leben.
„Christus ist in die Welt gekommen, die Sünder zu retten.” Er ist gekommen, Menschen zu unterstützen. So verlassen sie den bisherigen Weg, auf dem sie ins Verderben rennen.
So richtet Christus verlorene Menschen auf! So werden sie selig. So werden sie gerettet.
[3. Gott lässt uns wirklich neu anfangen.]
Stimmt das so? Klappt das wirklich? Will Gott wirklich mit mir etwas zu tun haben? Kann ich vor Gott bestehen? Er ist doch gerecht. Ich aber habe Dinge getan, die anderen und mir geschadet haben. Wie soll ich da nur herauskommen? Ich kann die Zeit doch nicht zurückdrehen.
Wer so denkt, darf jetzt aufhorchen. Paulus stellt uns sein eigenes verkorkstes und verqueres Leben vor Augen: „Ich war auch so einer”, sagt er uns. „Quält euch doch nicht län-ger damit herum. Es gibt eine Möglichkeit, neu anzufangen. Christus schenkt sie uns.“
Wo wir so mit dem Evangelium in Berührung kommen, da kommen wir zur Ruhe. Da brauchen wir uns nicht mehr mit zermürbenden Vorwürfen aufzuhalten. Die ungute Vergan-genheit plagt uns dann nicht mehr. Wir kommen mit unse-rem Gott wieder ins Reine. Wir fangen neu an.
Dieser andere, dieser gnädige Blick auf das eigene Schicksal oder die eigenen Eigenschaften verwandelt und verändert. Wer sich von Gott geliebt weiß, setzt seinen Eifer für die an-deren ein und nicht mehr gegen sie.
[4. Eifer für Gott]
„Christus ist in die Welt gekommen, die Sünder zu retten.” So erkennt es Paulus. Er lebt nun ein neues Leben. Aber ein völlig anderer Mensch ist er dennoch nicht geworden. Doch er ändert die Richtung. Er eifert weiterhin für Gott. Und er eifert jetzt für Christus. Er zeigt anderen Menschen, was ihnen gut tut. Er hilft anderen, aus ihren Zweifeln herauszu-kommen. Das kennt er ja von sich selbst. Er hilft anderen, sich für ihre Mitmenschen einzusetzen. Er zeigt Wege auf, wie Menschen zueinander finden können. So bezeugt Paulus mit seinem Leben Christus. Denn Paulus ist von Christus ergriffen.
[5. Die eigene Vergangenheit nicht ausblenden]
Und noch etwas hat Paulus uns zu sagen – jetzt, wo er neu auf sein Leben sieht: Er kann nun auch zu seiner Vergan-genheit stehen. Er bekennt: „Ich war früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler“. Er kann das, weil er sich von Gott geliebt weiß. Ich finde es stark, wie er zu seinen eigenen Schwächen steht. Es ist eine besondere Fähigkeit, sein eigenes Verhalten öffentlich in Frage zu stellen. Doch solche Menschen überzeugen. Sie sind glaubwürdig. Weil sie – wie Paulus – den Mut haben, den bisherigen Weg zu ver-lassen. Paulus findet es nicht ehrenrührig, seine Fehler zu-zugeben und dann auch sein Verhalten zu ändern.
Das ist die Geschichte, die Paulus hier von sich erzählt.
[6. Mit seiner eigenen Geschichte wirbt Paulus um uns.]
Warum erzählt Paulus das alles? Er erzählt es nicht, um sich in den Vordergrund zu spielen. Vielmehr soll an ihm für alle deutlich werden: Jesus Christus rettet die Sünder. Jesus rettet die, die an anderen schuldig werden. Und an sich selbst. Darin ist Paulus tatsächlich ein Vorbild. Er selber ist selig geworden, zum Glauben gekommen. Diese Freude muss er hinausrufen. Darum beginnt Paulus, von Gott zu erzählen. Darum erzählt er von Jesus. Er erzählt: Gott er-öffnet dem Menschen einen Weg zum Leben.
Paulus setzt sich damit kein Denkmal. Nein, letztlich will er weniger von sich als vielmehr von Gott erzählen. Er und seine Geschichte sind ein Beispiel, wie Gott uns Menschen begegnet. Paulus gibt eine Antwort auf die Frage: „Ja wie wirkt denn Gott? Wo merkt man denn etwas vom Evangeli-um?” Geantwortet hat er: „Ich kann nur sagen, wie ich es erfahren habe. Und diese Möglichkeit steht auch dir offen.”
So gibt Paulus uns einen Schlüssel in die Hand, wie wir fröh-lich und selig unseren Weg weiter gehen können. Mit neuem Lebensmut. Deswegen diese Freude und Dankbarkeit in sei-nen Worten. So kann er nicht anders, als zu hoffen, dass auch wir mit einstimmen können in den Jubel: (V 17)
„Aber Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, der allein Gott ist, sei Ehre und Preis in Ewig-keit! Amen.”
Eingangsgebet
Gott, wir haben dir viel zu verdanken.
Darum lassen wir uns heute an deine Liebe erinnern.
Wir erfahren sie in unserem Alltag:
Wenn wir neuen Lebensmut schöpfen.
Wenn wir über das hinwegkommen,
was andere uns angetan haben.
Wenn wir erfahren,
wie Menschen sich durch deine Liebe verändern.
Wir danken dir für diese Zeichen deiner Liebe.
Wir danken dir, dass du mit uns redest.
So sprich uns auch heute an! E. V.
Fürbittengebet
Herr, unser Gott,
durch Jesus Christus wissen wir,
dass du keinen übersiehst,
der sich verirrt hat.
Wir danken dir,
dass du uns suchst und findest.
Du schickst uns auf den Weg,
das Verlorene zu suchen.
Darum bitten wir dich:
Mach uns empfindsam für Menschen,
die innerlich am Ende sind,
sich aber sicher und tüchtig geben.
Lass uns auf die zugehen,
die von anderen gemieden werden.
Schenk uns Geduld mit denen,
die misstrauisch geworden sind,
weil sie überall Feinde sehen.
Du gibst uns die Kraft dazu,
weil du keinen aufgibst.
Aus: Liturgieentwürfe für das Kirchenjahr, Frankfurt 1985, S. 251
Verfasserin: Pfarrerin Dr. Evelina Volkmann
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