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Das Wort von der Versöhnung

von Joachim Meyer (Reinheim)

Predigtdatum : 08.06.2008
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32
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Wochenspruch:

Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. (Lukas 19,10)

Psalm: 103,1-5.8-13 (EG 742)

Lesungen

Altes Testament:
Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32
Epistel:
1. Timotheus 1,12-17
Evangelium:
Lukas 15,1-3.11b-32

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 302
Du meine Seele, singe
Wochenlied:
EG 353
Jesus nimmt die Sünder an
Predigtlied:
EG 234
„So wahr ich lebe“, spricht dein Gott
Schlusslied:
EG 599
Selig seid ihr

Hinführung:
Der Wochenspruch des Sonntags und seiner Woche lautet: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“(Lk.19,10 – der Schlusssatz Jesu aus der Zachäusgeschichte), das Evangelium ist zu finden in Lukas 15, das Gleichnis Jesu vom verlorenen Sohn. Beides mal geht es um das Rettungshandeln Gottes in Jesus Christus. Beides mal verteidigt Jesu das Rettungshandeln Gottes gegen Pharisäer, Schriftgelehrte, die Jesus und sein Tun heftig kritisieren.
Auch der Predigttext aus dem Buch Hesekiel greift den Gedanken auf, dass Gott zuerst ein Liebender ist, der nicht den Tod des Gottlosen will, sondern dessen Bekehrung von seiner Sünde zu Gott hin, dem Liebhaber des Lebens (Hes. 18,23). Dies freilich hat konkrete Auswirkungen in der Lebensgestaltung, ist nicht nur Gerede. Wie im Evangelium und in der Zachäusgeschichte spielt die Bekehrung, die Umkehr vom falschen, Unheil bringenden Weg eine entscheidende Rolle.
Hesekiel ist der Sohn eines Priesters. Er lebte und wirkte wohl zwischen 597 v.Chr. und 570 v.Chr. im babylonischen Exil. Vermutlich gehörte er zur ersten Deportationsgruppe und betrachtete den Zusammenbruch des Staates Juda und die Zerstörung Jerusalems aus dem Exil. Er wird von Gott als Wächter über sein Volk berufen (Hes. 3, 17ff) und muß im Auftrag Gottes warnen und Sünden aufdecken. Unter „Sünde“ verstehe ich dabei die Haltung und das Tun, das den Menschen sowohl von Gott entfernt und entfremdet wie auch von seiner konkreten Lebensgemeinschaft. Sünde ist die Verfehlung, Schuld der konkrete Rechtsbruch (Bibelübersetzung in gerechter Sprache). In diesem Kontext ist auch der Predigttext zu verstehen: der damalige – und heutige – Hörer der göttlichen Botschaft ist zur Eigenverantwortung gerufen und dazu, sich vom falschen Weg hin zu Recht und Gerechtigkeit zu bekehren. Dies ist der Wille Gottes. Darauf ruht die Verheißung des Lebens.
Da es ein prophetischer Predigttext ist, versuche ich mit dem Text und aktuellem Schwergewicht „prophetisch“ zu predigen.
Als Übersetzung wähle ich den Luthertext, ziehe aber zum besseren Verständnis die Bibelübersetzung in gerechter Sprache hinzu.

Liebe Gemeinde,
Rabbi Elieser sagte einmal: „Kehre zu Gott zurück einen Tag vor deinem Tod“ Die Schüler fragten Rabbi Elieser: „Weiß denn der Mensch, an welchem Tag er sterben wird?“ Dieser antwortete: „Umso mehr muss er heute umkehren, vielleicht stirbt er morgen. Es ergibt sich also, dass er alle Tage seines Lebens zu Gott zurückkehren soll.“
Der Predigttext des heutigen Sonntags handelt vom Umkehren, vom Zurückkehren zu Gott und davon, wie das geht. Und vom richtigen Leben. Doch hören Sie selbst:

1 Und des HERRN Wort geschah zu mir: 2 Was habt ihr unter euch im Lande Israels für ein Sprichwort: »Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden«? 3 So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel. 4 Denn siehe, alle Menschen gehören mir; die Väter gehören mir so gut wie die Söhne; jeder, der sündigt, soll sterben.
21 Wenn sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält alle meine Gesetze und übt Recht und Gerechtigkeit, so soll er am Leben bleiben und nicht sterben. 22 Es soll an alle seine Übertretungen, die er begangen hat, nicht gedacht werden, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat. 23 Meinst du, daß ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der HERR, und nicht vielmehr daran, daß a er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt? 24 Und wenn sich der Gerechte abkehrt von seiner Gerechtigkeit und tut Unrecht und lebt nach allen Greueln, die der Gottlose tut, sollte der am Leben bleiben? An alle seine Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden, sondern in seiner Übertretung und Sünde, die er getan hat, soll er sterben.
30 Darum will ich euch richten, ihr vom Hause Israel, einen jeden nach seinem Weg, spricht Gott der HERR. Kehrt um und kehrt euch ab von allen euren Übertretungen, damit ihr nicht durch sie in Schuld fallt. 31 Werft von euch alle eure Übertretungen, die ihr begangen habt, und macht euch a ein neues Herz und einen neuen Geist. Denn warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel? 32 Denn ich habe kein Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der HERR. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben.

Wir schreiben den Beginn des 6. Jahrhunderts vor Christi Geburt.
Der Staat Juda war besiegt, die Hauptstadt Jerusalem zerstört, die Menschen in die babylonische Gefangenschaft geführt. In dieser verzweifelten Situation ergeht Gottes Wort an den Propheten Hesekiel. Hesekiel antwortet mit den Versen unseres Predigttextes auf die Klage der Gefangenen. Sie schieben die Schuld an ihrem Unglück ihren Vätern zu. Was das Sprichwort (18,2) zur Sprache bringt, klingt unausweichlich, unabwendbar, schicksalsergeben. Doch Hesekiel durchbricht mit seinen Worten – mit der göttlichen Prophetie – den Teufelskreis von geschichtlicher Ursache und Wirkung. Er ruft die Klagenden dazu auf, ihr Leben endlich in ihre eigene Hand zu nehmen. Jeder Mensch ist unmittelbar zu Gott, sagt er. Jeder Mensch ist verantwortlich für sein Tun und Ergehen. Und Gott ist ein Liebhaber des Lebens. Er will nicht das Leid der Menschen, sondern ihr Heil und ihre Heilung. Darum: Kehrt um und tut den Willen des lebendigen Gottes. Haltet seine Gesetze. Übt Recht und Gerechtigkeit.
Die Frage, liebe Gemeinde, wie sehr Kinder Untaten, Schuld und Verfehlung ihrer Eltern ausbaden müssen, ist eine gerade heute aktuelle Frage. Dazu einige Beispiele:
1. Die Schulden. Mit jeder Sekunde tickt die Schuldenuhr in unserem Land. Und nicht nur sprachlich gibt es einen Zusammenhang von Schuld und Schulden. Jede Sekunde wachsen die Schulden in Deutschland um 1300 € – insgesamt betragen sie die ungeheure Summe von 1,6 Billionen Euro. Um sich diese unvorstellbare Summe besser vorzustellen, einige Vergleiche: Gemessen mit 50 Euro-Noten kommt man auf eine Strecke von 465.531 km Länge, wenn man sie nebeneinander legt, oder auf eine Höhe von 291 Kilometer, wenn man sie übereinander legt. Aktuell häufen wir Schulden auf zu Lasten unserer Kinder.
2. Die Klimakatastrophe. Das aktuelle Klima resultiert auch aus der Verschmutzung vergangener Jahre und das künftige Klima aus der Belastung in der Gegenwart. Auch hier müssen nachfolgende Generationen büßen.
3. Die Vergeudung der Bodenschätze der Erde. Hier leben wir schon lange auf Kosten unserer Kinder und Kindeskinder. Die Warnungen des Club of Rome von 1972 haben wenig genützt.
4. Der Zusammenhang von Bildung und sozialer Situation. Leider haben Kinder, in sozial schwierigen Verhältnissen aufgewachsen, schlechtere Bildungs- und Entwicklungschancen als andere.
5. Die Krankheit AIDS überträgt sich im Mutterleib. Infizierte Mütter gebären kranke Kinder.
Jede der hier beschriebenen Situationen gleicht einem Teufelskreis. Ein Herauskommen ist nur schwer möglich – aber nicht unmöglich: Aids-kranke Kinder können behandelt werden, sozial benachteiligte Kinder gefördert, die Vergeudung der Rohstoffe kann eingeschränkt und gestoppt werden, die Klimakatastrophe in einer gewaltigen Anstrengung abgewendet und das Schuldenmachen beendet werden. Wenn die Verantwortlichen es nur wollen und wir alle mitmachen und eine gemeinsame Anstrengung begonnen wird. Zum Glück gibt es Ansätze und Vorzeichen, die Hoffnung machen.
Der Ausstieg aus dem Teufelskreis der Schuld beginnt oft mit einem veränderten Blick. Betrachte einmal die Dinge von einer anderen Seite, als Du sie bisher sahst. Das ist der erste Schritt zu einem neuen Leben.
Wie damals zur Zeit des Jeremia. In der Gefangenschaft hatten die Menschen ihre Hoffnung verloren. Die Situation schien aussichtslos. Und Gott schien ein Gott der Rache, der die Schuld rächen will.
„Nein“ rief der Prophet in die Ohren der Versammelten. Gott ist kein Rachegott. Gott hat nicht Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern daran, dass dieser sich bekehrt von seinen falschen Wegen und am Leben bleibt.
Der Ausstieg damals begann mit einem anderen Blick auf Gott, mit einem anderen Gottesverständnis: Gott ist kein Rachegott, sondern ein Liebhaber des Lebens.
„Mitten in eurem Elend sage ich es euch: Gott ist ein Liebhaber des Lebens.“ Das war die Botschaft des Propheten. „Darum kehrt um von Euren falschen Wegen.“
Mit dem veränderten, neuen Gottesverständnis beginnt auch heute der Ausstieg aus dem Teufelskreis der Schuld.
Wer daran glaubt und fest hält, dass Gott – also das Höchste und Beste, woran Du Dein Herz hängst – ein Gott der Liebe und Gerechtigkeit ist, wird dementsprechend zu leben versuchen. Auch gegen manche Widerstände.
„1997“, so berichtet der Politiker Heiner Geißler, „hat der erste Polizeihauptkommissar Schlosser in Landau/Pfalz den in Angola geborenen Asylflüchtling Alves Joao Dacosta aus der Ausnüchterungszelle der Polizeidirektion Landau, in der sich Dacosta in Abschiebehaft befand, befreit, da er die Unterbringung in diesem Polizeigewahrsam nach mehreren Tagen für menschenunwürdig und rechtswidrig hielt. Schlosser wurde in allen Instanzen wegen Gefangenenbefreiung verurteilt und disziplinarrechtlich gerügt. Aus den Prozessen und Verfahren, denen der Polizeibeamte unterworfen wurde, zeichnet sich ein bedrückendes Bild der Gedankenwelt der richterlichen und exekutiven Hüterinnen und Hüter rechtsstaatlicher Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland ab. Unbestritten handelte es sich bei der Unterbringung des Abschiebehäftlings um einen rechtswidrigen Missstand, der von den zuständigen Instanzen nicht behoben wurde.
Schlosser hatte sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sondern diskutierte tagelang mit sich und anderen um die Frage, was für ihn wichtiger sein müsse: die Pflichterfüllung gegenüber dem normalen Gesetz oder die Gewissensentscheidung in einer konkreten Situation. Schlosser hat sich gegen das formale Recht und für die inhaltliche Gerechtigkeit zugunsten eines anderen Menschen entschieden. Nach seiner eigenen Aussage hat ihm die Lektüre des Evangeliums bei dieser Entscheidung geholfen.“
Gott, ein Liebhaber des Lebens – die Welt mit anderen Augen sehen und dann nicht schicksalsergeben, sondern mutig handeln – so beginnt der Weg der Umkehr. Und dann im Vertrauen auf die Nähe und den Beistand Gottes weitergehen auf dem Weg des Rechts und der Liebe. Im Horizont des Reiches Gottes. Eile mit Weile – unser Ziel ist der jüngste Tag.
Es war gut, dass der Prophet Hesekiel damals nicht geschwiegen hat. Dass er sich damals nicht das Wort verbieten ließ, weder von den klagenden und jammernden Judäern, die der Zerstörung ihres Tempels hinterher weinten und nur zurück blicken konnten auf die Schuld der Väter. Noch von den babylonischen Machthabern, die die Sterne anbeteten und nicht den lebendigen Gott.
Es ist gut, dass auch heute Propheten das Wort erheben und Menschen sich mutig wie jener pfälzische Polizist vom Evangelium in ihrem Tun und Reden leiten lassen.
Es ist gut, dass auch heute immer wieder Frauen und Männer zur Erkenntnis kommen, dass Umkehr besser ist als Weitermachen. Ihnen zolle ich am Ende meinen Respekt und wünsche, dass viele ihrem Vorbild folgen können und sich eines Tages auch Verhältnisse ändern.
„Alle Umkehr und Erneuerung muß bei mir selbst anfangen“, sagt Dietrich Bonhoeffer.
Darum am Ende mein Wunsch:
Es stärke dich Gott/ das Richtige zu tun/gegen alle Stimmen/von rechts und von links/säuselnd und drohend/
Aufzurichten/was zerstoßen ward/von dunklen Mächten/gegen das Lachen/ der Spötter/
Neues zu wagen/trotz blutender Hände/auszusprechen/was gefährlich ist/und schweigend zu warten/wo die Menge drängt/
Gegen das Verzagen/das Trotzdem zu setzen/und unbeirrt/das Rechte zu tun/das Er dir zeigt.
Wilma Klevinghaus
Amen.

Verfasser: Dekan Joachim Meyer, Tilsiter Str. 12, 64354 Reinheim

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