Das Wort von der Versöhnung
von Claudine Geddert (88662 Überlingen)
Predigtdatum
:
09.07.2000
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
2. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Johannesbrief 1,5-2,6
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Wochenspruch:
Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. (Lukas 19,10)
Psalm: 103,1-5.8-13 (EG 742)
Lesungen
Altes Testament:
Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32
Epistel:
1. Timotheus 1,12-17
Evangelium:
Lukas 15,1-7 [8-10]
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 4501-4
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
EG 232
oder EG 353
Allein zu dir, Herr Jesu Christ
Jesus nimmt die Sünder an
Predigtlied:
EG 593
Licht, das in die Welt gekommen
Schlusslied:
EG 450,5
Leucht uns selbst in jener Welt
5 Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. 6 Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. 7 Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. 8 Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. 9 Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. 10 Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.
2,1 Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. 2 Und er ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt. 3 Und daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. 4 Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. 5 Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind. 6 Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat.
(Predigt für den 19.6.94)
Liebe Gemeinde!
“Wir leben nach der Bibel!”, hieß es in einem der Traktätchen, die einem in letzter Zeit häufig von neu entstehenden religiösen Gruppen in den Briefkasten geworfen werden. Aber was ist denn daran neu? Tun wir das nicht alle? Wir sind getauft, sind konfirmiert, gehen zur Kirche, gelegentlich auch zum Abendmahl. Auch an unserem Lebenswandel ist doch so schrecklich viel eigentlich nicht auszusetzen. Und doch würden wir wohl einen solchen Satz nicht an unsere Haustüren schreiben und auch den anderen nicht in die Briefkästen werfen. Die Bibel ist so ein dickes Buch, und sie ist so umfassend. Können wir da wirklich sagen, dass sie unser ganzes Leben in allen Bereichen bestimmt?
Es kam da einmal ein junger Mann zu Jesus und fragte ihn, wie er denn selig werden könnte. Jesus hat ihm geantwortet: “Halte die Gebote”. Der junge Mann hat behauptet, er habe sie alle gehalten von Jugend auf. Glauben Sie ihm das? Jesus nimmt noch nicht einmal die ersten Gebote, nein, er fragt nach ganz einfachen Dingen: Du sollst nicht ehebrechen, nicht stehlen, nicht töten, nicht lügen, Vater und Mutter ehren. Wer von uns wollte da so rundweg sagen: “Ich habe alles gehalten. Es ist mir nichts nachzuweisen.”
Und wenn es wirklich so wäre, wenn da nichts nachzuweisen wäre – steht nicht auch die Bergpredigt in der Bibel? Heißt es da nicht: “Wenn du eine ansiehst, ihrer zu begehren, dann hast du die Ehe schon mit ihr in deinem Herzen gebrochen.” Jesus hat das nicht erfunden. Wir haben es doch im 10. Gebot gelernt - kurz zusammengefasst: Du sollst nichts begehren, was deinem Nächsten gehört. Nein, nachzuweisen ist es uns natürlich nicht. Aber vor Gott braucht man doch nichts nachzuweisen. Vor ihm liegt doch unser ganzes Denken und Fühlen, unser Wollen, Lieben und Hassen offen. Gott ist Licht, ein Licht, in dem die Farben zum Leuchten kommen, aber auch die Dunkelheiten zutage treten.
Der junge Mann, der doch alle Gebote so treulich gehalten hatte, musste traurig fortgehen. Er besaß so viele Dinge. Nein, davon konnte er sich nicht trennen. Meinen Sie, wir könnten das? Einfach alles stehen lassen und Jesus nachfolgen? Dabei geht es gar nicht so sehr um den materiellen Besitz. Jesus wollte den jungen Mann ja nicht zum Mönch machen. Er hat niemandem die Askese befohlen. Es geht vielmehr um das “Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.” So einfach ist es also wohl doch nicht, nach der Bibel zu leben.
Und wenn wir nun einmal versuchten, mit der Bibel zu leben? Das müsste gewiss nicht heißen, sie ständig mit sich herumzutragen oder Gottes Wort bei jeder passenden Gelegenheit im Munde zu führen - eine sehr lästige Weise, den Namen des Herrn zu missbrauchen. Was wäre das für ein Licht, das uns zu Oberlehrern unserer Umgebung macht!
Jesus will bei uns sein, alle Tage bis an das Ende der Welt. Er will uns zum Licht der Welt machen. Mit der Bibel zu leben, heißt, mit ihm zu leben und nach ihm zu fragen. Lassen Sie uns also die Bibel lesen. “Sie ist’s, die von mir zeugt”, hat Jesus gesagt. Man kann da nicht beim ersten Buch Mose anfangen und bei der Offenbarung des Johannes aufhören. Da wird wohl jedem von uns der Atem ausgehen.
Es gibt aber gute Anleitungen, wie man sich den Inhalt der Schrift nach und nach zu eigen machen kann, sodass man auch Zusammenhänge erkennt, dass da jenes Licht durch die Worte in unser Leben hineinleuchtet und für uns in unserem Alltag gegenwärtig wird. Das Licht ist ein schönes Bild für christliches Leben. Man kann Licht nicht aufteilen: Hier ist mein geistliches und dort mein weltliches Leben. Wer in der Sonne steht, der wird zwar an der beschienenen Seite warm und angestrahlt. Aber die andere Seite wird darum nicht dunkel. Das Licht bescheint die kleinen Dinge wie die großen, ja es macht die kleinen Dinge erst recht sichtbar. Das betrifft das Gänseblümchen genau wie den großen Baum daneben. Unser Leben besteht nun einmal aus Kleinigkeiten - sie machen das Leben aus.
Das Schönste an dem Gleichnis Jesu vom barmherzigen Samariter ist, dass der kein einziges Wort spricht, während er sich da auf der Straße um den Verletzten kümmert. Und Jesus beschreibt jeden Handgriff, den er da tut - sachgemäß und der Situation angemessen. Wir wissen nicht einmal, ob er ein freundliches Gesicht dazu gemacht hat. Es ist eine Weise des Lichtes, die Welt durch Menschenhände oder -füße zu erwärmen. Aber dann hat er doch mit dem Wirt gesprochen. Er hat delegiert, würden wir heute lobend sagen.
Aber so war es eben doch wohl nicht. “Pflege ihn”, hat er gesagt, “und wenn du mehr Geld brauchst, will ich dir’s geben, wenn ich wiederkomme”. Er hat den Verletzten nicht abgegeben auf eine der zuständigen Stellen, die unser Sozialstaat ja für jeden Fall zur Verfügung hält. Nicht zufällig heißen die Menschen dann ja auch nur noch “Fälle” wie Pflegefälle, Sozialfälle usw. Nein, der Samariter war ja ein “Nächster” und darum war er verantwortlich und blieb zuständig, auch und sogar mit seinem Portemonnaie.
Wir, liebe Gemeinde sind zuständig. Das wäre das Leben mit der Bibel auf eine einfache und zeitgemäße Formel gebracht. Und unsere Zuständigkeit bezieht sich in erster Linie auf die Menschen, die uns die Nächsten sind. Eigentlich muss man den Begriff doch gar nicht mehr erklären. Der Nächste ist eben immer der, der gerade da ist, den ich anschaue, der vor mir her geht oder hinter mir steht, der mit mir mein Leben teilt, die Arbeit mit mir tut, mit mir Sport treibt, die Freizeit verbringt.
Es ist so einfach - darum ist es wohl auch so schwierig. Wir alle wollten wohl betreten unter uns gucken, wenn uns jemand fragte: “Leben Sie nach der Bibel?” Lassen Sie es uns doch versuchen, mit der Bibel zu leben. Es könnte nur für diese Woche sein - für den nächsten Monat oder für ein Jahr. Lassen Sie uns das Licht doch wenigstens wahrnehmen, das Gott für uns in die Welt gegeben hat. Man kann ein Licht nicht sehen, ohne auch davon ein bisschen heller, ein bisschen lichter zu werden. Alles, was leben will, braucht doch Licht.
Wahrscheinlich können wir wohl nicht nach der Bibel leben. Man kann aber gewiss von ihr leben, wenn man mit ihr leben will. Amen.
Verfasserin: Dekanin i. R. Claudine Geddert, Priemelweg 5, 88662 Überlingen
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