Das Wort von der Versöhnung
von Horst Hofmann (06484 Quedlinburg)
Predigtdatum
:
26.06.2009
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
2. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Lukas 15,1-3.11b-32
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Das Wort von der Versöhnung
Wochenspruch
Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. (Lukas 19,10)
Psalm: 103,1-5.8-13 (EG 742)
Lesungen
Altes Testament:
Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32
Epistel:
1. Timotheus 1,12-17
Evangelium:
Lukas 15,1-3.11b-32
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 168, 1-3
Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied:
EG 353
Jesus nimmt die Sünder an
Predigtlied:
EG 315
EG 251, 1.2.7
Ich will zu meinem Vater gehen
Herz und Herz vereint zusammen
Schlusslied:
EG 168, 4-6
Wenn wir jetzt weitergehen
„Es nahten sich ihm aber allerlei Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne.Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. Als er nun all das Seine verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land, und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm. Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner! Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein. Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen und rief zu sich einen der Knechte, und fragte, was das wäre. Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat.Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre.Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.“
Liebe Gemeinde!
Ein richtiges Familiendrama erzählt Jesus: Einer setzt sich ab von zu Hause. Er will auf eigene Faust sein Glück machen. Aber er scheitert. Der letzte Ausweg ist die Rückkehr ins Vaterhaus. Doch dort bahnt sich ein neuer Konflikt an. Der Bruder will nichts mehr mit ihm zu tun haben. - Eine Geschichte voller Spannung, fast wie in einem Krimi. Nur dass es hier keinen Toten gibt. Oder doch? Der Vater, von dem Jesus erzählt, sagt zweimal den merkwürdigen Satz: „Mein Sohn war tot, doch jetzt lebt er wieder.“ Also gibt es hier doch einen Toten. Einen Toten, der wieder lebendig geworden ist. Wie sollen wir das verstehen?
Wahrscheinlich so: Es gibt einen Zustand, in dem Menschen zwar atmen und vielleicht sogar allerhand Betrieb machen. Aber was ihre Tage bestimmt, ist eigentlich kein Leben. Manchmal spüren sie es selbst und sagen: „Das ist kein Leben mehr.“
Der junge Mann zum Beispiel, der in der Fremde sein Glück machen wollte, hat seine Lage so empfunden. Das Geld verzockt. Die Mädchen weggelaufen. Im Schweinestall gelandet. Das ist kein Leben mehr. Das ist Tod auf Raten. Zum Leben gehört mehr als das Schweinefutter. Zum Leben gehört Sinn und Freude. Zum Leben gehört Hoffnung. Und zum Leben gehört vor allem auch Gemeinschaft, Austausch, Beziehung, Kommunikation. Wer die nicht mehr hat, der ist tot. So tot wie ein Handy, dessen Batterie leer ist.
In dem Theaterstück „Glückliche Tage“ des irischen Schriftstellers Samuel Beckett tritt Winnie auf, eine fünfzigjährige Frau. Sie redet unaufhörlich. Aber niemand hört ihr zu. Sie schmückt sich und schminkt sich. Aber niemand ist da, der sie bewundert. Im ersten Akt des Schauspiels ist sie bis zur Taille im Sand begraben. Im zweiten Akt guckt sie nur noch mit dem Kopf aus der Erde. Wo einer kein Gegenüber mehr hat, stirbt das Leben. Davor will Jesus uns mit dieser Geschichte bewahren, die von einem erzählt, der vom Sterben ins Leben zurück gefunden hat. Und von einem anderen, dem mitten im Leben der Unversöhnlichkeitstod droht.
Leben wird uns geschenkt durch Gemeinschaft -
(1) Gemeinschaft mit dem Vater und (2) Gemeinschaft mit dem Bruder.
1. Wir brauchen zum Leben die Gemeinschaft mit Gott, dem Vater.
„Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere sagte: ‚Vater, gib mir den Teil der Erbschaft, der mir zusteht.’ Da teilte der Vater seinen Besitz unter die beiden auf. Und nicht lange danach nahm der jüngere seinen Anteil und zog in die Fremde.“
In unserem Land sind in den letzten Jahrzehnten viele diesen Weg gegangen. Sie sind ausgezogen aus dem Vaterhaus. Sie haben sich innerlich, oft auch äußerlich, von dem Gott-Vater verabschiedet. Nach einer Focus-Umfrage haben 81 % der Ostdeutschen und 58 % der Westdeutschen schon jahrelang keinen Gottesdienst mehr besucht. Überraschend viele sagen zwar, sie glaubten noch an Gott. Aber nur jeder fünfte Deutsche bekennt, wenigstens einmal am Tag zu beten oder sich zu fragen, ob sein Verhalten mit dem Willen Gottes im Einklang steht.
Viele leben also in einer Welt, in der Gott keine Rolle mehr spielt. Und es lebt sich ja, wenigstens eine Zeit lang, ganz gut ohne Gebete und Gebote. Manchmal scheint es, als seien die zu Hause Gebliebenen, die Frommen und Gewissenhaften, ein bisschen neidisch auf die, die kein Gewissen drückt, die sich nur um das kümmern, was Spaß macht. Die Versuchung ist nicht gering, sich auch eines Tages aus der Pflicht zu verabschieden, mal auf den Putz zu hauen, sich treiben zu lassen statt gegen den Strom zu schwimmen.
Allerdings ist das Leben ohne Gott auch riskant. Wenn alles seinen Gang geht, kann man auf den Vater ganz gut verzichten. Schwierig wird es, wenn das Leben aus dem Ruder läuft. Wenn es plötzlich aus ist mit den Geschäften und mit der Gesundheit. Wenn der Partner oder die Freundin sich absetzt. Wenn die Einsamkeit im Hals würgt. Dann wird’s dunkel. Dann kommt der Griff zur Flasche, der alles noch viel schlimmer macht. Dann kommt der Weinkrampf und das heulende Elend. Unversehens stecken wir im Sand und rutschen immer tiefer. Das Leben ohne den Vater wird schnell lebensgefährlich. Denn wer den Vater verlassen hat, hat kein anderes Lebensziel mehr als den Tod.
„Da ging er in sich“ sagt Jesus von dem, der glaubte, er brauche den Vater nicht mehr. In sich gehen - das hört sich einfach an. Aber es steckt ein hartes Stück Arbeit in diesem Gesinnungswandel. Da steckt das Eingeständnis drin, mit der eigenen Kraft und Schlauheit am Ende zu sein... Da geht es um schlaflose Nächte und endlose Selbstgespräche, um die Überwindung von Stolz und von Trotz. Da geht es um den Abschied von Illusionen und das Eingeständnis, den falschen Weg gegangen zu sein. Jesus will mit seiner Geschichte Mut machen, das mühsame Geschäft des Innehaltens, der Besinnung, der Umkehr zu wagen. Einer Umkehr, die eine neue Lebensperspektive eröffnet. Die herausführt aus der Depression. Die Besinnung auf den Vater befreit von den Angstträumen, in denen wir abstürzen ins Nichts.
„Da lief ihm der Vater entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ Für uns Christen ist die Besinnung auf Gott verbunden mit einem Wunder. Der Vater, den uns Jesus vor Augen stellt, ist einer, der uns nicht zappeln oder hängen lässt: Der Gnade vor Recht ergehen lässt. Der uns entgegen kommt. Der uns um den Hals fällt und sagt: „Willkommen zu Hause!“ In Jesus kommt uns Gott entgegen und hält die Arme auf. Jeder Gottesdienst, den wir im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes feiern, ist ein Kuss Gottes, der uns willkommen heißt. Wenn in einer Kirche die Glocken läuten, die Kerzen brennen und die Festmusik erklingt, dann bedeutet das: Da ist ein Vater, der auf uns wartet. Der die Tür zum Himmelreich aufgeschlossen hat. Der nicht will, dass wir sterben sondern der will, dass wir leben. Leben in der Gemeinschaft mit ihm. Und leben in der Gemeinschaft mit Brüdern und Schwestern.
2. Wir brauchen zum Leben auch die Gemeinschaft mit dem Bruder.
„Der ältere Sohn war noch auf dem Felde. Als er zurückkam, hörte er das Singen und Tanzen. Da rief er einen Diener herbei und fragte, was da los sei. Der sagte: ‚Dein Bruder ist zurückgekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn gesund wiederhat’. Da wurde der ältere Bruder zornig und wollte nicht ins Haus gehen.“
In unserer Bibel trägt die Geschichte von den beiden Brüdern die Überschrift „Der verlorene Sohn“. Wer ist der verlorene Sohn? Auf den ersten Blick der jüngere, der um ein Haar versackt wäre. Dem das Wasser oder der Sand schon bis zum Halse stand. Aber das Gleichnis Jesu nimmt eine unerwartete Wendung. Da sitzt der Liederjan auf einmal an der Festtafel im Vaterhaus und der Tüchtige und Anständige steht im Abseits. Das ist die große Überraschung dieser Geschichte, vielleicht sogar ihre eigentliche Pointe. Nicht nur der Leichtsinnige und Oberflächliche setzt sein Leben aufs Spiel. Sondern auch der Rechtschaffene und Anständige, der es sich sauer werden lässt auf dem Acker mit seinen Dornen, Disteln und Steinen. Auch er steht in der Gefahr, das wirkliche Leben zu verlieren. Denn zum wahren Leben gehört die Gemeinschaft mit dem Bruder.
Das hat Jesus den Pharisäern und Schriftgelehrten hinter die Ohren geschrieben, sagt der Evangelist Lukas. Ihnen hat er diese Geschichte erzählt. Ihnen, die ihre Anständigkeit und Frömmigkeit zur Norm gemacht hatten. Wenn jemand, wie zum Beispiel ein Zöllner, dieser Norm nicht entsprach, machten sie die Schotten dicht. Dann „murrten sie“. Wie der ältere Bruder, der sich weigert, dem heimgekehrten Taugenichts die Hand zu geben.
Hier sind wir plötzlich selber mitten drin in der Geschichte vom verlorenen Sohn. Die meisten von uns mühen sich sicher redlich, ein anständiges und Gott wohlgefälliges Leben zu führen. Wir haben ein gutes Führungszeugnis und könnten allerhand aufzählen, was wir leisten und tapfer durch gestanden haben in der Hoffnung, dass wir einmal für unsere Mühe und unser Gottvertrauen belohnt werden. Und es wird auch so sein. „Alles, was mein ist, ist dein“ sagt in unserem Gleichnis der Vater zum Tüchtigen. Du wirst mehr bekommen als du je verdienen konntest, heißt das. Das Himmelreich ist dein. Du kannst dich jetzt schon darauf und darüber freuen. Du kannst jetzt schon das große Fest des Lebens feiern. Eines Lebens der seligen Gemeinschaft zwischen dem Vater und seinen Töchtern und Söhnen, zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen.
Wie schön wäre es, dieses Fest des Lebens zu feiern. Aber es ist an eine Bedingung gebunden. Wir müssen es miteinander feiern. Auch mit denen, die es nach unserer Überzeugung nicht verdient haben. Die anders sind und anders leben als wir. Wir müssen uns auch mit denen an einen Tisch setzen, die uns gekränkt oder enttäuscht haben. Wir müssen das Festmahl mit denen teilen, die eine andere Lebenseinstellung haben oder eine andere Sprache sprechen. Wir müssen die als Brüder und Schwestern akzeptieren, die uns fremd geworden oder fremd geblieben sind. Damit tun sich viele gerade unter den Tüchtigen und Frommen schwer.
Am Ende des Jesusgleichnisses steht der Vater bei dem sich verweigernden Sohn und wirbt um seine Bruderliebe. „Mein Junge“ sagt er, „überwinde deinen Groll und öffne dein Herz. Ich heiße ja nicht gut, was dein Bruder getan hat. Aber er hat Lehrgeld gezahlt. Er hat nicht nur seinen Spaß gehabt sondern auch Ängste durchlitten, die dir erspart geblieben sind. Gib deinen Widerstand auf. Du brauchst deinen Bruder und er braucht dich. Und mit den Schwestern ist es ganz genauso.“
Jeder Gottesdienst, den wir feiern, ist ein solches Werben des Vaters um unsere Großherzigkeit und Vergebungsbereitschaft. Wenn ich mich gegen einen anderen Menschen verschließe, Bruder oder Schwester, Nächster oder Fernster, laufe ich Gefahr, am Ende der verlorene Sohn zu sein. Durch Unversöhnlichkeit verliere ich nicht nur den Bruder sondern auch den Vater. Ohne Gemeinschaft mit dem Vater und dem Bruder aber bin ich wie ein Funke, der aus dem Feuer fällt. Er verliert seine Lebenskraft und wird zu Asche.
Es bleibt offen, wie das Drama endet, das Jesus erzählt hat. Wir bestimmen mit, wie es ausgeht. Wir können entscheiden, wo unser Ort ist. Ob wir gemeinsam mit den anderen umkehrbereiten Gottessöhnen und -töchtern an der Festtafel des großzügigen Vaters sitzen oder ob wir in einsamer Selbstgerechtigkeit im Abseits landen. Wir sind daran beteiligt, was einmal unter unserer Lebensgeschichte stehen wird, wenn der Strich gezogen wird: Verloren oder gewonnen. Tod oder Leben.
Amen
Provinzialpfarrer i. R Horst Hofmann, Am Schiffbleek 1, 06484 Quedlinburg
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