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Das Wunder ist möglich

von Björn Schäfer (Neukirch)

Predigtdatum : 16.12.2007
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 3. Advent
Textstelle : Offenbarung 3,1-6
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Offenbarung 3, 1-6

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

I.

Es ist Samstagabend. Im Dunkel des Zimmers funkeln die Kerzen des Adventskranzes am Tisch. Leise knistert das Feuer im Kamin und aus der Küche dringt der Duft von frisch gebackenen Plätzchen und Glühwein in das mit Liebe eingerichtete Wohnzimmer. Aus der molligen Atmosphäre der warmen Stube schaut Christian durch einen aufgetauten Fleck des vereisten Fensters hinaus in die Kälte des Abends. Ganz sanft fallen Schneeflocken vom Himmel auf die schon weiß überzuckerte Straße vor dem Haus. „Nun dauert es nicht mehr lang“, freut sich Christian und in seinem Gesicht steigt Freude auf. „Nun sind es nur noch ein paar Tage, dann ist endlich Weihnachten.“

Plötzlich schreckt Christian auf. Mittlerweile ist es stockfinstere Nacht, längst liegt er in seinem Bett. Irgendetwas hat da draußen gerappelt, irgendein dumpfer Schlag. Auf Christians Stirn bilden sich Schweißperlen. Und dann wieder. Das Geräusch kam von draußen. Gespannt liegt Christian im Bett, die Bettdecke tief ins Gesicht gezogen. Aus dem Schlafzimmer der Eltern hört Christian nur das gesunde Schnarchen seines Vaters. Nach einer Weile tut sich nichts mehr, es ist still, nur der Wind pfeift um das Haus. Später schläft Christian wieder ein.

Am nächsten Morgen ist die Aufregung groß. Mit verschlafenen Augen betritt Christian die Küche, wo sich Vater und Mutter aufgeregt unterhalten. Der Nachbar ist auch da. „Das gibt’s doch wohl nicht, die Welt wird immer verrückter, jetzt bekommt man sogar hier schon die Radkappen vom Auto geklaut! Und das vor der eigenen Haustür!“

Allmählich geht Christian ein Licht auf. Er hatte nicht geträumt. Er hatte den Dieb gehört.

II.

Liebe Gemeinde,

in ein paar Tagen feiern wir Weihnachten. Was feiern wir da eigentlich? Wir feiern die Menschwerdung Gottes, mit der das Heil in unserer Welt greifbar wurde. Und gleichzeitig sehnen wir uns nach der Wiederkunft Christi, der unsere Welt ein für allemal heil machen wird. Das sollten wir zumindest, auch wenn sich in unseren Tagen wohl ein Großteil der Bevölkerung Weihnachten auch ohne den wiederkehrenden Christus vorstellen könnte. Wer weiß, was dann geschehen würde, vielleicht fiele unser nach Zimtsternen riechendes Weihnachtsfest dann auch aus?!

Haben Sie sich eigentlich einmal in ihren Träumen ausgemalt, wie das sein wird, wenn Christus wiederkommt? Wie das sein könnte, wenn das schon nächste Woche wäre? Ehrlich gesagt, ich habe mir diese Gedanken noch nie so richtig gemacht. Ich habe mich aber auch an diese Welt gewöhnt, ich kenne ja keine andere. Und so schlecht, dass ich mir von jetzt auf gleich eine andere Welt wünschte, geht’s mir nicht. Wie das wohl sein wird, wenn Christus kommt, wie das wohl sein wird, wenn es richtig Weihnachten wird?

„Ich werde kommen wie ein Dieb in der Nacht, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich kommen werde“, so spricht Christus selbst über seine Wiederkunft. Ein beängstigendes Bild. Ein Bild, das nicht so recht in unsere Weihnachtsgeschichte hineinpasst, ein Bild, dass uns die Stirn in Schweiß taucht. Christus stielt sich in unsere Welt, doch wir schlafen. Wer einen Dieb erwischen will, der muss hellwach sein, der muss auf der Lauer liegen, der muss dann, wenn es zählt zuschlagen.

Liebe Gemeinde, müssten wir nicht einmal richtig wachgerüttelt werden?

III.

Am heutigen Sonntag haben wir Post bekommen. Nicht wir direkt, sondern die Gemeinde in Sardes, eine der sieben christlichen Gemeinschaften Kleinasiens. Sardes liegt in der heutigen Türkei und war einst die Königsstadt Lydiens, in der der sagenhaft reiche Krösus herrschte.

Der auferstandene Christus ist dem Seher Johannes erschienen. Ihm teilt er mit, was er von den Machenschaften der Gemeinden hält. Und dabei sieht er auch die Gemeinden, die längst in einen Dornröschenschlag gefallen sind. Er sieht eine Gemeinde, die sich nur um sich selbst dreht und in der Christus längst nicht mehr der Dreh- und Angelpunkt ist. Der Seher Johannes soll die Gedanken Christi nicht für sich behalten, sondern sie der Gemeinde in Sardes zukommen lassen. Der Brief des Johannes ist unser heutiger Predigttext.

Ich lese uns aus Offenbarung 3 die Verse 1-6:

1Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der adie sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, daß du lebst, und bist tot. 2Werde wach und bstärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott. 3So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen cwie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. 4Aber du hast einige in Sardes, die dihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert. 5Wer überwindet, der soll emit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem fBuch des Lebens, und gich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. 6Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

IV.

Ein gesalzener Brief! Wie wäre das, wenn ein solcher Brief direkt aus dem Himmel im Briefkasten unseres Pfarrbüros landete? Die Sekretärin würde ihn öffnen und an unsere Pfarrerin weiterreichen. Die würde ihn vielleicht am kommenden Donnerstag mit in die Sitzung des Kirchenvorstandes nehmen.

Ich stelle mir vor, der Kirchenvorstand säße zusammen und bekäme einen Brief, in dem steht: „Du hast den Namen, das du lebst, und bist tot.“ Und dann auch noch von höchster Stelle. Könnten wir dann so weiter machen, wie bisher?

Vielleicht würden wir den Brief auch einfach lochen und abheften. Aus den Augen aus dem Sinn. Wahrscheinlich würde uns einfallen, dass Gott wahrscheinlich keine Briefe schreibt, die man zur Post aufgeben kann. Ausreden finden gehört schließlich zu unseren leichtesten Übungen.

Und doch würde ich mir manchmal einen solchen Brief wünschen. Denn auch wir diskutieren mittlerweile am häufigsten über irgendwelche Pfarrstellen, nörgelnde Gemeindeglieder, zu knappe Finanzmittel, die Errichtung von Schulen, und und und. Sicherlich, auch diese Themen gehören zur Kirche. Aber sie sind nicht das Thema. Das Thema heißt Jesus Christus. Die wichtigste Frage heißt: Wie bereiten wir uns auf die Wiederkunft Christi vor? Wie bleiben wir wach für Christus?

So hart aber die Anklage des Briefes ausfällt: „Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot“, so sehr gilt auch: Wem man noch Briefe schreibt, den hat man im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht abgeschrieben, der ist einem noch was wert.

Uns begegnet hier ein Briefeschreiber, der um seine Gemeinde ringt. Der Auferstandene Christus will Sardes und uns nicht verloren geben. Ihm liegt jede einzelne Gemeinde am Herzen.

In seinem Ringen um die Gemeinde hält er allerdings mit der Wahrheit nicht zurück. „Ich werde kommen, wie ein Dieb in der Nacht, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde.“ Darin liegt die Gefahr, dass wir wie Tote schlummern und die Wiederkunft Christi verpassen und die Konsequenzen tragen müssen.

Du bist tot, das könnte heißen: Da wird nichts mehr draus. Da ist der Zug abgefahren, da ist der Untergang vorprogrammiert. Wer allerdings so spricht, der nimmt die Wirklichkeit der Gemeinde ohne die Augen der Liebe wahr. Ganz anders aber Christus! Er schreibt der Gemeinde in Sardes: „Du bist tot!“ – und fügt im selben Atemzug hinzu: „Werde wach!“ Für Christus sind wir noch nicht gestorben. Christus will seine Gemeinde aufrütteln, er will uns wecken, er will Tote lebendig machen.

V.

Vielleicht denken Sie jetzt: Tote werden lebendig, das gibt’s doch nur im Märchen. Und wenn Sie das vielleicht denken, möchte ich Ihnen den Predigttext einmal als Märchen erzählen. Christus möchte ich hineinweben in das Märchen – als einen Prinzen, der sich auf den Weg macht, seine verlorene Prinzessin zu suchen:

Es war einmal ein Prinz und eine Prinzessin. Die waren im ganzen Land bekannt. Weit und breit gab es kein glücklicheres Paar. Der Prinz blühte regelrecht auf, nachdem er seine Prinzessin kennengelernt hatte. „Wie muss Liebe schön sein!“, riefen ihnen die Leute hinterher.

Doch allmählich und unscheinbar erlosch die Leidenschaft bei unserer jungen Prinzessin. Sie sagte zwar immer wieder: „Ich liebe dich noch immer“, aber sie hatte von Woche zu Woche weniger Zeit für ihn. Nichts war mehr wie am Anfang.

Eines Tages sagte die Prinzessin zu ihrem Prinzen: „Ich muss auf eine lange Reise gehen. Warte auf mich, bis ich zurückkomme, dann feiern wir Hochzeit. Tage und Wochen vergingen, und die Prinzessin war immer noch nicht zurückgekehrt. Da fragte sich der Prinz: „Ob sie mich überhaupt noch liebt?“ Vielleicht würde sie in der Ferne einen anderen Mann kennen lernen und käme nie wieder zurück. Er würde sie verlieren, wenn er auf sie wartete. So zog er aus und suchte sie.

Die Reise des Prinzessin war beschwerlich. Er hatte zu wenig Gold mitgenommen und musste nach und nach seinen Schmuck und seine Kleider verkaufen und gegen die Kleidung eines Bauern eintauschen. Wie ein Prinz sah er nicht mehr aus.

Eines Abends sah der Prinz seine Prinzessin an einem Brunnen Wasser schöpfen. Langsam näherte er sich ihr. Er berührte ihr Kleid und ihr kam diese Berührung auch bekannt vor, doch sie erkannte ihn nicht. Als sie sich des Abends schlafen legte, da bewachte er ihren Schlaf und sie träumte von ihm. Doch als sie die Sonne am nächsten Morgen weckte, da hatte sie alles vergessen. Am nächsten Abend kam er wieder zur selben Stelle und wachte, während sie schlief. Auch diesmal träumte sie wieder von ihm. Da ging er zu ihr und flüsterte in ihr Ohr: „Werde wach!“ Die Stimme war ihr bekannt und sie öffnete ihre Augen, doch auch diesmal erkannte sie ihn nicht. „Was störst du mich?“, fragte sie ihn. „Erinnerst du dich denn nicht an mich? Erinnerst du dich denn nicht an den ersten Tag, an dem wir uns trafen?“ erwiderte der Prinz. Und je mehr er erzählte und je länger sie seine Stimme hörte, desto lebendiger wurde es in ihr, doch den Prinzen erkannte sie nicht. Da dämmerte es ihr, und sie stand auf und lief so schnell sie konnte. „Dich schickt der Himmel!“, rief sie dem zerlumpten Menschen, der sie weckte noch zu.

Auf dem Weg zerrissen ihre Kleider. Wie ein Lump sah sie aus, als sie vor dem Schloss ihres Geliebten stand. Doch das kümmerte sie nicht. Wie wild klopfte sie an die Tür des Schlosses. Ein Diener öffnete ihr und ließ sie zum Prinzen vor. Da erkannte sie ihn. „Er war’s gewesen, der mich am Brunnen berührte und in mein Ohr flüsterte.“ Sie schämte sich und blickte zu Boden. Doch der Prinz nahm sie in den Arm und rief seine Diener: „Kleidet sie in weiße Kleider und dann will ich mit ihr zu meinem Vater gehen und ihm sagen: Das ist meine Geliebte, die ich verloren hatte und wieder gefunden habe. Sie war tot, und siehe, nun lebt sie und trägt ihren Namen zu Recht.

Das ist das Ende der Geschichte. Sie beginnt im Advent. Sie beginnt dort, wo Christus sich aufmacht uns zu suchen. Im Advent will Christus seine Liebe in uns entfachen. Er will uns für sich wachrütteln, damit wir ihn erkennen und auf ihn blicken. Angst machen ist seine Sache nicht, dass machen die Fanatiker in unserer Welt. Er will, dass wir das Wesentliche an Weihnachten erkennen und voller Vertrauen in eine Zukunft mit ihm schauen.

Advent heißt: Das Wunder ist möglich, und die Geschichte geht gut aus.

„Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und seinen Engeln.“

Und der Friede Gottes, der höher ist, als all unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.