Den Menschen ausgeliefert
von Eveline Clotz (56340 Dachsenhausen)
Predigtdatum
:
16.03.2003
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Invokavit
Textstelle
:
Markus 12,1-12
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Wochenspruch:
Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. (Römer 5,8)
Psalm: 10,4.11-14.17-18
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 5,1-7
Epistel:
Römer 5,1-5 (6-11)
Evangelium:
Markus 12,1-12
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 79
Wir danken dir, Herr Jesu Christ
Wochenlied:
EG 366
Wenn wir in höchsten Nöten sein
Predigtlied:
EG 311
Abraham, Abraham, verlass dein Land
Schlusslied:
EG 346
Such, wer da will, ein ander Ziel
1 Jesus fing an, zu den Hohepriestern und Schriftgelehrten in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. 2 Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. 3 Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. 4 Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. 5 Und er sandte noch einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. 6 Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn; den sandte er als Letzten auch zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. 7 Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! 8 Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. 9 Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. 10 Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22-23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. 11 Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«?
12 Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.
Liebe Gemeinde!
Täuschung – Enttäuschung - Liebe
Eine Geschichte, die schonungslos beschreibt, wie bösartig Menschen sind:
Wer einen Weinberg pachtet, muss Zins zahlen, damals in Form von Früchten.
Ach nein, wir zahlen nicht. Mal sehen, ob wir damit durchkommen. Eine durch und durch menschliche Geschichte von Betrug, Frechheit, Einschüchterung und Gewalt.
Und wenn sie schon nicht zahlen wollen, warum schlagen sie den Gesandten des Besitzers? Halten sie ihn für handlungsunfähig?
Der Verlauf scheint ihnen Recht zu geben: Sie werden nicht zur Rechenschaft gezogen. So eskaliert das Böse. Sie foltern die Gesandten, töten sie. Und vor dem Sohn des Besitzers scheuen sie erst recht nicht zurück. Jetzt fühlen sie sich stark, ihnen kann nichts mehr passieren. Der Besitzer kann ihnen gestohlen bleiben.
Sieht so die Machtpolitik in unserer Welt aus? Lauter verrückt gewordene machtbesessene „Pächter“, denen jeglicher Maßstab für Ehrlichkeit und Gerechtigkeit abhanden gekommen ist? Eine verrückte Welt!
Muss sie so sein?
Schauen wir auf die andere Seite: der Weinbergbesitzer:
Auch er ist ja wohl ein bisschen verrückt. Warum zieht er die Pächter nicht sofort nach der ersten Misshandlung seines Gesandten zur Rechenschaft? Warum fordert er die Bosheit sogar noch heraus? Warum liefert er einen seiner Knechte nach dem anderen ans Messer? Ist er so naiv und dumm, dass es schon gemeingefährlich ist? Ist er total verrückt geworden, dann als letzten noch seinen geliebten Sohn zu schicken? Woher nimmt er die Hoffnung, dass der verschont würde? Warum kommt er nicht selbst?
Und genauso will Jesus uns die Augen öffnen für das Wesen Gottes. Denn das war schon den ersten Zuhörern klar: Manchmal verglich man Gott mit einem Weinbergbesitzer. Und wahrscheinlich traf die Beschreibung dieses Weinbergbesitzers genau ihre Sicht, ihre Erfahrung mit Gott: Weit weg ist er, lässt den Menschen großen Spielraum. Grausam ist er und ungerecht. Warum lässt er unschuldige Menschen leiden und ermorden? Warum lässt Gott Bosheit, Gewalt, Grausamkeit zu?
Jesus will mit seiner Geschichte auch dagegen in uns Widerstand wecken. Darf Gott so sein?
Nein! sagt Jesus: So ist er nicht. Gott ist ganz anders. Er ist unbegreifliche Güte. Sein Wesen klingt auf in dem Satz: „Selig sind die Sanftmütigen“.
Schon in dem Weinberglied des Jesaja hörten wir in der Lesung: Gott bemüht sich um die Menschen. Liebevoll und mit viel Mühe schafft er einen herrlichen Weinberg. Jesus knüpft in seiner Beschreibung da an, nur dass bei ihm zwischen dem Weinberg und dem Besitzer – Gott – noch die Weingärtner sind.
Bei Jesaja ist Gott enttäuscht über den Weinberg selbst, über sein Volk, um das er sich so liebevoll bemüht hat.
Bei Jesus sind es die Pächter, die die Erwartungen des Besitzers täuschen. Es ist eine Mahnung an die Oberschicht, an die religiöse und weltliche Hierarchie: Seht, so geht ihr mit dem euch anvertrauten Gut um, mit dem Volk Gottes, mit Gottes Eigentum: Ihr seid verantwortungslos, skrupellos, Mörder. Ihr tötet jeden, der euch von Gott gesandt wird, jeden der bei euch „Früchte“ sucht; jeden der euer Bestes will. Und ihr vergesst, dass ihr nur Pächter auf der Erde seid.
Und der Weinbergbesitzer? Es ist wirklich „verrückt“ und unbegreiflich, wie Jesus in diesem Bild Gott beschreibt: Unendliche Geduld: immer wieder schickt er einen neuen Gesandten. Eine Liebe, die uns fassungslos macht. Er schlägt nicht zurück. Er opfert sogar seinen Sohn! Eine Güte, die uns an seiner Gerechtigkeit zweifeln lässt: warum ist er immer wieder neu bereit zu vergeben, wenn er doch nur getäuscht und enttäuscht wird?
Wir wären schon längst an der Bosheit der Menschen verzweifelt und sind es oft genug auch. Aber Gott hofft immer noch auf die Wandlung der Herzen, auf Treue und auf gute Früchte. Wir können nur staunen über dieses Bild von Geduld, Liebe, Güte, Hoffnung, das Jesus von Gott in seinem Herzen trägt.
Mehr noch: Wir können nur staunen, wie Jesus mit diesem Bild sein eigenes Leben widerspiegelt.
Aber das Wunderbarste kommt erst noch: Jesus fragt in seine Hörerrunde hinein, nachdem die Pächter in seiner Erzählung auch noch den Sohn umgebracht haben: Was wird nun der Herr des Weinbergs tun?
Pause.
Er schaut in die Runde. Die Empörung der Hörer über das Verhalten der Pächter ist groß: „Natürlich wird der kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg anderen geben.“1
Ich meine sehen zu können, wie Jesus in unendlicher Liebe und Geduld lächelt, weil auch seine Jünger es immer noch nicht begriffen haben, wie Gott ist.
Das ist es, worauf Jesus vertraut: Wer vor den Menschen nichts gilt, hat bei Gott einen unendlichen Wert, mehr noch: der als unpassend weggeworfene Stein hält das ganze Gewölbe zusammen. Die unschuldig Getöteten sind nicht von Gott Verachtete, sondern sie sind die tragenden Mauern des Gottesreiches. „Das Blut der Märtyrer ist die Saat der Kirche“, sagte man damals zur Zeit der Christenverfolgungen.
Eine absurd klingendes Gleichnis! Es ist der stärkste Ausdruck des Vertrauens Jesu und seiner Hoffnung auf einen wider alle Vernunft liebenden und gütigen Gott. Seine Reaktion ist nicht Gericht und Rache. Seine Gerechtigkeit besteht darin, den Gestürzten wieder aufzurichten und den Toten lebendig zu machen. Darin gleicht dieses Gleichnis dem anderen berühmten Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg: Jesus hat immer eine Überraschung parat:
Dort: gleicher Lohn für unterschiedliche Arbeit.
Hier: die Strafe für die Mörder besteht in der Rechtfertigung der Ermordeten.
Das ist ein Abbild für seinen - Jesu - eigenen Tod: Die Mörder werden überrascht werden von einem nicht vorhersehbaren Handeln Gottes: Der Tote lebt und bringt Vergebung und neues Leben: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ betet Jesus am Kreuz.
Paulus - der Christenverfolger - hat das am eigenen Leib, zu eigener Verblüffung so erlebt. Wir hörten vorhin seinen staunenden Kommentar: Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder, noch Feinde, waren. Diese Güte Gottes ist von unbegreiflicher Weite, von überwältigender Größe.
So werden bei Jesus die bösen Erfahrungen mit Gott und der Welt zu den wahren Geschichten von Liebe und Leben. Amen.
Verfasserin: Pfrn. Eveline Clotz, Rosberg 3, 56340 Dachsenhausen
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