Den Menschen ausgeliefert
von Sabine Kramer (06208 Halle/ Saale)
Predigtdatum
:
24.02.2002
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Invokavit
Textstelle
:
Hebräer 11,8-10
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Wochenspruch:
Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. (Römer 5,8)
Psalm: 10,4.11-14.17-18
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 5,1-7
Epistel:
Römer 5,1-5 (6-11)
Evangelium:
Markus 12,1-12
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 79
Wir danken dir, Herr Jesu Christ
Wochenlied:
EG 366
Wenn wir in höchsten Nöten sein
Predigtlied:
EG 311
Abraham, Abraham, verlass dein Land
Schlusslied:
EG 346
Such, wer da will, ein ander Ziel
8 Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme. 9 Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung.
10 Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.
Hinführung zur Predigt:
Der Predigttext steht in Zusammenhang des gesamten 11. Kapitels des Hebräerbriefes. Man kann das Kapitel mit „Der Weg des Glaubens“ (bis 13,22) überschreiben.
Hebr. 11, 8-10 erinnert den Glaubensweg Abrahams aus dem ersten Buch Mose. Abraham gilt schlechthin als der Mensch, der Gottes Verheißungen glaubte. Die Symbolfigur Abraham steht im Hebräerbrief unter der Aussage: Glaube heißt Vertrauen auf Gottes Verheißungen.
Was das im Einzelnen bedeutete, führen die drei Predigtverse aus: Glaube heißt, sich von Gott hinführen lassen an einen neuen, unbekannten Ort (Vers 8), Glaube führt in ein Fremdsein in dieser Welt (Vers 9), Glaube bindet sich allein an Gott, nicht an eine irdische Möglichkeit (Vers 10). Die alttestamentlichen Verheißungen an Abraham: Land, Nachkommen, Bund mit Gott, werden im Hebräerbrief auf das endzeitliche Gottesreich hin neu gedeutet (Vers 9).
Für die Predigt soll das Thema Verheißung und Erfüllung im Mittelpunkt stehen. Die Aussagen des Hebräerbriefes werden dabei vorrangig vor der breiten Erzählung über Abraham aus dem ersten Buch Mose bedacht. Das bekannte Zitat von Bonhoeffer über Verheißung dient der Klärung von ‚wünschen’ und ‚verheißen’. Die Predigt entstand im Oktober 2001 vor dem Hintergrund der aktuellen Frage nach möglicher Sicherheit.
Liebe Gemeinde!
„Nicht alle unsere Wünsche, aber seine Verheißungen erfüllt Gott“, so heißt es in einem Wort von Dietrich Bonhoeffer.
Nicht alle unsere Wünsche erfüllt Gott. Lassen Sie uns einen Moment darüber nachdenken.
Wünsche haben wir viele, und auch immer wieder neue. Ein erfüllter Wunsch bringt oft den nächsten Wunsch hervor. Selten haben wir nur einen Wunsch. Und noch seltener sind wir wunschlos glücklich. Manche Wünsche können wir uns leicht erfüllen: Ein Buch, ein Fahrrad, ein Abend im Kino.
Mit anderen Wünschen und besonders mit denen, die auf Dinge zielen, die wir nicht kaufen können, ist das schon schwieriger: Wenn wir uns Frieden wünschen, Gesundheit, oder einen Menschen, der zuhört und jemand, der oder die bei uns ist.
Wenn sich ein Paar schon lange ein Kind wünscht, aber kein Kind kommt...
Manchmal beten wir dafür, dass sich unsere Wünsche erfüllen. Und wir kennen die Enttäuschung darüber, dass manche unserer Wünsche unerfüllt bleiben.
Gott können wir bitten, aber nicht zwingen, unsere Wünsche zu erfüllen.
Und um Erfüllung mancher Wünsche können nur Kinder bitten, wie es eine kleine Geschichte erzählt:
Ein fünfjähriges Mädchen wünschte sich einen Hund. Die Mutter sagt: „Du kannst einen Hund bekommen, aber erst, wenn Du groß bist. Dann kannst Du dir selbst einen Hund kaufen.“ „Wie lange muss ich noch warten?“, fragt das Kind enttäuscht. Es ahnt schon, das dauert so lange! Zu lange. Darauf kann man nicht warten. „Ein paar Jahre,“ antwortet die Mutter, „Es kommt schneller, als du denkst.“ „Wie viel mal noch schlafen?“, drängelt das Mädchen. Die Mutter lacht. Die große Schwester mischt sich ein: „Ungefähr sechstausend Mal, wenn du es genau wissen willst.“ Am Abend betete das Kind: „Lieber Gott, mach, dass ich ganz schnell sechstausend Mal geschlafen habe!“
Nicht alle unsere Wünsche gehen in Erfüllung.
Aber alle seine Verheißungen erfüllt Gott. Davon erzählt der Predigttext.
In ihm wird uns Abraham als die Symbolgestalt des Glaubens vor Augen geführt. Abraham ist der Mensch, dem Gott seine Verheißungen zusagte und der darauf hörte. Der Mensch, der auf das vertraute, was Gott ihm zusagte. Durch seinen Glauben wird Abraham auf einen neuen Weg gebracht.
Wir hören von Abraham in dem Predigttext aus dem Hebräerbrief. Der Brief ist an eine christliche Gemeinde gerichtet. Schauen wir uns diese Gemeinde etwas näher an. Wir wissen von ihr nicht viel, nur, dass sie die „Hebräer“ genannt werden. Zu der Gemeinde gehören Christen, die von jüdischen Glauben herkommen und die die Geschichten der Vorväter, die Geschichte Abrahams, kennen. Um ihres christlichen Glaubens willen wird die Gemeinde von der Staatsmacht bedrängt. Viele zweifeln und verzweifeln am Glauben. Sie sagen: „Wo erfüllen sich Gottes Verheißung auf Frieden, auf das nahe Reich Gottes, auf Trost? Wo wird das wirklich, was Christus gepredigt hat? Die Wirklichkeit sieht doch ganz anders aus!“ Manche geben ihren Glauben an Christus auf.
Das kennen wir. Auch wenn unsere Situation heute eine andere ist als die der Gemeinde des Hebräerbriefs. Doch die Frage, woran wir heute sehen können, dass sich Gottes Verheißungen erfüllen und wie wir glauben können, steht in jeder Generation. Sie steht auch für uns.
Darum leben und zehren auch wir von Geschichten, in denen für uns aufleuchtet, dass Gott seine Verheißungen erfüllt. Wir würden es vielleicht heute an anderen Glaubensvorbildern festmachen. Ein Mensch aus der jüngsten Geschichte, der gewaltlos als Christ für Gerechtigkeit kämpfte, war der schwarze amerikanische Bürgerrechtler und Pfarrer Martin Luther King. Sein Traum, dass Schwarze und Weiße friedlich zusammenleben werden, ermutigt noch heute Menschen, ohne Gewalt gegen Ungerechtigkeit einzustehen.
Liebe Gemeinde!
Im Predigttext wird Abrahams Weg als der Weg des Glaubens an Gottes Verheißung nachgezeichnet.
Erinnern wir uns daran, wie Abrahams Geschichte mit Gott begann:
Im ersten Buch der Bibel heißt es von Abraham, dass er Gottes Stimme gehört hatte, die zu ihm sprach: „Verlasse deine vertraute Umgebung, deine Heimat, die große Stadt Ur. Geh los in ein neues Land, das ich dir noch zeigen werde. Du und deine Frau Sarah, die Unfruchtbare, ihr werdet dort Kinder haben, viele Nachkommen. Und ich werde euch das Land geben und ich werde euer Gott sein.“
Und Abraham machte sich auf, um Gott auf die Spur zu kommen. Nicht dem Gott, den es in seiner Heimat gab, nicht dem Gott der eigenen Stärke, der sich nur im Kreislauf der Zeiten bewegt. Nein, Abraham suchte den Gott, der vor dem Anfang und hinter dem Ende alles Lebens zu suchen ist. Den Gott, der mitgeht durch Zeiten und Länder. Und der seine Verheißungen erfüllt.
Abraham zog los, in ein Land, das er erben sollte, und von dem er nicht wusste, wo er hinkäme. Mit ihm ging Sarah, seine Frau, auch sie war Gott auf der Spur. Gott hatte ihr, einer alten Frau, ein Kind verheißen und damit Leben, das weitergeht. Sarah glaubte der Zusage Gottes. Später hörte Maria dieselbe Verheißung, als ihr die Geburt ihres Sohnes Jesus angekündigt wird. Auch sie hat ihr vertraut: „Mir geschehe, wie du gesagt hast“.
Abrahams Weg führte ihn in das von Gott verheißene Land. Unterwegs erlebt Abraham auf seinem Glaubensweg viele Anfechtungen, Tiefen und Niederlagen. Unser Predigtabschnitt erzählt sie nicht, vielleicht kennen Sie Abrahams weitere Geschichte aus dem ersten Mosebuch, seine und Sarahs Gefährdung in Ägypten, die Opferung seines Sohnes Isaak und wie Gott Rettung sandte im letzten Augenblick.
Unser Predigttext legt alles Augenmerk darauf, w i e Abraham es erlebt, auf Gottes Verheißung zu vertrauen und w i e er die Erfüllung der Verheißung an ihm wahr wird.
Angekommen im verheißenen Land, wird Abraham kein Haus bauen und kein Land erben. Das kam erst viel später für seine Nachkommen. Abraham aber wird heimatlos und ein Fremder bleiben. Er wird zeitlebens in Zelten wohnen, wie die Menschen, die unterwegs sind und keine feste Bleibe haben. Und sein Sohn Isaak und dessen Sohn Jakob wohnten auch in Zelten. Der Glaube führte Abraham in die Fremde, und eine feste Wohnung, eine letzte Heimat ist ihm auch nicht im Land Kanaan, sondern im kommenden Gottesreich verheißen.
So gibt der Predigttext uns seine eigene Antwort auf Abrahams Weg:
Er sagt uns zu: So, wie Abraham Gottes Verheißungen für sich ergriffen hat und wie er ihnen geglaubt hat, so ist es auch an uns, Gottes Verheißungen für uns anzunehmen.
Gottes Verheißungen sind von jeder Generation wieder neu zu ergreifen. Auch von uns. Wer ihnen vertraut, erfährt Erfüllung.
Und es gilt die Zusage: Gott erfüllt zwar nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen.
Wer darauf vertraut, fängt an, die Welt mit anderen Augen zu sehen, mit den Augen des Glaubens. Das meint nicht, blind zu sein für die Bedrohungen unserer Welt und es bedeutet auch nicht, ihren Untergang zu heraufzubeschwören.
Wer mit den Augen des Glaubens sieht, sieht in die Zukunft des kommenden Gottesreiches. Und von dieser Zukunft her auf unsere Gegenwart.
Das kann unseren Blick auf Gewohntes verändern:
Denken wir an den Wunsch nach Sicherheit, den jeder Mensch hat. Nach den Terroranschlägen in Amerika wurde deutlich: eine letzte Sicherheit vor Bedrohungen gibt es nicht. Unsere menschlichen Möglichkeiten können die Welt nicht völlig sicher machen. Manche Menschen erschreckt diese Erkenntnis, sie kann uns aber auch gelassen machen. Wir können auf Gottes Zukunft und sein kommendes Gottesreich vertrauen. Das macht uns frei, auf letzte Sicherheiten nach menschlichem Ermessen zu verzichten, sie liegen bei Gott.
Von Abraham heißt es, er gründete sich nicht auf ein eigenes festes Haus oder eine befestigte Stadt. Abraham gründete sich auf den einzigen festen Grund, auf Gott und auf das kommende Gottesreich. Das ist auch uns verheißen.
Der Gottesdienst ist ein guter Ort, um uns der Verheißungen Gottes neu gewiss zu werden um sie zu ergreifen. Und es ist ein guter Ort, um unterwegs zu bleiben zu dem Gott, der seine Verheißungen erfüllt, zu Gott in Christus. Amen.
Verfasserin: Pfrn. Sabine Kramer, 06208 Halle/ Saale, Martha- Brautzsch- Str. 14
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