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Den Versuchungen standhalten

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 21.02.2021
Lesereihe : III
Predigttag im Kirchenjahr : Invokavit
Textstelle : Johannes 13,12-30
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Wochenspruch: Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre. (1. Johannes 3,8b)

Psalm: 91,1-6.9-12

Lesungen

Reihe I: Hebräer 4,14-16
Reihe II: 1. Mose 3,1-19(20-24)
Reihe III: Johannes 13,21-30
Reihe IV: 2. Korinther 6,1-10
Reihe V: Hiob 2,1-13
Reihe VI: Matthäus 4,1-11

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 351 Ist Gott für mich
Wochenlied: EG 362 Ein feste Burg ist unser Gott
Predigtlied: EG 360 Die ganze Welt hast du uns überlassen
Schlusslied: EG 590 Herr, wir bitten: Komm und segne uns

Predigttext Johannes 13,21-30

21 Als Jesus das gesagt hatte, wurde er erregt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten.
22 Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete.
23 Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische lag an der Brust Jesu, den hatte Jesus lieb.
24 Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete.
25 Da lehnte der sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist's?
26 Jesus antwortete: Der ist's, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot.
27 Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald!
28 Niemand am Tisch aber wusste, wozu er ihm das sagte.
29 Denn einige meinten, weil Judas den Beutel hatte, spräche Jesus zu ihm: Kaufe, was wir zum Fest nötig haben!, oder dass er den Armen etwas geben sollte.
30 Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.

Predigt

Wir sind – als Gemeinde heute - Zuschauer und Zuschauerinnen, Zuhörerinnen und Zuhörer einer Geschichte, die irgendwie weit weg von uns ist. Uns sind die Füße nicht gewaschen worden. Wir sitzen nicht mit am Tisch. Wir haben nicht irgendwie an diesem Abend ein mulmiges Gefühl.

Obwohl wir vermutlich das alle kennen. Mulmige Gefühle. Irgendetwas stimmt nicht. Irgendetwas liegt in der Luft. Irgendetwas braut sich zusammen und wir haben keine Ahnung, welche Rolle uns dabei zufallen wird. Am liebsten wäre man anderswo.   

Wir haben gesehen: Jesus geht den Weg, der vor ihm liegt aus freien Stücken, im Gehorsam des Sohnes. Und doch: dieser Weg verlangt ihm seelische Stärke ab. Er geht ihn nicht unberührt in stoischer Ruhe, sondern er wird betrübt im Geist. Jesus ist mitgenommen, angeschlagen. Was er auf sich zukommen sieht, lässt ihn nicht kalt. Es geht ihm nahe, dass ihn einer der Seinen verraten, besser und weniger moralisch gefärbt: ausliefern, übergeben wird. Woher er das weiß? Kein Wort verliert unser Text darüber. Er weiß um die Notwendigkeit, aber es geht ihm gleichwohl unter die Haut.  

Es sind solche überaus sparsame, karge Hinweise auf die „seelische Verfassung“ Jesu, die im Gottessohn den Menschenbruder glauben lassen. Die ihn uns nahe zeigen, uns, die wir oft genug von Ängsten und Sorgen geplagt sind. Die uns auch glauben lassen, dass unser Ängste und Sorgen nun bei Gott vorkommen, weil er sie am eigenen Geist gespürt hat.

Es ist kein Wunder, dass die Jünger über die Worte Jesu betroffen sind. Einer von uns? Ein Verräter? Einer, der sich abseilt, sich gegen dich stellt?  Sie sind ratlos, wie sie mit dieser Botschaft umgehen sollen. Darum herrscht erst einmal Sprachlosigkeit. 

Es ist die gleiche Sprachlosigkeit, die wir heute manchmal in der Kirche beobachten können angesichts der vielen, die ihr den Rücken kehren? Die sich zurückziehen, die Mitgliedschaft kündigen. Weil die Kirche gegen verkaufsoffene Sonntage Laut gibt, weil sie für Seenotrettung im Mittelmeer ein Schiff ausgerüstet hat, weil sie sich mit den Corona-Regeln irgendwie arrangiert und nicht sagt: Fake News.

Es fällt auf: An dieser Stelle gibt es nicht die leiseste Andeutung zur Motivation des Judas für sein Handeln. Nichts von Geldgier. Nichts von enttäuschten Erwartungen. Nichts von plötzlichem Hass. Da ist nur ratloses Schweigen über sein Motiv. Sollen, dürfen wir daraus lernen? Die Suche nach Gründen für die Abkehr ist müßig. Jedenfalls, wenn sie nichts am eigenen Verhalten ändert.

Auch das fällt auf: der Versuch, ein Antwort zu erhalten auf die Frage: „Herr, wer ist es?“ landet irgendwie im Niemandsland. Er findet eine Antwort, die keine ist. Jesus nennt keinen Namen. Sondern nur ein Zeichen. Aber es ist ein Zeichen, das wieder einmal mehr verhüllt als es offenbart. Denn dass Jesus anderen den Bissen eintaucht und weitergibt, ist eine Alltagsgeste. Nichts Besonderes bei Tisch. „Kannst du mir das Brot reichen?  - Ja gerne!“ Wer wollte daraus etwas ablesen können bei einem Mahl mit vielen Leuten?

Aber unter dieser Alltagsgeste, die Mahlgemeinschaft ausdrückt und ist, geschieht Unheimliches. Der Satan fuhr in Judas. Judas ist nicht mehr Herr seiner selbst. Er dient einer fremden Macht. Und doch bleibt es dabei: Auch er muss dem Willen Gottes dienen! Es gibt kein Handeln auf Augenhöhe zwischen Gott und dem Satan, keinen unentschiedenen Ausgang. 

Das Problem, das wir sofort mit einem solchen Satz verbinden, interessiert den Evangelist Johannes offensichtlich nicht. Wir fragen, wie es um die Freiheit des Willens des Judas bestellt ist, um seine Verantwortlichkeit. Ist er von einer fremden Macht „besetzt“, so ist er doch nicht verantwortlich. Er kann nichts dafür. Er ist nur Werkzeug. Unheimlich genug: Werkzeug auch des Heilswillens Gottes. Darum allein geht es dem Evangelisten in seinem Erzählen, dass dieser unheimliche Verrat doch dem Weg Gottes nicht im Weg ist.

Das ist vielleicht die größte Herausforderung an uns Hörer*innen heute: wir sind so daran gewöhnt, ein Gottesbild zu pflegen, in dem alles klar ist, eindeutig, gut, dass wir es kaum noch aushalten, dass biblischen Texte – in der hebräischen Bibel und im Evangelium – so schlicht und einfach nicht sind. Zur Not gilt: Wir entlasten Gott, indem wir Judas schuldig sprechen. Der hat es verbockt.
Judas als Werkzeug des Weges Gottes? Das ist unheimlich.

Vielleicht ist es eine Hilfe zum Nachdenken, was ein Alttestamentler erzählt:

Zuweilen kommt mir auf dem Weg ein mordlustig aussehender Hund entgegen. Während ich angstvoll dem Unheil ins Auge sehe, ruft die Stimme eines (dem Hund nicht selten ähnlichen sehenden) „Herrchen“: „Der ist lieb.“ Und zuverlässig folgt als weiterer Satz: „Der tut nicht. Der will nur spielen.“ die vertraute Wortwahl erlaubt verblüffende Rückschlüsse auf die Rede vom „lieben Gott“: „Der ist lieb – der tut nichts.“  Lieb sein heißt: Nichts tun. „Willst du wohl lieb sein, sagt man dem Kind und meint in den meisten Fällen, dass es etwas unterlassen soll. In dieser Logik zeigt nicht nur eine bestimmte Pädagogik ihr Gesicht, sondern auch eine bestimmte Frömmigkeit. Würde – mit Verlaub – Hund, Kind oder Gott „etwa tun“, so wäre es aus mit dem Lieb-sein. Der „liebe Gott“ ist „lieb“, nicht nur solange er nichts, sondern weil er nichts tut. Vor dem „lieben Gott“ muss man keine Angst haben.“ (J. Ebach, Hrsg.: Von Gott reden – aber wie?)

Ist es das, was wir aus dieser Nachtpassage auch zu lernen haben: „Wir sollen Gott fürchten und lieben….“ (M. Luther) Nicht nur lieben, auch fürchten. Uns eingestehen, dass er uns manchmal unheimlich ist. Auch in diesen Zeiten.  

Es ist, im ganzen Abschnitt, so, als würde Jesus das Geschehen dieser Nacht, das Handeln des Judas regelrecht in Gang setzen. Gewiss ist der Gedanken an seine Auslieferung schon vorher im Herzen des Judas angesiedelt - aber jetzt, durch die Worte Jesu fällt die letzte Schranke. Es ist fast ein Auftrag:„Was du tust, das tue bald!“ Rasch. Damit der Zeitplan eingehalten wird? Jesus soll ja – so ist nach dem Johannes-Evangelium der Plan - das neue Passa-Lamm werden - das Lamm zur Verschonung. 

Wir sind in guter Gesellschaft: Die Jünger verstehen weiterhin nichts. Einen Einkaufs-Auftrag vermuten die einen. Die Aufforderung zur Weitergabe einer Spende die anderen. Das spricht dafür, dass die Auskunft Jesu, die er mit seinem Tun gibt, untergeht unter dem Tun und den Gesten des Mahles. Sie hören nur irgendeinen Auftrag an Judas, dem er Folge leisten wird. Aber es ist nichts von Belang. 

Judas geht. Alsbald. Er verlässt den Jüngerkreis. Er wird auch nicht mehr in diesen Kreis zurückkehren. Es ist mehr als eine Zeitangabe, wenn es heißt: „Und es war Nacht.“
Es ist auch mehr als eine Aussage über die innere Befindlichkeit des Judas, obwohl das sicher seinen guten Sinn hat: In ihm ist Nacht. Im Sinn des Johannesevangelium ist aber wohl auch zu lesen: Jetzt bricht die Nachtzeit an, in der niemand mehr wirken kann. Bis dahin war Tag, Zeit des Wirkens Jesu. Jetzt ist die Nacht, durch die er hindurch muss, damit der dritte Tag werden kann.   

Wie oft
Jesus
haben wir Dich verraten
Dein Brot genommen
Deine Liebe empfangen
aber dann unseren Weg gesucht ins Weite
oft genug in die Nacht.

Wie oft bin ich Einflüsterungen gefolgt
die mich von Dir entfernt haben
in die Nacht getrieben
auch in die dunkle Nacht der eigenen Seele.  

Aber Du hast an mir festgehalten
mich festgehalten
Du hast meine Untreue mit Deiner Treue beantwortet
Mein Weggehen mit deinem Nachgehen
Nur darum bin ich noch immer bei Dir
Dafür danke ich Dir. Amen

Verfasser: Paul-Ulrich Lenz, Pfarrer i. R.


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