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Den Versuchungen standhalten

von Annette Mehlhorn

Predigtdatum : 13.03.2011
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Aschermittwoch
Textstelle : 1. Mose 3,1-19.(20-24)
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Wochenspruch:„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“ (1. Johannes 3, 8 b)
Psalm: 91, 1 – 4.11 – 12

Lesungen
Altes Testament:1. Mose 3, 1 – 19 (20 – 24)
Epistel: Hebräer 4, 14 – 16
Evangelium: Matthäus 4, 1 – 11

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 88, 1 - 4 Jesu deine Passion will ich jetzt bedenken
Wochenlied: EG 362, 1 - 3 Ein feste Burg ist unser Gott
Predigtlied: EG 91, 1 - 6 Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken
Schlusslied: EG 92, 1 - 6 Christe, du Schöpfer aller Welt


Mein Titel: Eingeladen umzukehren

Vorbemerkung: „Invokavit“ - „Ruft er, so will ich ihn erhören“ (Ps 91, 15). Mit dieser Zusage beginnt die siebenwöchige Fasten- und Bußzeit vor dem Osterfest.

Wer und wie ist Mensch, der zu Gott ruft? Die besondere Bedingung des Menschseins, die „conditio humana“ kommt in den Texten dieses Sonntages zur Sprache. Ausgespannt zwischen Gottesebenbildlichkeit und der Freiheit, auch gegen den Willen Gottes zu handeln: so ist der Mensch. Zugleich steht für uns Christen und Christinnen das Menschsein im Zeichen der Menschwerdung Gottes. „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre“ (1. Joh, 3, 8b) formuliert der Wochenspruch. In der Spannung des Menschseins zwischen Gottesebenbildlichkeit/Freiheit – Gottesferne/Sünde folgen wir von diesem Sonntag an dem Weg des Leidens Christi. In Ihm kommt die Leidenschaft Gottes für die Menschen zum Ausdruck: Passion.

Eine Empfehlung zur Lektüre des Textes: Wegen seiner Bekanntheit könnte es helfen, den Text von einer zweiten Stimme lesen zu lassen. Auch eignet sich der Text für die Lektüre mit verteilten Rollen.

Predigt

Was ist der Mensch?

Was ist „menschlich“? Was macht den Menschen in seiner Tiefe aus? Wie verstehen wir den Menschen im Angesicht Gottes? Und was bedeutet das alles für mich, NN (eigenen Namen einsetzen), Petra, Norbert oder Frank, wenn ich mich als Teil der einen Menschheit begreife? Zum Beginn der Bußzeit denken wir über Grund und Bedingung unserer Existenz nach. Am Anfang der Bibel, in der sogenannten Urgeschichte geschieht ähnliches. Einer der besonders vertrauten und zugleich geheimnisvollen biblischen Texte aus dem dritten Kapitel der Genesis erzählt dazu folgende bekannt Geschichte:

Text, Gen 3, 1 - 24 (Zürcher Übersetzung)

Eine Erzählung – merkwürdig vertraut und fremd zugleich. Mythisch, ein Traum aus ferner Zeit. Er steht in diesem Buch (Bibel hochhalten), das uns Heimat gibt. Darum lassen sich Wege finden, in seine geheimnisvolle Bilderwelt einzutreten. Unsere Vorfahren haben sie aus einem Stoff geschaffen, den unserer Seele kennt. Sogar die Perspektive Gottes und seiner Gegenspielerin, der Schlange lässt sich entdecken und verstehen. Genau davon erzählt diese Geschichte doch: dass wir Gott so nahe sind wie einem Vater oder einer Mutter. Zugleich fern wie einer Macht, die unser Verstehen und Denken übersteigt. Dass wir frei sind, um unserem Begehren zu folgen. In jeder der Figuren dieser Erzählung finden wir bekannte Züge. So wechseln wir die Positionen, um uns selbst zu verstehen.

Der Garten, das Paradies

Wir gehen zunächst in den Garten. Einen ebenso himmlischen wie irdischen Ort. Die Erde, unsere Schöpfung, wie Gott sie gemeint hat. Jene zauberhafte Welt aus Pflanzen und Tieren und Erde und Wasser und Himmel und Gestirnen, in denen es wimmelt und lebt, kreucht und fleucht. Ja, das ist unsere Erde inmitten eines gigantischen Kosmos. Belebt, wie nur wenige andere Sterne. Ein Wunder, ohne das es uns, die Menschen, nicht gäbe und damit auch all das nicht, woran wir uns freuen können. In ihrem Ursprung unschuldig, wie auch wir unschuldig geboren wurden. Ein mütterlicher Schoß der Geborgenheit und glückseligen Einheit. Ein Ort, nach dem wir uns ein Leben lang sehnen. Ein Ort des Heils und der Erfüllung. Das Paradies. (Pause)

Ja, diesen Ort der Erfüllung gibt es. Gelegentlich können wir ihn erleben. Wo liegt mein Paradies? Welches sind die Zeiten, die Glückszustände, die Menschen, bei denen ich das dort beschriebene Heil erlebe? Wenn eigenes Leben und die Welt umher zu verschmelzen scheinen, wenn alles so ist, dass wir zum Augenblick sagen möchten „verweile doch, du bist so schön“? (Pause)

Jeder und jede von uns, erzählt die Geschichte, entstammt diesem heilvollen Anfang. In den Glücksmomenten unseres Lebens ahnen wir etwas von seinem Zauber. Inmitten der Köstlichkeit fragloser Erfüllung und des Überflusses wächst ein Baum, der durchaus seinen Reiz hat: „Baum des Lebens und der Erkenntnis von gut und böse“ – nennt die Bibel das Gewächs. Von ihm heißt es, dass Gott den Genuss seiner Frucht verboten hat. Warum eigentlich?

Die Stimme Gottes

Hören wir auf die Stimme Gottes. Nicht die einer strafenden, allmächtigen, sondern einer fürsorglichen Kraft. Sie redet vielleicht so: „Willst Du wirklich wissen und erkennen? Weißt Du nicht, wie sehr dich das von mir und auch dir selbst entfernt? Du, mein Ebenbild, stellst dich mir gegenüber. Ergreifst das, was Dich mir ähnlich macht und willst darüber frei verfügen. Darum wirst Du zweifeln. An mir und an dir selbst. Gierig wirst Du mehr wollen: Mehr vom Wissen, mehr von dem, was Du selber schaffen kannst. Doch dann wirst du dich fürchten: Davor, zu verlieren, was Du gewonnen hast. Du wirst verstehen, dass du endlich bist. Wirst sehen, dass Du mir ähnelst, aber meine Vollkommenheit nicht teilst. Du kannst deine Kräfte auch zum Schlechten gebrauchen. Es wird dir nicht gelingen, das Böse zu meiden. Hüte dich vor dieser Frucht. Der Frucht des Erkennens und Verstehens. Jener Frucht, die dich mir so ähnlich macht, wie sie dich von mir entfernt.“

Verführung

Hier kommt die Stimme der Schlange ins Spiel: „Schau doch, wie reizvoll sie ist, die Frucht der Erkenntnis! Warum sollst Du dir nicht nehmen, was dir ohnehin gehört. Du bist wie Gott: Weißt um den Zauber des Lebens. Lass dir nichts verbieten! Du darfst alles, denn du bist frei. Gott selber hat das so gewollt. Wenn Du von dieser Frucht isst, kannst Du, was er kann: Leben hervorbringen und zerstören. Die Geheimnisse der Welt durchschauen und beeinflussen. Du wirst großes schaffen: Maschinen, die schneller sind, als alles, was lebt. Waffen, die das Leben auf der Erde viele Male vernichten können. Du wirst in den Weltraum reisen und den Mond beschreiten. Du wirst das Leben in seine kleinsten Bausteine zerlegen und neues Leben daraus formen. Du wirst begreifen, was Gut und Böse ist, wirst das Leben selbst erkennen. Wissen ist Macht. Ergreife sie!“

Nackt

Was sagt nun der Mensch – und hier zunächst: Die Frau. Von der es später heißt, sie sei die Mutter allen Lebens. „Da sah die Frau, dass es gut wäre, von dem Baum zu essen, und dass er eine Lust für die Augen war und dass der Baum begehrenswert war, weil er wissend machte, und sie nahm von seiner Frucht und aß. Und sie gab auch ihrem Mann, der mit ihr war, und er aß. Da gingen den beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren.“ (Pause)

Um unsere Fähigkeit des vernünftigen Verstehens kommen wir nicht herum. Sie ist eine große Gabe. Die Gabe der Freiheit und des Wissens. Sogar um unsere eigene Endlichkeit wissen wir. Wir sind das einzige Tier, das weiß, dass es sterben muss. So stehen wir nun vor Gott. Staunend vor dem, was Menschen schaffen und gestalten. Doch zugleich: Nackt. Vieles ist gelungen. All die Früchte der Erkenntnis, sie haben aber nicht nur nicht verhindert, sondern haben zu dem geführt, wo wir heute stehen: Dort, wo die Menschen dermaßen viel Zerstörungskraft aufgehäuft haben, dass der Planet droht, uns um die Ohren zu fliegen. Nackt als jeder einzelne Mann, jede einzelne Frau, wenn wir bedenken, wie oft uns das Glückselige und Heilvolle versagt bleibt. Wenn wir es verlieren durch den Tod eines lieben Menschen. Wenn wir es verpassen, in einer liebevollen Geste oder versöhnenden Wort, das ausbleibt. Nackt, wenn wir an unsere Ängste denken. Die Ängste vor dem, was morgen kommt, die Sorge um unser Leben, die Angst vor dem Tod.

„Mensch, wo bist du?“ ruft Gott.
Wir verstecken uns. Verbergen unsere Hilflosigkeit, unsere Nacktheit. Dann schieben wir die Schuld auf die anderen: Die Frau, die Schlange.

Das ist menschlich. Urmenschlich. Und darum leben wir heute „jenseits von Eden“ in der ewigen Sehnsucht nach dem Paradies. Dem heilvollen Beginn in Unschuld.

Rufen und gerufen werden

Das Wunderbare aber ist: Mit dem Ruf „Wo bist du?“ hört die Geschichte nicht auf. In der Erzählung von der Vertreibung aus dem Paradies wird berichtet, wie Gott die Menschen umsorgt, indem er ihnen schützende Kleider umlegt. „Invokavit: Er ruft, darum will ich ihn erhören“ – sagt Gott. Gott lädt uns ein, umzukehren, wenn der Ruf umgekehrt wird. Darum rufen WIR „Kyrieeleison, Herr, erbarme dich“.

Doch Gott schenkt uns mehr: Er selbst verlässt die Vollkommenheit des Paradieses. Geht ein in diese Welt. Teilt die Sehnsucht nach dem Heil. Den Schmerz über alle Unzulänglichkeit. „Nackt und bloß“ liegt in einem Futtertrog. Hängt gedemütigt und geschlagen am Kreuz. Dort, wo der Genuss vom Baum der Erkenntnis Schrecken bringt, nimmt er Platz. Wo Menschen ihre Freiheit wahrnehmen, Elend und Zerstörung zu wirken. Wo sie Sünde und Schuld erkennen und erleiden. So leidenschaftlich liebt Gott die Menschen, dass er in ihr Seufzen einstimmt. Darum singen wir an Weihnachten „Heut schleust er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis. Der Kerub steht nicht mehr dafür, Gott sei Lob Ehr und Preis.“ Und darum gedenken wir vor der Einlösung dieser Hoffnung seiner Passion, seiner Leidenschaft. Gott lädt uns ein, umzukehren. Uns ihm neu zu nähern. Deshalb rufen wir: Herr, erbarme dich.

Verfasserin: Pfarrerin Dr. Annette Mehlhorn, Pfarrgasse 4, 65428 Rüsselsheim





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