Der barmherzige Samariter
von Felizitas Muntanjohl (65549 Limburg)
Predigtdatum
:
24.09.2000
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
12. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Thessalonicher 1,2-10
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Wochenspruch:
Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Matthäus 25,40)
Psalm: 112,5-9
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 4,1-16a
Epistel:
1. Johannes 4,7-12
Evangelium:
Lukas 10,25-37
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 243,1-3
Lob Gott getrost mit Singen
Wochenlied:
EG 343
Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ
Predigtlied:
EG 396,1-4
oder EG 250,1-3
Jesu, meine Freude
Ich lobe dich von ganzer Seele
Schlusslied:
EG 616
Auf der Spur des Hirten
Der Apostel schreibt: 2 Wir danken Gott allezeit für euch alle und gedenken euer in unserm Gebet 3 und denken ohne Unterlass vor Gott, unserm Vater, an euer Werk im Glauben und an eure Arbeit in der Liebe und an eure Geduld in der Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus.
4 Liebe Brüder, von Gott geliebt, wir wissen, dass ihr erwählt seid;
5 denn unsere Predigt des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft und in dem heiligen Geist und in großer Gewissheit. Ihr wisst ja, wie wir uns unter euch verhalten haben um euretwillen. 6 Und ihr seid unserm Beispiel gefolgt und dem des Herrn und habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im heiligen Geist, 7 so dass ihr ein Vorbild geworden seid für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja. 8 Denn von euch aus ist das Wort des Herrn erschollen nicht allein in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten ist euer Glaube an Gott bekanntgeworden, so dass wir es nicht nötig haben, etwas darüber zu sagen. 9 Denn sie selbst berichten von uns, welchen Eingang wir bei euch gefunden haben und wie ihr euch bekehrt habt zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott 10 und zu warten auf seinen Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten, Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet.
Liebe Gemeinde!
Der ganze Brief des Paulus ist ein Dank für die vorbildliche Gemeinde in Thessaloniki, einer Hafenstadt in Griechenland. Ein Dank für die große Wirkung, die sein kurzer Besuch dort gehabt hat. Er war nur etwa drei Wochen dort gewesen, nachdem er von Philippi mit Misshandlungen fortgetrieben wurde. Aber ungebrochen predigt er dort weiter von dem einen Gott und dem einen Herrn nicht nur über das Leben, sondern auch über den Tod.
Noch sieht man an ihm die Narben der Peitschenhiebe – aber er redet weiterhin tapfer von diesem einen Herrn. Schon wird die Regierung der freien Stadt Thessaloniki misstrauisch – er lässt sich nicht vertreiben. Erst als er weiß, dass er verhaftet werden soll, taucht er unter. Nun wird sein Gastgeber verhaftet und nur gegen eine Kaution freigelassen.
Paulus zieht weiter in Sorge um seine junge Gemeinde. Drei Wochen Mission und schon unter Druck gesetzt von den Machthabern – wie sollen die Christen dazu die Kraft haben? Er schickt seinen Freund Timotheus hin, um zu sehen, was aus der jungen Gemeinde geworden ist. Timotheus kommt zurück und kann das Unglaubliche berichten: Die Gemeinde ist standhaft geblieben. Sie hat zu ihrem Glauben gestanden trotz aller Bedrängnisse. Sie hat sich nicht verschrecken lassen durch die Meinung der vielen, auch nicht durch Druck, auch nicht durch Gewalt.
Nein, sagen sie, das ist uns ernst: Wir haben nur einen Herrn, diesen einen Gott. Wir lassen uns nicht mehr erschrecken von irgendwelchen Menschen, und seien es noch so mächtige. Und wenn sie uns auch unter Druck setzen, und wenn sie uns auch ins Gefängnis stecken, und wenn sie uns sogar quälen und foltern; dann sind wir nur umso näher mit Christus verbunden. Denn wenn Christus gelitten hat für uns – warum sollten wir dann nicht für ihn leiden?
Als Paulus diese Nachricht erhält, ist er froh und dankbar. Und aus dieser Dankbarkeit heraus schreibt er diesen Brief. Dankbar für diese Menschen, die so schnell so viel verstanden haben, und die durch ihr Leben nun selber Verkündiger des Glaubens geworden sind.
Das war ein Erfolg, der für Paulus auf seinen Missionsreisen keineswegs selbstverständlich war. An vielen Orten war er längere Zeit gewesen und hatte weniger Anhänger gefunden oder die neu gewonnenen Christen waren im Nu wieder zerstritten oder haben sich wieder zum normalen früheren Leben zurückgewendet, so dass das Christsein nur wie ein neues Mäntelchen war, für kurze Zeit chic, aber schon bald wieder aus der Mode.
Hier war es mehr. Hier erkannte man das Christsein im Leben. Glaube blieb nicht im Kämmerlein versteckt; Liebe ließen sie sich etwas kosten; und die Hoffnung wurde mit Geduld gegen allen äußeren Schein festgehalten. Das war etwas, was mehr war als Worte. Das machte Eindruck über die Provinzgrenzen hinweg.
Ich denke, dass Paulus hier solchen Erfolg hatte, das hing auch mit seiner eigenen Situation zusammen. Von Anfang an sahen die Leute: da ist einer, der lässt sich auspeitschen und macht doch weiter. Der hat Schmerzen, der hat ein schweres Leben und hält doch an seinem Glauben fest. Und nicht nur still für sich: er redet auch davon, mit Bekannten und zu Fremden, ob sie‘s hören wollen oder nicht. Und daran merken die Hörer, dass es ihm wirklich ernst ist. Ja, sogar die tragende Kraft in aller Mühe, die er erträgt, die er sogar erst wegen dieses Glaubens erfahren muss.
Unsere Kraftlosigkeit im Glauben ist sicherlich gerade auch dadurch bedingt, dass wir aufgewachsen sind in der Überzeugung der Neuzeit: Wir sind gut, Gott ist vollkommen gut. Also kann es nur sein ganzes Bestreben sein, dass wir es möglichst immer gut haben.
Aber wehe, wenn nicht! Dann steht unser Glaube und Gott selbst in Frage. Diese Überzeugung, die wir von klein auf mitbringen, stimmt nicht mit dem überein, wie das Neue Testament von Gott und dem Menschen redet. Christus ist nicht gekommen, um zu allen lieb zu sein, um alle Krankheiten zu heilen, bei aller Schuld die Augen zuzudrücken. Christus war nicht der Super-Wunsch-Erfüller, der allen Menschen Gutes tut, weil es sich für den guten Gott schließlich so gehört.
Nein, wo Christus Schuld vergab, da stellte er menschliches Richten auf den Kopf. Und wo er Buße predigte, da achtete er nicht auf öffentlich angesehene Personen. Und wo er heilte, da war es ein Wunder, das Entsetzen auslöste.
Denn die Menschen erkannten: Gott sieht uns so ganz anders an als wir es uns vorstellen. Wenn wir uns elend fühlen, dann sagt er uns seine Liebe zu – und wenn wir uns mächtig und achtenswert vorkommen, dann zeigt er uns, wie wir Gras und Staub sind, nichts als ein Stück vergänglicher Natur. Wenn wir alles haben, was wir wollen, dann stehen wir plötzlich in gähnender Leere, und wenn wir uns elend und schwach fühlen, dann trägt uns doch eine geheime Kraft.
Vielleicht war es gerade ein Glück für die Thessalonicher, dass ihr Glaube sogleich auf die Probe gestellt wurde. So kamen sie gar nicht erst in Versuchung, Glauben mit Macht und Stärke zu verbinden; sondern sie lernten schon gleich diese sonderbare Mischung von Traurigkeit und Freude, die den ernsten Glauben begleitet.
Als die Missionare zu unseren Vorfahren, den Germanen, kamen, da wurden sie gleich aufgefordert, zu zeigen, dass dieser Gott stärker ist als die Germanengötter. Sie zeigten es und gewannen dadurch die kampfbegeisterten Germanen. Leider hat sich das dann bis heute gehalten: unser Gott soll stark sein, allmächtig und vollkommen. Und in seiner Nachfolge wollen wir es dann auch sein.
Dass Christus uns vor der Auferstehung das Kreuz zeigt und vor der Ewigkeit das Gericht – das ist uns gar nicht recht.
Und doch liegt ja darin weit mehr als ein mahnender Zeigefinger. Es steckt darin ja das Leben, wie wir es tatsächlich erfahren: dass wir, auch wenn wir uns stark geben, uns oft schwach fühlen, vor allem, wenn unser Körper nicht mehr mitmacht, wie er soll; dass unsere Macht vor allem in Zerstören liegt und nur sehr begrenzt im Schöpferischen und Heilenden. Dass unser Wohlsein auf viel Schuld aufbaut, Schuld an Menschenleid, Schuld an Tierquälerei, Schuld an Naturverwüstung.
Leid und Zerstörung begleiten uns von Woche zu Woche, und keiner weiß, wann es in sein Haus kommt. Nein, das verspricht uns Christus nicht, dass der Kelch des Leidens an uns vorübergeht. Wir Christen werden nicht davor verschont. Manchmal scheint mir sogar, es trifft die Glaubenden noch öfter und härter als die Gleichgültigen.
Aber wir haben etwas, das uns tragen hilft: das Bild Christi am Kreuz, der auch gelitten hat wie wir. Und dann das Zeugnis der Jünger von seiner Auferstehung, dem Wunder, das über alle andern ragt: dass wir, wenn wir glauben, die Hoffnung haben können, dass nichts uns von Gott trennen kann, keine Schwachheit und kein Schmerz, keine Einsamkeit und kein qualvoller Tod. Da ist ein Gott, der all das sieht und all das kennt. Dem wir nicht zu unscheinbar sind, und der nicht nach kurzem Mitleid wie wir wieder wegschaut und vergisst. Der sieht und da bleibt, oft still, manchmal deutlich spürbar.
Dieses Wissen schafft eine tiefe Freude. Eine Freude, die wir uns durch nichts verschaffen, mit nichts kaufen können. Die nur der Glaube kennt. Die nur wächst im Schatten der Traurigkeit. Dann aber in eine Tiefe, in die keine andere Freude reicht. Amen.
Verfasserin: Pfrn. Felizitas Muntanjohl, Theodor-Bogner-Str. 20, 65549 Limburg
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Missionarisch-Ökumenischer Dienst
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