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Der barmherzige Samariter

von Ulrich Stabe (38877 Benneckenstein)

Predigtdatum : 02.09.2007
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 11. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Matthäus 6,1-4
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Wochenspruch:

Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Matthäus 25,40)
Psalm: 112,5-9

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 4,1-16a
Epistel:
1. Johannes 4,7-12
Evangelium:
Lukas 10,25-37

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 168,1-3
Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied:
EG 343
Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ
Predigtlied:
EG 98 oder 414
Korn, das in die Erde, oder: Lass mich, o Herr, in allen Dingen
Schlusslied:
EG 168,4-6 oder 419
Wenn wir jetzt weitergehen oder: Hilf, Herr meines Lebens

Jesus Christus spricht: 1 Habt acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. 2 Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. 3 Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, 4 damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.

„Kolleginnen und Kollegen,
in letzter Zeit sind in unserer Belegschaft ausgesprochen unschöne Dinge zum Vorschwein (!) gekommen...“ Mit diesem prachtvollen Freudschen Versprecher, liebe Gemeinde, soll ein Firmenchef - ohne es selbst zu merken - eine Betriebsversammlung eröffnet haben! Klar: von „Schweinereien“ wollte er nicht gerade reden, aber gedacht hat er natürlich daran. Und so bahnte sich das böse Wort „Vorschwein“ unbewusst seinen Weg zu Gehör und Gehirn der staunenden Menge...
Ist Ihnen so etwas auch schon passiert? Zumindest an die Patzer anderer kann sich wohl jede und jeder von uns erinnern. -
Aber nicht nur die Worte entziehen sich manchmal unserer Kontrolle. Auch unsere Handlungen machen sich mitunter selbständig: Starke Raucher, die entschlossen ihren Zigarettenkonsum stoppen wollen, ertappen sich plötzlich doch wieder beim Griff zum Glimmstängel. Figurbewusste junge Frauen wundern sich ehrlich, wie denn bloß die große Tafel „Mocca-Sahne“ in ihre Einkaufstasche kommen konnte. Und der musikbegeisterte Konzertbesucher wird von seiner Frau in die Seite gestoßen, weil er bei Beethovens „Fünfter“ in derart enthusiastische Bewegung gerät, dass sich die Sitznachbarn schon besorgt nach ihm umsehn. - Manchmal tun wir etwas, ohne es zu wissen und zu wollen. „Vorschwein“ eben ---
Wenn die Linke nicht weiß, was die Rechte tut, dann muss das kein Zeichen von geistiger Desorientierung sein. Und auch keines von Behördenchaos oder Parteiengezänk – denn so wird ja heute diese Formulierung meist verstanden. Ebenso wenig wird Jesus mit der „linken Hand“ eigentlich unsern vertrautesten Freund gemeint haben, der auch nichts von der Almosenspende erfahren soll. Viel einfacher: Jesus meint Menschen, die sich von Gottes Weitherzigkeit und Freigebigkeit so reich beschenkt wissen, dass ihnen das Gute quasi „unterläuft“, so, wie man selbstvergessen eine mitreißende Melodie mitsummt, sich von einem herzhaften Kinderlachen anstecken lässt oder unwillkürlich das freundliche Winken eines vorbeifahrenden Zugreisenden erwidert.
Denn, nicht wahr, das müssten eigentlich unsere besten Taten sein, die uns gleichsam „aus Versehen“ passieren – ohne Berechnung und Eitelkeit, ja sogar ohne Schielen nach dem himmlischen Lohn. Sondern einfach aus dankbarer Freude! Gaben, die „von Herzen“ kommen, und zwar aus einem übervollen, freien und frohen Herzen. Jesus sagte ja – ebenfalls in der Bergpredigt (Mt.7,17): „Jeder gute Baum bringt gute Früchte.“ Das heißt doch auch: Das Gute erwächst unwillentlich-unwillkürlich aus der Mitte unseres Wesens, wenn wir von Gottes Liebe verwandelt sind. Es geschieht unbewusst.
Und: wie alles Wachstum beginnt es ganz heimlich, still und leise... Genau darum aber geht es Jesus hier in diesem Teil seiner Predigt.
So weit, so gut.
Aber: Wenn das so ist, warum spricht Jesus hier im Imperativ? Müsste sich das Gute nicht ganz von allein einstellen, und zwar ohne jedes fromme Theater? Eigentlich ja. Aber auch der Glaube schützt vor Torheit nicht. Und ebenso wenig vor Großtuerei und frommer Selbstbespiegelung – leider! Wir kennen uns doch: Wir sind eben keine Bäume, die lautlos wachsen, bis sich ihre fruchtbeladenen Kronen schließlich hingebungsvoll zur Erde neigen, als seien sie nur zum Dienen da! Wir sind Menschen, die teure Werbefachleute und Meinungsforscher, Modedesigner und Stilberater damit beauftragen, unser „Image“, sprich: „Bild“ möglichst schön zu malen.
Wenn zum Beispiel machtbesessene Politiker vor TV-Kameras Kinderwangen tätscheln, wenn hochbezahlte Musikstars zugunsten Aidskranker auf ihre Gage verzichten, wenn sich Chefmanager finanzkräftiger Firmen oder Banken beim Überreichen plakatgroßer Schecks an Hilfsorganisationen fotografieren lassen, dann haben sie genau kalkuliert, was sie damit zur Aufbesserung ihres Images tun. Sie werben um Wähler und Kunden nach dem Motto: „Tue das Gute und rede davon!“. –
Eigentlich lautet das Sprichwort: „Tue das Gute und wirf es ins Meer; sieht es der Fisch nicht, so sieht es der Herr.“ Aber kann denn unsere Wirtschaft so funktionieren? Und wird nicht auch in der Natur mit lauten Liebesgesängen und farbenprächtigem Imponiergehabe geworben? - Es ist nun mal so: „Klappern gehört zum Handwerk.“
Natürlich wusste das der gelernte Bauhandwerker Jesus auch. Aber zweifellos wusste er ebenso gut: ein Deckenbalken trägt seine Last nicht deshalb Jahrhunderte lang zuverlässig, weil auf ihm besonders laut und lange herumgehämmert wurde, sondern weil er zuvor ganz genau berechnet, richtig bemessen und fachgerecht eingesetzt wurde. Und das alles braucht Ruhe und konzentrierte Stille.
So beschreibt Jesus in seinen Gleichnissen denn auch immer wieder das leise, unscheinbare Aufkeimen der Saat Gottes in unserer Welt. Er selbst zog sich in die Stille zurück, wenn Er neue Klarheit und Kraft für Gottes Auftrag suchte. Vielen, die Er geheilt hatte, gebot Er Schweigen. Gewiss, man könnte darin eine besonders raffinierte Technik der Nachrichtenübermittlung sehen: Willst du eine Neuigkeit möglichst schnell und sicher verbreiten, gib sie unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit weiter. Alles weitere kommt von selbst. Und so taten denn ja auch nicht wenige genau das Gegenteil von dem, was Jesus ihnen geboten hatte. Doch selbst wenn Er genau diesen Effekt einkalkuliert hätte, wäre das ein besserer Weg als das lautstarke Ausposaunen von „Erfolgen“.
Selbstverständlich kommt auch die Gemeinde Jesu Christi nicht ohne wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit aus, denn unsere Welt braucht heute mehr denn je gute Nachrichten und ermutigende Beispiele! Aber mit mehr Vertrauen auf die Kraft Seiner Auferstehung würden wir die Worte als wahr erkennen, die Er Seinen Jüngern anvertraute:
„Was ihr in der Dunkelheit sagt, das werden sie am hellen Tag zu hören bekommen; was ihr einem anderen hinter verschlossener Tür ins Ohr flüstert, wird zuletzt aller Welt bekannt gemacht werden.“ (Lukas 12,3 Gute Nachricht) Denn Er selbst hat sich ja mit einem Weizenkorn verglichen, das zuerst in die Erde fallen und sterben muss, um neues Leben und vielfache Frucht hervorzubringen. Ein Passions- und Osterlied besingt das mit dem Refrain: „Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.“ Und eines der schönsten Lieder von Johann Sebastian Bach beginnt mit der Aufforderung: „Willst du dein Herz mir schenken, so fang es heimlich an...“ Ja, es ist so: Der Weg der Liebe beginnt verschämt; wahres Leben keimt im Verborgenen.
Doch da regt sich spürbar Widerspruch: „Das klingt ja alles ganz poetisch. Aber wie sieht die Realität aus?“ Besonders in kleinen Landgemeinden wird es immer schwerer, ehrenamtliche Mitarbeiter zu gewinnen. Manche, die eigentlich bereit wären, trauen sich nicht.
Sie fürchten Urteile, wie: „Die will sich ja bloß hervortun.“ Oder: „Der hat ja auch zu Hause nichts zu vermelden...“ Mit solchen Verdächtigungen werden Menschen verprellt, die ihre Gaben in den Dienst der Gemeinde stellen möchten – und das ist doch so wichtig! Natürlich wird es immer auch Christen geben, die auf diesem Weg die Anerkennung suchen, die ihnen sonst fehlt. Warum auch nicht? Sie sollten sich jedoch klar machen, dass es damit meist nichts ist. Viel Kleinarbeit und auch Kritik erwarten sie stattdessen. So sollten sie sich vorher ernsthaft prüfen, wem sie eigentlich dienen wollen: Gott und der Gemeinde, oder dem lieben Ich. Manchmal fällt das zwar in eins zusammen. Aber nur manchmal. Erfahrungsgemäß sind es nicht die Schaumschläger und Meister der Selbstinszenierung, die die Lasten dann wirklich tragen, sondern eher die „Stillen im Lande“. Darum handeln wir ja nur im eigenen Interesse, wenn wir gerade letzteren unsere volle Aufmerksamkeit neu zuwenden. Amen.

Verfasser: Pfarrer Ulrich Stabe, Friedrich-Ebert-Platz 22, 38877 Benneckenstein

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