Der dankbare Samariter
von Ursula Seeger (Florstadt)
Predigtdatum
:
09.09.2007
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
12. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Mose 28,10-19a
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Wochenspruch:
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
(Psalm 103,2)
Psalm: 146 (EG 757)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 28,10-19a
Epistel:
Römer 8, (12-13) 14-17
Evangelium:
Lukas 17,11-19
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 449
Die güldne Sonne
Wochenlied:
EG 365
Von Gott will ich nicht lassen
Predigtlied:
EG 41 oder 302
Jauchzet, ihr Himmel, oder
Du meine Seele, singe
Schlusslied:
EG 170
Komm, Herr, segne uns
10 Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran 11 und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen. 12 Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. 13 Und der HERR stand oben darauf und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. 14 Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. 15 Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe. 16 Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! 17 Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. 18 Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf 19 und nannte die Stätte Bethel (Haus Gottes).
Der Text ist ein Teil einer Familiengeschichte. Er erzählt die Weitergabe des Segens Gottes an Jakob. Jakob fällt nicht aus der Segenskette heraus, auch wenn er ein Lügner und Betrüger ist.
Die Weitergabe des Segens, die Erfüllung der Verheißung Gottes ist mit der Geschichte einer großen, vergewissernden Gotteserfahrung verbunden. Gott selbst gibt sich in Bet –El dem Jakob zu erkennen.
Die Geschichte ist auch eine so genannte Kultätiologie, d.h. die Geschichte eines heiligen Ortes wird erklärt. Dieser Aspekt kommt in der Predigt nicht vor.
Schwerpunkt ist die Nacherzählung der Familiengeschichte, die deutlich macht, dass Gott auch schwierige Wege mitgeht und sein Segen nicht abhängig ist von der Fehlerlosigkeit seiner Menschen.
Die Geschichte bedient sich des Bildes vom offenen Himmel, in dem Gott sich zeigt. Ich habe mich für einen christologischen Schluss der Predigt entschieden, um deutlich zu machen, dass der Blick in den Himmel auch uns möglich ist. Die Geschichte von der Geburt Jesu, die uns immer wieder berührt, redet wie die Geschichte von der Himmelsleiter vom Himmel, der offen steht, und von Gott, der seine Menschen segnet und ihr Wege mitgehen will.
Liebe Gemeinde,
die Geschichte, die von Jakobs Traum von der Himmelsleiter erzählt, ist bekannt. Einer, der später einmal der Stammvater eines ganzen Volkes werden sollte, hat einen Traum, hat eine Vision und hört Gottes Stimme, die ihm ein großes Versprechen macht: Landbesitz, große Nachkommenschaft und Gottes Beistand.
Wenn man den Lebensweg von Jakob nicht kennt, könnte man denken, dass es sich bei ihm um einen Mann handelt, der besonders gottgefällig lebt, der einen guten Charakter hat und viele hervorragende Eigenschaften – eben so, wie man sich den Stammvater eines ganzen Volkes, einen Erwählten Gottes, vorstellt.
Aber so war Jakob nicht. Im Gegenteil. Er war ein Lügner und Betrüger, einer, dem jeder Weg recht ist, um den eigenen Vorteil zu erlangen.
Die Geschichte bis zu unserem Predigttext ist schnell erzählt:
Isaak, der Sohn Abrahams, heiratete Rebekka. Nach Jahren des Wartens wurden den beiden zwei Söhne geschenkt, Zwillinge. Schon im Mutterleib, berichtet die Bibel, beginnt der Kampf zwischen beiden. Wer wird der Erste sein?
Esau wurde zuerst geboren, dann kam Jakob zum Vorschein. Die Hand zuerst wie wenn er den Bruder noch an der Ferse festhalten wollte.
Jakob: Sein Name hat viele Bedeutungsvarianten: Gott möge beschützen - Fersenschleicher - Überlister.
Die beiden Brüder sind völlig verschieden. Esau ist rau, er wird ein Mann, der viel im Freien ist, ein Jäger, ein Naturbursche.
Jakob ist sanft und zieht es vor, Zuhause zu bleiben. Er jagt die Tiere nicht, er züchtet sie.
Mutter Rebekka bevorzugt Jakob, den jüngeren, während Vater Isaak den älteren Esau liebt.
Esau hat das Erstgeburtsrecht. Der Erstgeborene war der Wichtigste unter allen Brüdern. Wenn der Vater starb, blieb der Besitz ungeteilt bei der Familie. Der Erstgeborene trat die Stelle des Vaters an und wurde Herr über seine Brüder. Und die Brüder wurden seine Knechte. Es ist also durchaus verständlich, dass es zum Bruderzwist kommt um diese Rechtsstellung. Nur Minuten trennen Jakob von dem Privileg des Erstgeburtsrechts. Er ist eifersüchtig auf seinen Bruder.
Als sich eines Tages die Gelegenheit ergibt, da macht er den Versuch, von seinem Bruder Esau dieses Recht zu erhalten. Als der müde, hungrig und erschöpft von der Jagd nach Hause kommt und Jakob um etwas zu essen bittet, sagt Jakob:
„Du kannst essen, soviel du willst. Aber verkauf mir zuerst dein Erstgeburtsrecht.“
Jakob denkt weit voraus. Was wird mit ihm, wenn der Vater eines Tages stirbt?
Esau hingegen denkt nur an die Gegenwart. Er sagt: „Ich muss doch einmal sterben, was brauche ich denn eine Erstgeburt.“
Gut kommen beide Brüder in der Erzählung nicht weg: Jakob nutzt die Schwäche Esaus schamlos aus, und Esau verachtet sein Erstgeburtsrecht, so heißt es in der Bibel (Gen. 25,34).
Jakob verfolgt, mit Hilfe seiner Mutter Rebecca, sein Ziel konsequent weiter. Mit einer List erschwindelt er sich schließlich den Segen des altersblinden Vaters. Er gaukelt ihm vor, er sei Esau, und erhält den Segen für den Erstgeborenen.
Danach waren Jakob und Esau endgültig Feinde - im hebräischen Urtext heißt es: "Esau wurde für Jakob zum Satan".
Esau hatte für sich beschlossen, Jakob umzubringen und wollte nur noch den Tod seines Vaters abwarten. Rebekka hört davon und rät Jakob zu fliehen, nach Haran in Mesopotamien, in ihr Heimatland.
Und nun – da setzt unser Predigttext ein – ist er auf der Flucht, ein gehetzter, schuldig gewordener Mensch, auf der Flucht vor den Folgen seines verkorksten Lebens. Wird Esau ihn einholen? Wird Esau, getrieben von blindem Hass und Rachegedanken gegenüber seinem Bruder diesen tatsächlich umbringen?
Die Situation hat Jakob selbst verschuldet, das muss er sich eingestehen. Seine Schuld ist es, dass der Bruder diese unbändige Wut auf ihn hat, seine Schuld ist es, dass die Familie zerbrochen ist, seine Schuld, dass er nun allein und mit der Angst im Nacken einer ungewissen Zukunft entgegengeht.
Die Nacht ist hereingebrochen. Jakob kann nicht mehr weiter. Er lagert unter freiem Himmel. Er legt einen großen Stein hinter seinen Kopf, wohl in der Hoffnung, dass er Schutz bietet.
Er schläft.
Man würde erwarten, dass er in dieser Situation kaum Schlaf finden kann. Und wenn doch, dass er von Albträumen geplagt wird, die gespeist sind von seiner Angst. Doch etwas anderes geschieht:
Jakob hat einen unglaublichen Traum: Eine Himmelsleiter steht auf der Erde und ihre Spitze ragt in den Himmel hinein. Auf der Leiter steigen die Engel Gottes auf und ab.
Gott selbst steht unten am Ende der Leiter und spricht zum schlafenden Jakob.
Was für ein unfassbares, gewaltiges Bild!
Gott steigt herab, sucht Jakob an seiner Schlafstelle auf und offenbart sich ihm. Der flüchtende Betrüger Jakob wird als würdig empfunden, in das Allerheiligste, in die Himmelswelt Gottes, dem Gott der Väter, zu blicken. Gott selbst gibt sich zu erkennen:
Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott.
Jakob ist durch seinen Betrug nicht aus der Segenskette der Generationen herausgefallen. Gott hat eine Geschichte mit seinem Vater und seinem Großvater, eine Geschichte mit Höhen und Tiefen. Und diese Geschichte geht weiter.
Mit ihm, Jakob, dem bisher schwierigsten Vertreter seiner Familie. Von Gott selbst erhält er eine Zusage, ein Segenswort, nicht erschlichen, sondern ihm unerwartet und unverhofft zugesagt in einer, wie es scheint, völlig verfahrenen Situation:
Das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Und dein Ge-schlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.
Gott hat Jakob eingeholt. Ihn, der einen Scherbenhaufen hinter sich gelassen hat aus zerbrochenen Beziehungen, ihn, den Lügner und Betrüger.
Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.
Ein Satz für den gescheiterten Jakob. Der Betrüger wird gesegnet mit einem der schönsten Segensworte der Bibel.
Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst.
Warum ausgerechnet er? Es gibt keine Begründung. Nur diese Zusage, diesen tröstlichen, stärkenden Satz:
Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst.
Ist das gerecht? Was ist das für ein Gott, der den Betrüger auch noch segnet, anstatt ihn zu strafen?
Gottes Gerechtigkeit ist offenbar eine andere als unsere. Seine Gerechtigkeit zielt nicht auf Strafe, sondern möchte Schuld vergeben. Seine Gerechtigkeit ist geprägt von Liebe und Verzeihen. Bei Gott ist ein Neuanfang möglich trotz Schuld und Verfehlung.
Was ist das für ein Gott, der Jakob auf der Spitze der Himmelsleiter begegnet?
Ein Gott wie ein glühender Backofen voller Liebe, so bildhaft hat es Martin Luther einmal gesagt.
Im Traum sieht Jakob diesen Gott voller Liebe.
Als er am nächsten Morgen erwacht, da erkennt er mit Schrecken:
„Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht.“
Er nennt die Stelle Bet-El, Haus Gottes, denn hier, so hat er erfahren, berührt der Himmel die Erde, hier wohnt Gott.
Jakob setzt seine Reise fort, er weiß, dass Gott mitgeht und er hat keine Angst mehr.
Jakob erfährt in seinem Leben, dass Gott seine Verheißung wahr macht:
Gott behütet ihn in der Gefahr und schenkt ihm viele Nachkommen. Sogar die Versöhnung mit seinem Bruder Esau darf er erleben.
Für Jakob ist ein Traum wahr geworden. Er durfte einen Blick in den Himmel tun und erfahren, dass Gott ihn, den Gescheiterten, segnet und seine Verheißung an ihm erfüllt.
Der offene Himmel – ein Traum, der sich nur für Jakob erfüllt hat?
In der Bibel gibt eine weitere wunderbare Geschichte die zeigt, dass Gott sich zu erkennen gibt, dass der Himmel die Erde berührt.
Diese Geschichte kennen wir alle und sie ergreift Menschen immer wieder. Die Geschichte von der Geburt Jesu. Sie erzählt von Hirten, Menschen am Rande der Gesellschaft, die mit Sicherheit nicht erwarten, dass Gott sich ihnen zeigt. Sie erleben, dass in dunkler Nacht der Himmel offen steht.
Sie sehen Engel in der Lichtfülle Gottes und hören die Botschaft: Fürchtet euch nicht. Der Retter ist geboren. Er wird euer Leben teilen. Er geht den Weg mit, er begleitet euch durch Höhen und Tiefen, durch helle Tage und dunkle Nächte.
So wird der Traum Jakobs auch für uns wahr.
Die Geschichte von der Geburt Jesu sagt uns: Du bist auf diese Erde gesandt. Gehe nun diesen Weg auf der Erde. Achte auf Gottes Willen, auf seine Führung. Gott begleitet dich mit dem Gesicht des Bruders. Er stützt dich. Er zeigt dir deinen Weg. Er empfängt dich am Ende (nach Jörg Zink, Zwölf Nächte, Was Weihnachten bedeutet, Herder Verlag 1994, S.95).
Du bist nicht irgendjemand. Du bist ein unverwechselbarer, von Gott geliebter Mensch.
Mit allen deinen guten Eigenschaften und mit allen deinen Fehlern. Du bist der, für den der Himmel offen steht. Gott sieht dich an mit den Augen der Liebe und sagt dir:
Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst.
Amen
Verfasserin: Pfarrerin Ursula Seeger, Florstadt
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