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Der dankbare Samariter

von Karsten Müller (Halle /Saale)

Predigtdatum : 01.09.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 12. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Mose 28,10-19a
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Leitbild:
Der dankbare Samariter
Wochenspruch:
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Psalm 103,2
Psalm: Psalm 146

Lesungen
Altes Testament: 1.Mose 28, 10 – 19 a
Epistel: Römer 8, (12 - 13).14 - 17
Evangelium: Lukas 17, 11 - 19


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 166 Tut mir auf die schöne Pforte
Wochenlied: EG 365 Von Gott will ich nicht lassen
Predigtlied: EG 165 Gott ist gegenwärtig
Schlusslied: EG 157 Lass mich dein sein und bleiben

Kurze Hinführung:

„In welcher Beziehung hierzu (zum Thema des Sonntags: Der dankbare Samariter –K.M.) die alttestamentliche Lesung von Jakobs Traum (...) steht, bleibt dem Einfallsreichtum des Lesers überlassen. Es mag sein, dass der Stein, den der heimatlose Flüchtling zur Erinnerung an die nächtliche Gotteserscheinung errichtet, zugleich als Brücke zum Evangelium von dankbaren Samariter fungiert.“ (Ev. Gottesdienstbuch, Schreibtischausgabe, S. 712)

Mir fällt auf, das sowohl im Evangelium, als auch in unserem Text „unerhörte Begebenheiten“ stecken: Im Evangelium ist nicht die Heilung der zehn Männer das außergewöhnliche. Außergewöhnlich ist, dass ausgerechnet ein Samaritaner Gott preist und Jesus dankt. Die Samaritaner galten nicht viel aus der Perspektive der Juden. Man ging nicht durch ihr Land und ließ sich besser nicht mit ihnen ein.

Im Predigttext ist nicht die Gotteserscheinung das außergewöhnliche. Außergewöhnlich ist, wem Gott da erscheint. Jakob ist ein Betrüger, Segenserschleicher. Mit dem hat man besser nichts zu tun. Der soll sich erst einmal bei seinem Bruder und bei seinem Vater entschuldigen! – Ausgerechnet dem erscheint Gott, ausgerechnet der erhält eine Verheißung ...


Liebe Gemeinde,

Jakob, der Betrüger und Erbschleicher, ist auf der Flucht. Abend ist es geworden. Müde ist er.

Der Tag war lang und ereignisreich und vielleicht hat Jakob an diesem Tag den Fehler seines Lebens gemacht. Er hat seinen Bruder um den Segen seines Vaters betrogen.

Jetzt ist Zeit zum Schlafen. Einen Stein legt er sich unter den Kopf; aber vielleicht möchte er lieber, dass sich der Boden unter ihm auftut, damit alles Elend, die Schmach, die Schuld, die Angst ein Ende haben.

Aber: Für so einen tut sich nicht der Boden, sondern der Himmel auf. Was soll man dazu sagen? Wie viele Fromme wünschen sich auf die Frage: „Wo ist denn nun dein Gott?“ so etwas wie die Himmelsleiter vorweisen zu können. Aber denen bleibt der Himmel verschlossen, während er sich für einen Betrüger auftut.

Müssen wir uns zu der Wahrheit flüchten, dass „Gottes Wege nicht unsere Wege und seine Gedanken nicht unsere Gedanken sind“? (Jes. 55,8) Haben wir es hier mit einem Beispiel dafür zu tun, dass es eben doch keine Gerechtigkeit gibt und selbst der liebe Gott den Übeltäter davonkommen lässt?

Viele lassen an so einer Stelle der Bibel den lieben Gott einen frommen Mann sein. Wenn die himmlische Gerechtigkeit so aussieht, dann: Nein Danke.

Ist Gott ungerecht? So scheint es. Aber so ist es nicht. Fragen wir uns doch zunächst selbst: Finden wir die Tatsache, dass Jakob hier davon zu kommen scheint, nicht nur solange fragwürdig, bis uns die eigenen kleinen und großen Betrügereien vor Augen stehen und wir selbst froh sind, davon gekommen zu sein?

Sehen wir die Dinge im Zusammenhang. Es ist notwendig, die Dinge im Zusammenhang zu sehen. Im Zusammenhang gesehen wird aus dem davongekommenen Sünder ein betrogener Betrüger: Im Exil wird er von seinem Onkel gelinkt, der ihm die falsche Frau unterschiebt.

Aber damit nicht genug: Wenn wir nur einen Moment daran denken, was der alte Jakob zu leiden hatte an den Machenschaften seiner Söhne, am Schicksal seines Lieblingssohnes Josef, an seinem Alter in der Fremde - dann ist deutlich, dass man sich so einfach eben nicht davonstehlen kann aus den Verantwortungen seines Lebens, wie es hier am Beginn der Flucht scheint.

Im Zusammenhang der Geschichten unseres Gottesdienstes gesehen, ist Jakob der falsche, dem sich Gott offenbart. So wie der Samaritaner, der dankt, der falsche ist. So einem traut man das einfach nicht zu. Man weiß doch, wie die sind, die Samaritaner. So wie man ja auch weiß, wie die sind die Russen oder die Moslems oder die Chinesen ...

Am Beginn seiner Flucht steht der Himmel für einen wie Jakob offen - was für ein Bild! Gott hält sich einfach nicht an unsere Zuordnungen und Schubladen, in denen wir die Menschheit sortiert haben.

Gott begegnet dem Menschen Jakob. Einfach so. Die Erde bricht nicht auf und verschlingt den Betrüger, den Sünder, den Erbschleicher. Der Himmel öffnet sich und Jakob sieht im Traum eine Leiter, hinter der sich historisch wohl eine mesopotamische Tempelturmtreppe verbirgt.

Gott begegnet dem Menschen Jakob, indem er oben auf der Leiter oder dem Tempelturm steht.

Können wir mit solchen Begegnungen heute noch etwas anfangen? Sind „die da oben“ auf den Podesten und Tribünen nicht sowieso verdächtig, weit weg allzumal?

Soll Gott also doch einer sein, zu dem man nur aufsehen kann, der weit weg ist, eben oben im Himmel? Juri Gagarin hat ihn 1961 beim ersten Weltraumflug eines Menschen jedenfalls nicht gesehen. Und ist es nicht so: Wenn etwas im Himmel ist, dann geht es mich in meinem Leben eigentlich nicht so gleich etwas an?

Vorstellbar ist es auch, dass Gott bei Jakob ist, ihm auf Augenhöhe begegnet. Das kann eine Grundfrage sein oder auch eine fromme Grundhaltung: Wo ist dein Gott? Oben im Himmel, weit weg von dem, was dich betrifft - oder steht er neben mir und blickt mich aus dem Gesicht des Mitmenschen an? Wird hier in Bethel schon Bethlehem vorweggenommen?

Gott ist bei Jakob im Traum in einer tiefen Wahrheit also, die weit über die vordergründigen Wirklichkeiten der Welt hinausgeht. Gott steht auf der Leiter und neben dir und mir.

Er ist im Himmel, außer wenn wir dort nach ihm suchen. Er begegnet uns hier in unserem irdischen Leben, außer wenn wir solche Begegnungen als Glaubensnachweise nutzen wollen. Das unterscheidet Gott von mancher irdischen Autorität: Er ist allmächtig, allgegenwärtig und allwissend und doch sich für uns nicht zu schade.

Vor allem ist Gott sich nicht zu schade für die, für die wir uns oft zu schade sind. Ausgegrenzte Gruppen wie die Samaritaner in biblischen Zeiten gibt es bis heute.

Nein, wir grenzen aber keinen aus! Unsere Kirche unsere Gemeinde ist offen. Jeder und jede kann kommen.

Wirklich? Wie ist es mit denen, die anders glauben als wir? Man muss gar nicht auf die anderen Religionen und Konfessionen schauen. Ach im Spektrum unserer Art zu glauben gibt es viele Differenzierungen. Die sind solange unproblematisch, wie sie nicht zu Ausgrenzungen führen.

Vom ehemaligen Magdeburger Bischof Werner Krusche (1968-1983) gibt es den Satz: Wir Christen sind nicht besser, aber wir haben es besser. Wir haben es besser, weil wir nicht allein sind in dieser Welt. Wir haben es besser, weil Gott uns immer wieder Chancen für einen Neufang trotz Schuld und Versäumnis gibt.

Jakob hört große Verheißungen. Auch hier zeigt sich: Vor der unmittelbaren Folge seiner Betrügerei wird Jakob nicht geschützt. Gott sagt nicht: Ich schütze dich vor deinem Bruder, denn ich habe großes mit dir vor. Aber Gott sagt Jakob Schutz zu für den Weg seiner Flucht. Es bleibt dabei: Die unmittelbaren Folgen seiner Tat muss


Jakob schon tragen. Er bleibt weiter ein Flüchtender. Der Aufenthalt bei den Verwandten in der Fremde wird ihm nicht erspart.

Aber er fällt bei Gott auch nicht durch alle Maschen. Zusätzlich zum Schutz auf der Flucht wird dem Flüchtigen Land versprochen. Das Land, auf dem er gerade träumt, soll in einer ungewissen Zukunft ihm und seinen Nachkommen gehören. Man kann darüber nachdenken, ob ihm das in seiner Lage konkret geholfen hat. Vielleicht erkennt er: Es gibt wenigstens eine Hoffnung. Sie ist zwar vage, aber vielleicht doch tragfähig.

Die Hoffnung nährt sich auch von der Verheißung von nachkommen. Auch dafür gibt es ja in Jakobs Lage keine Anzeichen. Aber so soll es kommen: Wie Staub auf der erde sollen sich die Nachkommen Jakobs ausbreiten. Segen für alle Zeiten sollen diese Nachkommen sein.

Nur oberflächliche Betrachter der Szene können hier eine „Schwamm-drüber-Mentalität“ entdecken. Aber es ist eben auch keine Verdammnis auf alle Zeiten.

Als Jakob erwacht von seinem Traum, ist er sogleich im Bilde, wer da mit ihm gesprochen hat. Er richtet einen Stein auf, markiert also die Stelle seiner Gottesbegegnung und er bringt ein Opfer: Kostbares Öl, das ihm auf seiner Flucht sicher noch manchen guten Dienst erwiesen hätte, schüttet er über das Steinmal.

Bet-El nennt er den Ort seiner Gottesbegegnung. Haus Gottes heißt das in unserer Sprache.

Einer, der wegen seiner Schuld eigentlich gar nichts mehr zu sagen haben dürfte, gründet einen heiligen Ort. Jakob wird zum Segen werden für kommende Generationen und sogar Völker.

Die erneute Zuwendung Gottes zu ihm ist kein Freibrief zum ver-antwortungslosen Handeln. Sie ist eine Befreiung zum weiteren Le-

ben. Auf diese Befreiung sind auch wir angewiesen. Eigentlich jeden Morgen neu.
Amen.

Verfasser: Provinzialpfarrer Karsten Müller
Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf

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