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Der dreieinige Gott

von Matthias Sens (39112 Magdeburg)

Predigtdatum : 22.05.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Pfingstmontag
Textstelle : Jesaja 6,1-13
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Wochenspruch:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. (Jesaja 6,3)

Psalm: 145 (EG 756)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 6,1-13
Epistel:
Römer 11,(32).33-36
Evangelium:
Johannes 3,1-8.(9-15)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 345,1-4
oder EG 300,1-3
Auf meinen lieben Gott
Lobt Gott, den Herrn der Herrlichkeit
Wochenlied:
EG 126
oder EG 139
Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist
Gelobet sei der Herr, mein Gott
Predigtlied:
EG 331,1-3.8.9.11
Großer Gott, wir loben dich
Schlusslied:
EG 300
Lobt Gott, den Herrn der Herrlichkeit

1 In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel. 2 Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie. 3 Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! 4 Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch. 5 Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.
6 Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, 7 und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei. 8 Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich! 9 Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet's nicht; sehet und merket's nicht! 10 Verstocke das Herz dieses Volks und lass ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen. 11 Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt. 12 Denn der HERR wird die Menschen weit wegtun, sodass das Land sehr verlassen sein wird. 13 Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals verheert werden, doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.

Vorbemerkung:
Der Predigttext kann sowohl aus der Lutherbibel als auch in der Einheitsübersetzung verlesen werden.
Ich habe mich für den ganzen Predigttext entschieden, weil beide Teile (Vers 1-7 und Vers 8-13) eng aufeinander bezogen sind und sich gegenseitig interpretieren. Der Sonntag Trinitatis, an dem wir „das Glaubensgeheimnis der Dreieinigkeit Gottes ... feiern“ (Ergänzungsband zum Evangelischen Gottesdienstbuch, S. 175) lenkt den Blick natürlich besonders auf das „Heilig, heilig, heilig“. Dem folge ich gern, weil das wohl auch der beste Schlüssel zum Verständnis des Textes ist.
In seinem ursprünglichen Zusammenhang im Alten Testament ist der Text auf sehr konkrete geschichtliche Ereignisse bezogen. Das kann in einer Predigt heute so nicht nachvollzogen werden. Aber wir nehmen die sehr grundsätzlichen Fragen nach Gott, nach unserem Leben und unserem Glauben auf, vor die wir gestellt werden. Eine vordergründige Aktualität wird sich dabei nicht einstellen, aber es wird hoffentlich deutlich werden, dass unsere ganze Existenz dauernd mit im Spiel ist.

Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn wir etwas dreimal sagen, dann hat das eine besondere Bedeutung: „Ich hab dir das dreimal gesagt, da kannst du es ruhig glauben.“ Und die Kehrseite davon: „Wer dreimal lügt, dem glaubt man nicht.“ Oder: „Ich sag dir das jetzt zum dritten und letzten Mal.“ Oder: „Ich musste dreimal rufen, bis du endlich gekommen bist.“
Es steckt etwas Endgültiges, Abschließendes in diesem „dreimal“. Man kann es auch nicht mehr steigern. Klarer geht es nicht mehr. Die höchste Stufe unserer Ausdrucksmöglichkeiten ist erreicht.
„Heilig, heilig, heilig ist Gott.“
Das Dreimal-Heilig, das die Serafim rufen, ist die höchste Stufe der Anbetung Gottes. Er ist der Allerheiligste. Ja, er allein ist heilig.
Was ist das eigentlich - heilig? Spüren wir manchmal so etwas wie Heiligkeit? Vielleicht, wenn man in einen Dom geht und ergriffen wird von der Größe und Majestät des Raumes. Oder wenn einen die Stille umfängt, in einer Kirche oder auch irgendwo draußen, und man plötzlich ganz andere Dimensionen spürt, die einem sonst nirgendwo vermittelt werden. Oder wenn ein besonderer Klang von Musik unser Herz berührt und wir plötzlich hinter den Tönen noch etwas ganz anderes vernehmen. Oder wenn wir wunderschöne Blumen sehen und eine Ahnung bekommen davon, was Vollkommenheit ist.
Immer wird damit auch das Gefühl verbunden sein, dass solche Vollkommenheit und Schönheit und Andersartigkeit weit über das hinaus geht, was wir selbst sind und können und darzustellen vermögen. Wir geraten ins Staunen, wenn wir dem Heiligen auf der Spur sind. Und wir merken, dass nicht wir die Größten sind, sondern dass wir einem wirklich Großen und Erhabenen begegnen.
Das ist bestimmt auch furchterregend. Wir erschrecken vor den ungeahnten Dimensionen des Heiligen. Und wir erschrecken über uns, dass wir so gar nicht zu dem Heiligen passen. Wir bekommen vielleicht sogar Angst um uns und wagen es nicht, uns dem Heiligen wirklich auszusetzen. Es ist eine ganz große Ehrfurcht damit verbunden: Heilig, heilig, heilig ist Gott. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt.
Auch die merkwürdigen Gestalten, die der Prophet Jesaja in seiner Vision zu sehen bekommt, sollen etwas von der Heiligkeit Gottes vermitteln. Es sind ja komische Engelgestalten, mit ihren sechs Flügeln. Aber gerade die drei Flügelpaare sagen uns auch etwas über die Heiligkeit Gottes:
Mit zwei Flügeln müssen sie sich die Augen zuhalten. Weil sie in das strahlende Licht, in den reinen Glanz, der von Gott ausgeht, nicht hineinschauen können, ohne sich die Augen zu verbrennen. Schon wer bloßen Auges in die Sonne schaut, muss erblinden. Gott ist heller und glänzender als die Sonne. Er ist das absolute und ewige Licht.
Mit zwei Flügeln bedecken sie ihren Körper. Eigentlich sind Engel ja reine und makellose Erscheinungen. So stellen wir uns sie jedenfalls vor. Aber selbst sie sind der Meinung, dass sie sich vor Gott schämen müssen. Sie können nicht einfach so kommen, wie sie sind. Sie bedecken ihre Körper, weil die ein Sinnbild sind für das Leben, das immer wieder von Schuld durchzogen und befleckt ist. Und das widerspricht einfach zu sehr der Reinheit und der Vollkommenheit des Wesens Gottes. Da sind diese Engelgestalten uns Menschen plötzlich sehr nahe. Wie sollten wir Gott gegenüber treten können, angesichts dessen, was wir sind und was wir tun in unserem Leben und in unserer Welt?
Mit zwei Flügeln schließlich fliegen die Engelgestalten in der Vision des Jesaja. Wieso müssen Engel eigentlich fliegen können? Um zu Gott zu kommen und ihn umgeben zu können? Nein, das würden sie ja nie schaffen, und das haben sie auch nicht nötig, denn sie sind sowieso und immer bei ihm. Nein, Engel müssen fliegen können, um zu uns zu kommen. Sie sind Boten und Gesandte, durch die sich Gott uns zuwendet. Gott kommt uns nahe. Dafür müssen die Engel sehr beweglich sein!
Heilig ist Gott. Jesaja erlebt und erfährt in seiner Vision, dass das auch heißt: Gott ist ganz anders. Er ist noch größer, er ist noch unbegreiflicher, und er ist noch näher, als wir es uns je vorstellen können. Da kann der sonst so erhabene Tempel noch nicht einmal den Saum des Gewandes der Gottesgestalt fassen. Da sind die Heiligrufe der Serafim keine schöne Sphärenmusik, sondern sie lassen die Erde erbeben und sind wie Vulkanausbrüche. Da ist es Jesaja in der Nähe Gottes überhaupt nicht feierlich zumute, sondern er bekommt Todesangst, weil er sich plötzlich selbst ganz klar in unendlichem Kontrast zu Gottes Heiligkeit sieht. Er, Jesaja, ist ganz und gar nicht heilig, sondern voller Schuld. Sein Leben und Reden ist unrein und sündhaft und tödlich. Und die Welt, aus der er kommt, ist auch nicht besser. Das sieht er im Lichte Gottes und fühlt sich völlig deplatziert und kann eigentlich nur sein sofortiges Ende erwarten: Weh mir, ich vergehe! Weh mir, ich bin verloren!
Aber wieder ist Gott ganz anders. Er kommt ihm näher, als Jesaja es je für möglich gehalten hätte. Eine dieser Engelgestalten fliegt zu ihm und berührt ihn mit glühenden Kohlen vom Altar Gottes. Die Wahrheit und Heiligkeit Gottes macht ihn ganz heil und rein. Er verbrennt sich daran nicht die Lippen wie sonst so oft an den Unwahrheiten und Ungereimtheiten, die sein Leben durchziehen, sondern er wird frei von Schuld. Gott räumt alles weg, was zwischen ihnen war. Und Gott macht ihn bereit zum Hören und zum Reden. Jesaja kann nun sagen: Hier bin ich, sende mich!
Nun freilich kommt es noch einmal ganz anders, als sich Jesaja das wohl erträumt hat, und als wir es uns alle wohl wünschen würden. Jesaja wird mit einer Botschaft zu seinem Volk geschickt, die keinen Frieden und keine Befreiung und keine Erlösung verheißt. Statt dessen soll sich alles weiter verhärten. Keiner soll mehr durchblicken. Keiner wird mehr einen Ausweg sehen. Keiner wird mehr eine Möglichkeit finden, wie man umkehren kann und neu anfangen. Es wird immer schlimmer werden und es wird keine Besserung in Sicht sein.
Jesaja war mit seiner Vision mitten in eine Gerichtsverhandlung geplatzt. Gott hat als Richter auf dem hohen und erhabenen Thron gesessen und sein Volk zur Rechenschaft gezogen. Und das Urteil ist bereits gefällt. Jesajas Auftrag kann nur noch sein, dieses Urteil umzusetzen. Seine Botschaft wird dazu führen, dass das Urteil wahrgemacht wird.
Jesaja wird zum Volk von der absoluten Größe und Majestät Gottes sprechen, so wie er selbst sie erfahren hat. Aber sie werden das nicht anerkennen. Sie werden sich selbst für groß und stark halten. Sie werden sich maßlos überschätzen und denken, dass man Gott ruhig vergessen kann.
Jesaja wird dem Volk sagen, dass Gott nicht irgendwo weit weg ist, sondern dass er in ständiger Berührung ist mit dem Leben und der Geschichte der Menschen. Es kommt jetzt in eurem Leben darauf an, auf Gott zu hören. Sie aber werden sagen: Gott, das war früher, oder das hat Zeit bis später oder das ist viel zu allgemein für die konkreten Probleme der Gegenwart.
Jesaja wird dem Volk auch sagen, dass sie nicht denken sollen, dass sie immer wieder davon kommen werden. Gott selbst wird dafür sorgen, dass sie nicht immer so weiter machen können wie bisher. Sie aber werden sagen: Es wird schon noch einmal gut gehen. Die große Neuorientierung brauchen wir noch lange nicht.
Und Jesaja wird den Menschen die ganze Wahrheit über ihr Leben sagen, so wie er sie selbst plötzlich vor Augen hatte im Angesicht Gottes. Und er wird ihnen sagen, dass nur Gott selbst sie ganz befreien kann von Schuld und allem Bösen und dass er es auch tun wird. Aber sie werden die Wahrheit nicht hören wollen. Sie werden an der großen Lebenslüge festhalten, dass doch eigentlich alles in Ordnung sei und sie sich schon selbst helfen können.
In dem allen wird sich Gottes Urteil über die Menschen bewahrheiten. Die Botschaft des Propheten wird dazu beitragen. Er wird so konsequent und endgültig von Gott und seinem Willen reden, dass die Menschen, weil sie Menschen sind, sich dem unweigerlich verschließen werden. Damit aber wird es seinem Volk gar nicht gut gehen. Jesaja sieht eine lange und böse Zeit für sein Volk voraus. Die Existenz steht auf dem Spiel. Die Hoffnung schwindet fast vollständig. Nur so viel bleibt übrig, wie man bei einem abgesägten Baum hoffen kann, dass aus dem Stumpf neue Triebe wachsen.
Jesaja steht fassungslos davor, dass es so kommen soll, und dass Gott es so will. Auch wir können das nicht verstehen. Keiner kann wirklich begreifen, warum Gott – dreimal heilig ist er! – solche Wege geht.
Auch die ersten Christen, die uns die Worte und Taten Jesu aufgeschrieben haben, konnten es nicht begreifen, warum Gott es zulässt, dass die Botschaft Jesu so wenig gehört wurde, und warum die Menschen so hart sind. Da haben sie sich an die Worte von Jesaja erinnert, mit denen die Ablehnung und die Verhärtung vorhergesagt wurden (z. B. Johannes 12, 37-41).
Aber sie alle, Jesaja und die Propheten, die Jünger Jesu und die ersten Christen, und wir alle bis heute, haben auch daran festgehalten und darauf gebaut, dass von Gott letztlich Befreiung und Versöhnung und Frieden kommen wird und schon kommt. Und mit Recht. Jesaja hat es ja an sich selbst erfahren, wie Gott ihn geheilt hat. So wird sich Gott auch seinem Volk wieder zuwenden. Und über unser Leben hat Jesus die große rettende Gnade Gottes gestellt. Jesus bringt uns dazu, dass wir Gott als dem Vater begegnen, der allmächtig und barmherzig ist. Gott ist heilig – von ihm kommt Heil. Das ist seine tiefste Absicht und sein letzter Wille. Von Jesus her können wir gar nichts anderes denken und glauben, und wir brauchen es auch nicht.
Dreimal heilig ist Gott. Wir hören diese Botschaft heute am Sonntag Trinitatis. Dreimal heilig ist der eine Gott als der Vater, als der Sohn, als der Heilige Geist. Wenn wir als Christen die Geschichte von der Vision des Jesaja lesen, dann können wir in ihr etwas davon erkennen, dass Gott uns als Vater, Sohn und Geist begegnet. Gottes Geist kommt zu uns Menschen wie der Engel zu Jesaja und bringt das in unser Leben hinein, was Jesus für uns getan hat: Die Schuld ist genommen, die Sünde gesühnt. Wir sind frei, vor Gott zu treten als unseren Vater und als seine Kinder auf ihn zu hören und ihn anzureden. Ja, durch Gottes Geist nimmt der Glaube Gestalt an: Wir vertrauen auf Jesus und sein Wort und leben mit ihm. Und wir geben so Gott allein die Ehre.
Dreimal heilig ist Gott:
Heilig ist er, denn er übersteigt in seiner absoluten Reinheit und Vollkommenheit und Größe alles, was unser Leben und unsere Welt ausmacht.
Heilig ist Gott. Er wendet uns seine Gnade und seine Barmherzigkeit zu. Er ist unbegreiflich in seinem Wesen, aber er lässt uns nicht allein. Er ist uns nahe in unserem Leben und in unserer Geschichte.
Heilig ist Gott. Er gibt uns Hoffnung auf ein Ziel, das alle unsere Vorstellungen übersteigt: sein ewiger Friede, seine vollkommene Gerechtigkeit, seine von allem Leid befreite Schöpfung.
Ja, heilig, heilig, heilig ist Gott! Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt! Amen.

Verfasser: Propst Dr. Matthias Sens, Hesekielstr. 1, 39112 Magdeburg

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