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Der dreieinige Gott

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 30.05.1999
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Pfingstmontag
Textstelle : Jesaja 6,1-13
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Wochenspruch:



Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. (Jesaja 6,3)



Psalm: 145 (EG 756)



Lesungen



Altes Testament:

Jesaja 6,1-13

Epistel:

Römer 11,(32).33-36

Evangelium:

Johannes 3,1-8.(9-15)



Liedvorschläge



Eingangslied:

EG 140

Brunn alles Heils, dich ehren wir

Wochenlied:

EG 126

oder EG 139

Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist

Gelobet sei der Herr, mein Gott

Predigtlied:

EG 155

oder EG 241

Herr Jesu Christ, dich zu uns wend

Wach auf, du Geist der ersten Zeugen

Schlußlied:

EG 300

Lobt Gott, den Herrn der Herrlichkeit



1 In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel.

2 Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße, und mit zweien flogen sie. 3 Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! 4 Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das Haus ward voll Rauch. 5 Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.

6 Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, 7 und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, daß deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei. 8 Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!

9 Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet's nicht; sehet und merket's nicht! 10 Verstocke das Herz dieses Volks und laß ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, daß sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen. 11 Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt.

12 Denn der HERR wird die Menschen weit wegtun, so daß das Land sehr verlassen sein wird. 13 Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals verheert werden, doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.



Liebe Gemeinde!

Es ist gefährlich, in die Kirche zu gehen. Es ist gefährlich, in den Gottesdienst zu gehen. Es ist gefährlich, weil uns hier Dinge widerfahren können, die uns unser ganzes bisheriges Denken und Leben über den Haufen werfen. Wer nach der Devise leben will: weiter so – der kann sich den Gottesdienst ersparen. Wer aber bereit ist, sich ganz neuen Erfahrungen auszusetzen, der ist in der Kirche und dem Gottesdienst am richtigen Platz.

So jedenfalls hat es Jesaja erfahren. Er war ein Mann, der den Tempel in Jerusalem kannte – und wohl auch liebte. Er war ein Mann, der sich dort nicht fremd vorkam. Er lebte mit – in den Gottesdiensten Israels, in den Liedern Israels, in den Opfern Israels. Dort war sein Zuhause. Und dann – an einem bestimmten Tag, in einem ganz bestimmten Jahr, zur Zeit eines bestimmten Königs – geschieht es: Um ihn herum versinkt die ganze Umgebung in Nebensächlichkeit. Jesaja “sieht” plötzlich Gott in seiner Herrlichkeit, sieht den Thron Gottes, wie er den Tempel erfüllt. Er sieht nicht nur – er spürt auch: der Tempel erbebt und – so denke ich – Jesaja erbebt. Denn er nimmt sich selbst wahr gegenüber Gott. Wir tun gut daran, die Größenverhältnisse nicht zu überhören: Schon der Saum Gottes füllt den Tempel und Jesaja findet sich zu seinen Füßen wieder. Der Mensch ist vor Gott ganz klein – und doch: Der Mensch Jesaja ist vor Gott.

Was sieht Jesaja? Kann er es beschreiben – so, daß wir mit unserem Fragen: Wie ist Gott? eine Antwort bekommen? Wer genau hinhört, bekommt es mit: Jesaja beschreibt sehr genau die Engel, die um Gottes Thron sind. Sie stehen über ihm, sie decken vor Gott ihre Füße, sie singen vor ihm das Lob Gottes. Die Engel sind vor Gott und in ihnen sieht Jesaja die Herrlichkeit Gottes. Es zieht sich ja durch die ganze Bibel hindurch: Niemand kann das Angesicht Gottes unverhüllt schauen - wir alle müßten vor dem Glanz seiner Herrlichkeit vergehen. Aber in den Engeln haben wir den Abglanz der Herrlichkeit Gottes. Sie sind eben nicht nur seine Boten, sie sind auch der Spiegel seiner Herrlichkeit und Heiligkeit. So sieht Jesaja in der Ehrfurcht, im Lichterglanz, in der Scheu der Engel und in ihrer Anbetung das Angesicht Gottes wie in einem Spiegel.

Im Neuen Testament wird etwas ganz Ähnliches von uns Christen gesagt: In unserem Leben spiegelt sich der Glanz Gottes. In unserem armen Leben, das wir manchmal als so armselig empfinden und manchmal so schön, will die Herrlichkeit Gottes aufleuchten.Vor vielen Jahren gab es ein Buch, das hieß “Sternenglanz in der Pfütze” – und es beschrieb genau dies, wie sich in einem Christenleben Gottes Glanz widerspiegelt. So gibt es also auch heute den Abglanz der Herrlichkeit Gottes zu sehen: in den Gesichtern von Christinnen und Christen, in der Anbetung, die wir Gott entgegenbringen, in der Ehrfurcht, mit der wir vor Gott stehen.

Das alles hat Jesaja wie einen Überfall erfahren - mitten in ein gewohnt frommes Leben. Darf ich das einmal so sagen: Es mag sein, daß uns einmal Ähnliches widerfährt, daß wir in einem Augenblick überwältig werden von der Gegenwart Gottes – beim Singen eines Liedes, bei einem Abendmahl, hier in einem Gottesdienst, oder auch im eigenen Lesen eines Wortes der Heiligen Schrift. Diese Erfahrung der Gegenwart Gottes ist kein Exklusiv-Recht für Propheten – sie ereignet sich unter uns bis heute. Und es ist aufregend, wenn Christinnen und Christen sich einmal davon erzählen, wann und wie sie etwas von der Gegenwart Gottes in ihrem Leben erfahren haben. Jesaja sieht nicht nur – er hört auch. Er hört zuerst das Lied der Engel: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll. Von der Heiligkeit Gottes singen die Engel. Wenn wir in der Abendmahlsliturgie diesen Engelruf aufnehmen, dann stimmen wir mit ein in die Anbetung Gottes, dann weitet sich unser Gottesdienst bis in den Himmel hinein. In diesem Bewußtsein dürfen wir Gottesdienst feiern: Wir sind Mitsänger auf Erden im Chor der himmlischen Anbetung Gottes. So sind wir im Gottesdienst, auch wenn wir “nur 4 oder 5 Leute” sind, nie unter uns – die Engel Gottes singen uns vor und singen mit uns mit.

Wir sind in unseren Gottesdiensten und Kirchen oftmals schnell mit der Anbetung Gottes fertig – ein Lied, ein Psalm – das war´s. Das ist in der Bibel anders. Das ist auch in vielen Kirchen in der Ökumene anders. Da wird in immer neuen Wendungen und Liedern beschrieben, wie groß und herrlich Gott ist: Er ist der Herr aller Herren, der König aller Könige, der Herrscher aller Herrscher. Er wird gelobt als der starke Helfer in aller Not, als der Barmherzige, als der Gnädige, als der liebende Gott. Er wird gepriesen als der Anfang und das Ende, als die Mitte der Welt. Er wird besungen als der Glanz und das Licht. Die Fülle seiner Macht wird angebetet, das Geheimnis seiner Liebe unter uns wird bestaunt. Wer in dieses Leben Gottes mit einstimmt, der wird davon angesteckt und beginnt Gottes Größe nicht nur zu ahnen, sondern auch zu lieben. Und zugleich wird man kritisch und auch ein wenig allergisch gegen alles majestätische Gehabe von Menschen. Vielleicht ist das eines der Probleme, warum wir allzu schnell Menschen so groß machen, zu schnell zu Idolen machen: dass wir die Hoheit Gottes nicht genug sehen und lieben gelernt haben.

Die Engel singen aber noch weiter: Alle Welt ist erfüllt vom Machtglanz Gottes. Und sofort fragen wir: Ist das denn wahr? Ist es denn nicht anders herum: Wir sehen den Machtglanz der Menschen – wir sehen, wie sie sich herausputzen mit Waffen, mit Wissen, mit Schönheit, mit Einfluß, mit Insignien von Bedeutung. Wir sehen, wie Industriekapitäne und Polit-Profis, Sportgrößen und Popidole ihre Auftritte wie regelrechte Thronbesteigungen inszenieren und sie oft genug zu fast gottesdienstähnlichen Veranstaltungen überhöhen. Und daraus schließen wir: Davon, daß alle Welt voll der Ehre des Herrn ist, kann doch bei uns gar keine Rede sein ...

Liebe Gemeinde – was im Himmel gesungen wird und was auf Erden geschieht, ist nicht deckungsgleich. Aber: Während wir noch die alten Lieder von der Macht der Menschen singen, und während wir noch in den alten Klageliedern von Schmerz und Leid festsitzen, wird im Himmel schon davon gesungen, was das Ziel Gottes ist. Und dies steht nun fest: Das Ziel Gottes wird erreicht. Das Ziel der Wege Gottes ist, daß alle Welt mit seinem Glanz erfüllt wird. Das Ziel der Wege Gottes ist, daß alle Zungen ihm die Ehre geben werden.

Im Christushymnus des Philipperbriefes wird dies in einem unerhört kühnen Wort aufgegriffen: Alle Knie werden sich beugen und alle Zungen werden bekennen, daß Christus der Herr sei. Es wird einmal keiner mehr schweigen können, es wird einmal keinen Flecken mehr geben auf der Erde, der nicht in dieses Lied der Anbetung einbezogen ist: Die ganze Schöpfung und die ganze Menschheit wird Gott die Ehre geben – und die Engel im Himmel und die Gemeinde auf Erden sind dieser Anbetung nur schon einen Schritt voraus. Ich denke, daß aus diesem Glaubenswissen heraus Christen in einer unerhört hoffnungsvollen Weise umgehen können mit ihrer Umwelt, mit den Menschen in allen Lebensumständen: weil wir glauben, daß Gott in all dem an sein Ziel kommen wird.

Jesaja will mitloben, aber er muß verstummen, er will einstimmen in die Anbetung, aber er kann es nicht. “Ich bin nicht so, daß ich Gott loben könnte.” Das ist ein Grundzusammenhang: Gott schauen und anbeten wollen – und sich selbst als unfähig dazu erkennen. Gotteserkenntnis und Sündenerkenntnis gehören unauflöslich zusammen. Das gilt auch für uns: Wer sich selbst vor Gott sieht, wer sich selbst in der Anbetung Gottes wiederfindet, wird sich selbst auch als Sünder erfahren, als einen, der im Abstand zu Gott lebt. Aber er wird dann auch erfahren dürfen, wie Gott aus der Sünde, aus diesem Abstand befreit. Der Engel kommt mit den glühenden Kohlen und reinigt Jesaja. Es ist keine Kleinigkeit, von Sünden befreit zu werden. Es ist keine Kleinigkeit, sich herauslösen zu lassen aus dem alten Leben. “Ausbrennen” tut weh. Das ist bei Wunden so – bei leiblichen und bei seelischen.

Wenn die Erzählung hier aufhörte, dann wäre das Ziel der ganzen Gottesschau die Vergebung der Sünden. So denken viele Christen: Das Ziel aller Wege Gottes ist die Befreiung von Sünde und Schuld. Gottes Weg geht aber darüber hinaus – damals mit Jesaja und heute mit uns. Gott will nicht nur ein Reparaturbetrieb für Sünder sein. Gott ist nicht nur der Heiland der Sünder, so gewiß er das auch ist. Jesaja wird in der Schau im Tempel zum Boten berufen – zu einem Boten mit ungeheuer hartem Auftrag. “Hier bin ich, sende mich!” Mit diesen Worten stellt sich Jesaja, der gereinigte Jesaja, Gott zur Verfügung. Und dies ist nun in der Tat das Ziel, das Gott hier verfolgt: er will, daß der Mensch Jesaja bereit wird, seinen Weg zu gehen. Dazu bedarf es der Sündenvergebung. Sie ist das Mittel, um Jesaja zum Dienst zu bereiten, aber sie ist nicht das Ziel dieser Berufung. Gott braucht Boten und diese Boten sucht er sich in der Vergebung der Sünden. Diese Boten bereitet er vor in der Vergebung der Sünde. Das Ziel ihres Dienstes aber ist größer: Die ganze Welt sollen sie heim-suchen, in die Versöhnung Gottes.

Ein letztes: Jesaja kann sich den Inhalt seiner Botschaft nicht aussuchen und selbst bestimmen. Er wird losgeschickt als ein Bote des kommenden Gerichtes, als ein Bote, der tauben Ohren und harten Herzen predigen wird. Das ist wohl eine große Angst, die uns überfallen kann, daß wir ein gutes Wort sagen wollen und es doch nicht ankommt, daß wir es gut meinen und doch nur tauben Ohren und harten Herzen sagen. Gottes Boten haben keine Erfolgsgarantie für ihren Dienst. Erfolg ist keiner der Namen Gottes – so hat der große jüdische Bibelübersetzer Martin Buber einmal gesagt. Aber am Erfolg entscheidet sich auch nicht, wie Gott seine Boten sieht: Danach sieht er bei ihnen, ob sie treu geblieben sind in dem, was sie zu sagen haben, ob sie dem Wort Gottes Raum gegeben haben und dem Geist Gottes gehorcht haben. Wo das geschieht, da schafft Gott sich Frucht, die bleibt – in alle Ewigkeit. Amen.



Verfasser: Pfr. Paul Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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