Wochenspruch: "Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen." (2. Korinther 13,13)
Psalm: 113
Reihe I: 2. Korinther 13,11-13
Reihe II: 4. Mose 6,22-27
Reihe III: Johannes 3,1-8(9-13)
Reihe IV: Römer 11,(32)33-36
Reihe V: Jesaja 6,1-8(9-13)
Reihe VI: Epheser 1,3-14
Eingangslied: EG 140 Brunn alles Heils
Wochenlied: EG 139, 1-3 Gelobet sei der Herr
Predigtlied: EG 264 Die Kirche steht gegründet
Schlusslied: EG 170 Komm, Herr, segne uns
11 Zuletzt, Brüder und Schwestern, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.
12 Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen.
13 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Liebe Gemeinde,
„Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“, lautet der Titel eines Bestsellers von Richard David Precht.
Hinter der Frage steht die Erfahrung, dass wir ja gerne eindeutig wären, dass wir gerne immer genau wüssten, wer wir sind, was wir wollen, was gut für uns ist. Und merken dann, dass uns diese Eindeutigkeit selten gelingt: Ich zum Beispiel will meinen Kindern ein guter Vater/eine gute Mutter sein. Dazu möchte ich ihr Freund sein, dem sie vertrauen können. Ich finde mich aber auch in der Rolle dessen wieder, der klare Regeln vorgibt, deren Einhaltung fordert und gegebenenfalls auch Konsequenzen androht, wenn Aufgaben trotz mehrmaliger Erinnerung nicht erledigt werden.
Hinzu kommt, dass wir durch ganz unterschiedliche Erfahrungen in der Vergangenheit geprägt sind. Als Ältester war ich zunächst geliebtes und umsorgtes Einzelkind, bis meine Schwestern auf die Welt kamen. Dann musste ich plötzlich vernünftig sein. In der Pubertät habe ich rebelliert, um dann schließlich verantwortlicher Ehemann/Ehefrau und Vater/ Mutter eigener Kinder zu werden. Diese verschiedenen Rollen mit ihren Erfahrungen sind in mir abgespeichert.
Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?
Das gleiche gilt auch für Gott.
Wer ist Gott? Als Konfirmand habe ich mich sehr bemüht, die doch recht schwierige Antwort aus dem alten Pfälzer Katechismus auswendig zu lernen.
„Was sind die Eigenschaften Gottes?“ wurde da gefragt. Und die Antwort, die wir lernen mussten, lautete: „Gott ist ewig und unveränderlich, allmächtig und allgegenwärtig, allwissend und allweise, gütig und gerecht, treu und barmherzig, gnädig und wahrhaftig.“
Wenn man das auswendig gelernt hatte, schien man ganz genau zu wissen, wer Gott ist. Viele Glaubenskriege wurden geführt, weil man ganz genau zu wissen meinte: So ist Gott. Punkt. Und wenn Gott so ist, dann gibt es nur eine Art zu glauben. Und die ist richtig. Und weil mein Glaube richtig ist, muss alles, was sich davon unterscheidet, falsch sein. Und was falsch ist, muss ich bekämpfen.
Dieses Entweder – Oder war auch bei den Korinthern sehr stark ausgeprägt:
Korinth war damals eine große Handelsstadt, der Dreh- und Angelpunkt für das ganze östliche Mittelmeer. Eine Stadt, in der das Leben pulsierte. In der Menschen aus Ost und West zusammentrafen. In der Kulturen aufeinanderprallten. Und mittendrin eine christliche Gemeinde, die diese bunte Vielfalt widerspiegelte.
Da gab es soziale Konflikte; eigentlich wollten die reichen Handelsherren nicht wirklich etwas mit den armen Sklaven zu tun haben. Was kümmerte es sie, dass die Sklaven erst ihre Arbeit beenden mussten, bevor es ihnen erlaubt war, den Gottesdienst mit Abendmahl und Abendessen zu besuchen.
Die Stadt war so zentral gelegen, dass nacheinander auch alle Größen der frühen Kirche hier auftauchten. Aber das, was Petrus predigte, unterschied sich von dem, was Paulus sagte. Petrus achtete z. B. auch als Christ genau darauf, was er aß – er befolgte also sehr genau die jüdischen Speisegebote. Paulus dagegen überhaupt nicht, er war ja bekanntlich der Prediger der Freiheit, und schon ging es los: Wer hat recht? Wie sollen wir leben – so oder so?
Und schließlich gab es Auseinandersetzungen über die Frage: Wer gilt mehr in der Gemeinde: der gut predigen kann? Oder einer, der gut betet? Oder ist nicht der wichtiger, der für andere sorgt? Der das Essen kocht?
Und bei jeder Diskussion stand die Frage im Hintergrund: Wenn wir so verschieden sind, wenn unser Glaube so unterschiedlich ist – sind wir dann noch eine Gemeinde?
Mitten in diese Auseinandersetzungen hinein geriet nun Paulus. Ahnen Sie, weshalb er gerade in Korinth die Dreieinigkeit, die Trinität betont?
Wer ist Gott, und wenn ja, wie viele?
Was ist das also, Trinität? Dreieinigkeit?
Trinität bedeutet: Gott begegnet uns auf dreifache Weise; Sie kennen das aus dem Apostolischen Glaubensbekenntnis: er begegnet uns als Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Gott begegnet uns als der Vater, der uns Menschen und diese großartige Welt geschaffen hat und erhält
Gott, der Vater und Schöpfer der Welt ist unsichtbar. Es ist absolut unmöglich für einen Menschen, ihn zu sehen.
Gott begegnet uns aber auch in Jesus Christus. Jesus war ein Mensch zum Anfassen, ein Mensch wie du und ich. Er wurde von Maria (vielleicht auch von Joseph, wir wissen es nicht) gewickelt – undenkbar für Gott, den Vater. Jesus hat Hochzeiten mitgefeiert. Er hatte Freunde und Feinde, mit denen er sich heftigste Wortgefechte lieferte. Er hat Menschen berührt und nicht nur beim Abendmahl Brot und Wein mit ihnen geteilt. Er starb einen unendlich qualvollen Tod. Keine Spur von Ewigkeit. Nur 33 Jahre Leben. 33 Jahre Gott zum Anfassen.
Und dann der Heilige Geist, wieder ganz und gar nicht zum Anfassen, wie schon der Name sagt. Die Pfingstgeschichte versucht, ihm in Bildern beizukommen: Eine Kraft wie ein Sturmwind, der Menschen bewegt. Eine Wärme wie Feuer, kein Feuer, das zerstört, sondern ein Feuer, das von innen heraus den Menschen erfüllt und begeistert. Und wir wissen, dass Sturmwind und Feuer nur Bilder sind, Versuche, in Worte zu fassen, was sich eigentlich nicht in Worte fassen lässt.
Merken Sie: Gott tritt uns in drei völlig unterschiedlichen Gestalten entgegen. Gott über uns, Gott in Jesus Christus vor 2000 Jahren, Gott in uns heute. So völlig verschieden erscheint uns der EINE Gott.
Was folgt daraus?
Die Dreieinigkeit oder Trinität zeigt uns Gott in seiner Vielfalt. Man kann also nicht mehr sagen: Gott ist so, oder so, oder so. Wer die Trinität ernst nimmt kann Gott nicht mehr in Schubladen stecken. Und wer Gott nicht mehr in Schubladen stecken kann, der kann auch die Menschen, die an ihn glauben, nicht mehr in Schubladen stecken.
Wenn Gott sich uns auf so unterschiedliche Weise zeigt, dann dürfen auch die, die an ihn glauben, ihren Glauben auf ganz unterschiedliche Weise leben.
Man wünscht sich ja manchmal, dass alle so denken und leben wie man selbst, weil man hofft, das Leben dann würde einfacher. Aber stellen Sie sich vor, Sie wären alle wie ich – schrecklich!
Wenn man dem Gedanken der Dreieinigkeit folgt, könnte man von versöhnter Verschiedenheit sprechen: Unterschiedlich, aber doch auch versöhnt mit den Unterschieden, so dass keiner dem anderen seinen Glauben abspricht.
Konflikte müssen dabei nicht ausgeblendet werden. Im Gegenteil. Über Meinungsverschiedenheiten muss man reden, und zwar in einer Sprache, die nicht ausgrenzt und abwertet, sondern alle mit einbezieht. In einer Form, die den anderen achtet. Mit Gesten, die Offenheit füreinander signalisieren. Man hält Meinungsverschiedenheiten aus und sagt einander die Wahrheit, weil man sich eins weiß in dem dreieinigen Gott – das ist und bleibt eine Herausforderung.
Also weg mit allen diffamierenden und diskriminierenden Aussagen! Gesellschaftliche und politische Fehden haben in einer Gemeinde, die vom dreieinigen Gott geprägt ist, nichts zu suchen. Trotzdem kann man Klartext reden, wie ja auch Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist jeweils ihre besondere Aufgabe und Verantwortung haben.
Mit diesem Briefschluss segnet Paulus die Gemeinde in Korinth, die es ihm und sich so schwer macht mit ihren Auseinandersetzungen. Er sucht eine Antwort auf die Frage: Wer seid ihr als Gemeinde, und wenn ja, wie viele? Er sucht die Versöhnung und Einheit der Gemeinde, nicht um irgendein Dogma zu erfüllen. Er sucht Versöhnung und Einheit, weil seiner Meinung nach darin etwas sichtbar wird sowohl von der lebendigen Vielfalt wie auch der Zusammengehörigkeit des dreieinigen Gottes.
Und noch etwas: Die Auseinandersetzungen in der Gemeinde in Korinth, schmerzhaft wie sie waren, haben die Kirche lange Zeit geprägt, weil im Zuge dieser Diskussionen viele Fragen gestellt wurden, die für die Kirche wichtig waren. Im Nachhinein muss man sagen: Diese Konflikte haben die Kirche entscheidende Schritte vorangebracht!
Und auch hier wieder eine Parallele zur Trinität: Gott, der Vater, begegnet uns seit der Erschaffung der Welt. Jesus, der Christus, wurde im Jahr 4 v. Chr. geboren. Der Heilige Geist ist seit Pfingsten unter uns. Jeder von ihnen hat mit seiner speziellen Aufgabe zu seiner Zeit neue Erfahrungen des Glaubens ermöglicht.
Trinität – eins in drei und drei in eins – versöhnte Vielfalt. So hilft uns Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist als Gemeinde lebendig und vielfältig unterwegs zu bleiben.
Amen
Verfasser: Pfarrer Martin Henninger, Philipp-Rauch-Str. 9, 67227 Frankenhal
Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97