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Der dreieinige Gott

von Christiane Braungart (Zentrum Verkündigung der EKHN)

Predigtdatum : 22.05.2016
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Pfingstmontag
Textstelle : Römer 11,(32).33-36
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Wochenspruch:
"Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll." (Jesaja 6, 3)

Psalm: 145 i. A. (EG 756)

Lesungen
Altes Testament: Jesaja 6, 1 - 13

Epistel: Römer 11, (32).33 - 36

Evangelium: Johannes 3, 1 - 8.(9 - 15)

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 454 Auf und macht die Herzen weit
Wochenlied: EG 139 Gelobet sei der Herr
Predigtlied: EG 321 Nun danket alle Gott
Schlusslied: EG 175 Ausgang und Eingang

Predigttext Römer 11, 36 - 38
„O welch eine Tiefe des Reichtums, beides der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas zuvor ihm gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste? Denn von ihm sind und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit. AMEN


Predigt

Liebe Gemeinde,

es sind mehrere Stichworte, die mich bei diesem Predigttext am heutigen Sonntag Trinitatis ansprechen. Diesen will ich gerne nachgehen: Paulus stimmt ein Loblied auf Gott an. Er benennt darin den Ruhm, der Gott alleine zukommt. Paulus spricht auch von der Verborgenheit der Wege Gottes, also auch von den Grenzen unserer Erkenntnis. Nähe, aber auch Distanz Gottes zu uns müssen zur Sprache kommen.

Loben und Rühmen:
„Weißt du wie viel Sternlein stehen an dem hohen Himmelszelt...“, dieses Lied habe ich mir früher immer als Kindergartenkind gewünscht, wenn ich als Geburtstag hatte und die anderen mir ein Ständchen singen sollten. Schon ganz früh also und bis heute ist es so, dass mich die Natur zum Staunen, zum Rühmen, ja zum Singen bringt.

Das kann die schon im Kinderlied beschriebene unzählig große Sternenzahl an einem klaren Nachthimmel sein. Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Nacht in Südfrankreich. Da war der Himmel allein durch das Strahlen der Sterne hell erleuchtet. Ich lag auf dem Gras mitten in der warmen Nacht, die Zikaden zirpten und ich war ergriffen von der Größe, der Unausforschlichkeit des Weltraums: Staunen, Rühmen, Loben.

Ebenso ergreift und berührt mich die Farbenpracht der Blumen. Wo wir es nie wagen würden, gewisse Farben miteinander zu kombinieren, die Natur tut es. Und die Welt ist bunt und schön, ja prächtig anzusehen: „Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen, sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.“ Ja, so ist es wohl.

Ich weiß nun nicht, an welcher Stelle bei Ihnen das Herz an-fängt schneller zu schlagen, wo Sie sich mit hineingenommen fühlen in das Geheimnis der Schöpfung. Ist es das Meeresrauschen mit seiner Unendlichkeit oder die Majestät der Berge, wenn ihre Gipfel schneebedeckt vor uns stehen? Ist es das Erlebnis einer Geburt oder der ewige Zyklus von Säen, Aufgehen, Fruchtbringen und Vergehen Ich denke bei jeder und jedem von uns gibt es solche Punkte, bei denen unser Herz höher schlägt und wir uns der Schöpfermacht Gottes ganz, ganz nahe fühlen.

Doch es gibt auch die andere Seite, wo wir nicht nur Staunen über die Macht des Schöpfers, sondern vor ihr Erschrecken. In unseren gemäßigten Breiten ist eher selten. Wir leiden nicht unter Wirbelstürmen, Hurrikans, extremer Hitze oder extremer Kälte. In unseren Gebieten sind die Vulkane erloschen. Wir finden die Bilder von solch einen Ausbruch vielleicht faszinierend, doch wenn wir in der Nähe eines solch aktiven Vulkans lebten, wenn unser Haus von Lavaströmen verschlungen würde, da würde unser Staunen in fassungsloses Erschrecken übergehen, da würde sich unser Rühmen und Preisen in Klage wandeln. „Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!“

Denken wir manchmal, dass die Macht des Schöpfergottes zwiespältig ist, nicht eindeutig gut, sondern dass sie auch manchmal erschreckende Züge annehmen kann, so glauben wir bei seinem Sohn, Jesus Christus, nicht solchen Abgründen begegnen zu müssen. Wie er schuldig gewordenen Menschen begegnet ist, so wünschen wir uns das auch für uns, wenn wir vom rechten Weg abkommen, wenn wir manchmal sogar gegen unsere eigenen Überzeugungen denken und handeln. Da wünschen wir uns einen, der uns nicht gleich mit Vorwürfen überschüttet, uns demütigt und kränkt, sondern uns mit einem Lächeln die Hand entgegenstreckt und uns die Richtung in ein neues Leben weist. Einladend und freundlich kommt seine Vergebung von Schuld daher, so einladend, dass wir ihr immer wieder gern Folge leisten.

Er, der Sohn Gottes, hat uns den Allmächtigen, den Herrscher Himmels und der Erde so nahe gebracht, dass wir nicht in Angst und Schrecken vor ihm erstarren sollen, sondern voller Vertrauen zu ihm sprechen können: „Abba, lieber Vater...“
Das ist Grund zu Lob und Dank.

Doch auch in Jesu Auftreten gibt es bei näherem Hinsehen und Hinhören Dinge, die uns irritieren. Es gibt Äußerungen in seiner Botschaft, die uns in ihrer Konsequenz erstaunen, wenn nicht gar erschrecken: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; Ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen... denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“, so die Einleitung zu den sogenannten Antithesen. Jesus wollte die 10 Gebote nicht nur befolgt, sondern in ihrem Kern erfüllt sehen. Und so sagt er: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töten; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig werden. Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz, der ist des Hohen Rats schuldig, wer aber sagt: Du Narr, der ist des höllischen Feuers schuldig ... Ihr habt gehört, das gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen…“

Und an anderer Stelle im Matthäus-Evangelium heißt es: „Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben...“

Vorbei ist es bei den meisten von uns mit dem Empfinden, dass uns hier jemand ganz und gar wohlwollend und freundlich begegnet. Was uns hier begegnet ist eine radikale Botschaft, eine herausfordernde Botschaft, die uns herausrufen will aus unserem menschlichen Denken und Empfinden. Da schaut uns Jesus Christus zwar noch freundlich an, aber auch sehr ernst und fragt uns nach unserer Radikalität und unserer Konsequenz, wenn wir uns seine Jünger und Jüngerinnen nennen.

„Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!“

Und auch wie er in manchen Gleichnissen von Gott spricht, den wir doch Vater nennen sollen und dürfen, das stellt z.B. unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit auf den Kopf. Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg wird allen zum Schluss der gleiche Lohn ausgezahlt, gleichgültig wie lange man im Weinberg gearbeitet hat. Keiner kann mir erzählen, dass das in unseren Augen nicht auch als ärgerlich und anstößig empfunden wird. „Oder wer hat ihm etwas zuvor ihm gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste?“ Das ist harte Kost, wenn man sich jahrelange intensiv in einer Kirchengemeinde engagiert hat und nun einer ganz frisch dazukommt und dem die Herzen zufliegen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit, die Wertschätzung!?

Am letzten Sonntag haben wir das Pfingstfest gefeiert, Gottes Macht und Energie gedacht, wie sie damals über die Jünger kam und bis heute die Kirche bewegt und beflügelt. Mit dem Wind wird der Geist Gottes verglichen, als Tröster wurde er verheißen, er soll uns in alle Wahrheit leiten, so ist es verkündigt.

Und in der Tat, so ist es geschehen und so geschieht es im-mer wieder. Wir erleben, dass die Kirche, die Gemeinschaft der Gläubigen sehr viel mehr ist als unser menschliches Bemühen und Können, dass da ein anderer Geist einziehen muss, oder Gottes Geist unseren Geist beflügeln, ihm immer wieder aufhelfen muss. Ansonsten ist die Kirche eine rein menschliche Veranstaltung, eine Organisation, die mehr schlecht als recht ihr Dasein fristet.

Gottes Geist als Tröster, auch das dürfen wir erfahren, wenn wir in unserem Glaubensleben oder in unserem ganz persönlichen Leben an unsere Grenzen stoßen, an die Grenzen des Verstehens, an die Grenzen der Leidensfähigkeit. Da kommt uns manchmal ganz persönlich Gott mit seiner Kraft und seinem Geist zu Hilfe, tröstet uns wie einen eine Mutter tröstet und hilft zum Leben.

Und da ist der Geist, der uns in alle Wahrheit führen will. Manchmal mühen wir uns darum, Gottes Wege zu verstehen, doch sie sind uns verschlossen, manches Bibelwort bleibt sperrig, entzieht sich unserem Verstehen, obwohl wir ahnen, dass es uns etwas sagen, etwas geben möchte.

Und dann, vielleicht durch eine Predigt oder durch ein Gespräch, durch eine Begebenheit in einem ganz anderen Zusammenhang wird etwas erhellt, was zuvor im Dunkeln gelegen hat, wird verständlich, was vorher nur Anlass zu Fragen und Zweifeln gab.

Doch auch der Geist Gottes ist nicht auf Flaschen zu ziehen, damit wir ihn begreifen können, um ihn je nach Bedarf öffnen, um ihn in dieser oder jener Form zu genießen.

Wie heißt es noch im Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus: „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, wohin er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.“
Der Geist schenkt den Glauben, doch was machen wir, wenn sich der Geist verweigert zu wehen, wenn wir glauben möchten und es doch nicht können? Oder wir erleben müssen, dass der Geist ganz woanders weht, in Kreisen und Gruppen, die uns eher suspekt erscheinen. Da stehen wir da mit unserem Bemühen, erleben aber keinen Fortschritt, und dort blüht und gedeiht das Gemeindeleben als wäre es in besonderer Weise gesegnet.

Manchmal kommt das tröstende Wort, die tröstende Geste zur rechten Zeit. Doch manchmal bleibt das alles aus und wir fühlen uns allein und verzweifelt. Oder wir erleben, dass sich Menschen um uns herum, um Trost bemühen, doch unser Schmerz, unser Leid so groß sind, dass ihre Worte, ihre Gesten uns nicht erreichen.

Wir möchten Gott verstehen und begreifen, seine Wahrheit ergründen, und manchmal gelingt es uns durchaus etwas von ihm, von seiner Größe und Macht, von seiner Barmherzigkeit und Liebe zu verstehen. Und so können wir nicht anders, als ein Lob- und Danklied anzustimmen.

Doch ein andermal bekommen wir die unterschiedlichen Seiten Gottes nicht zusammen, die dunkle Schöpfermacht auf der einen Seite, die sich uns in Naturkatastrophen zeigt und auf der anderen Seite die bedingungslose Liebe, die uns sein Sohn gezeigt und verkündigt hat. Dann steht unser Verstand still, unser Herz klopft aufgeregt und uns fehlen die Worte.

Luther hat einmal sinngemäß gesagt: Wenn dich die dunkle Seite des Schöpfergottes ängstigt, dann flüchte dich in die Arme des liebenden Sohnes. Das hilft wohl dem verängstigten Menschen, aber dem Menschen, der verstehen will, warum der eine Gott hier zerstört, wo er auf der anderen Seite aufrichten und trösten will, dem hilft es nicht.

Die Lehre von der Dreifaltigkeit, von der Trinität, die wir am heutigen Sonntag bedenken und feiern wollen, versucht die unterschiedlichen Gotteserfahrungen, die wir als Menschen machen, sozusagen unter das Dach eines Gebäudes zu bringen. Es betont, dass alle Erfahrungen mit Gott, so unterschiedlich sie auch sein mögen, doch Erfahrungen mit dem einen Gott sind. Unterschiedliche Erfahrungen dürfen nicht dazu führen, den Vater gegen den Sohn und den heiligen Geist gegen den Sohn oder den Vater auszuspielen. Wir glauben nicht an drei Götter, wie die Muslime meinen, sondern an den einen Gott, in unterschiedlicher Gestalt.

Ich weiß, die Trinitätslehre ist eher Theologenkost und sie ist ja auch eine Lehre, ein Dogma, das sich so im Neuen Testament nicht findet. Aber er war berechtigt, ja notwendig sie aufzustellen und an ihr bis heute festzuhalten als einem charakteristischen Wesensmerkmal christlichen Glaubens. Denn diese Lehre versucht unsere unterschiedlichen Erfahrungen mit Gott, wie ich Sie versucht habe darzulegen unter eine Lehre, unter einen Hut, unter das Dach eines Gebäudes zu bringen. Das ist das Bestreben unseres Verstandes, der in Glaubensdingen durchaus eine Rolle spielt. Die Trinitätslehre ist ein Erfordernis des Nachdenkens über unterschiedliche Gotteserfahrungen, die wir machen.

Und doch bei allem Nachdenken, bei aller Anstrengung, Gott zu erfassen, darf es nicht dazu kommen, dass wir glauben, wir könnten Gott fassen.
Gott offenbart sich uns, er nähert sich uns und dennoch muss er ein Gegenüber bleiben, manchmal auch ein dunkles Gegenüber. „Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas zuvor ihm gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste?“

Mensch und Gott müssen sich im richtigen Abstand begegnen, damit der Mensch Mensch und Gott Gott bleibt. Die Tri-nitätslehre versucht dem Geheimnis Gottes etwas auf die Spur zu kommen, sie darf aber das Geheimnis Gottes nicht versuchen zu lüften, sondern muss es achten.

Wir können Gott nicht umfassend erkennen, aber er lädt uns ein, ihm dort zu begegnen, wo er sich zu erkennen ergeben hat, in Jesus Christus.

Und so komme ich doch wieder auf das Kinderlied vom Anfang zurück: „Weißt du wie viel Sternlein stehen“, so beginnt es, und es beginnt damit beim Staunen und es mündet im 3. Vers in die Aussage: „Kennt auch mich und hat mich lieb“.
Der Allmächtige, der Schöpfer Himmels und der Erde, kennt mich und hat mich lieb. Sich daran festzuhalten im Staunen und im Erschrecken über Gott, das ist es, was uns zum Leben helfen will, was uns letztlich zum Rühmen führt.

Und noch einmal hören wir darauf, wie Paulus dies zusammenfasst:
„O welch eine Tiefe des Reichtums, beides der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas zuvor ihm gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste? Denn von ihm sind und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit. AMEN



Verfasserin: Pfarrerin Dr. Christiane Braungart
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