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Der dreieinige Gott, heilig und gnädig, unverfügbar und doch nah

von Karsten Müller (39104 Magdeburg)

Predigtdatum : 30.05.2010
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Pfingstmontag
Textstelle : Römer 11,(32).33-36
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Wochenspruch:

„Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.“ (Jesaja 6, 3)

Psalm: 145, 8 – 13

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 6, 1 – 13
Epistel:
Römer 11, (32) 33 – 36
Evangelium:
Johannes 3, 1 – 8 (9 – 15)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 140
Brunn alles Heils
Wochenlied:
EG 139
Gelobet sei der Herr, mein Gott
Predigtlied:
EG 288
Nun jauchzt dem Herren, alle Welt
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott

O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!
34 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?« (Jesaja 40, 13)
35 Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste?« (Hiob 41,3)
36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

Liebe Gemeinde,

jede und jeder von uns hat eine Vorstellung von Gerechtigkeit. Wir wissen auch, dass Recht haben nicht gleichbedeutend ist mit Recht bekommen. Das fällt vor allem immer dann auf, wenn ein Gericht ein Urteil gefällt hat, das formal nicht zu beanstanden ist, bei dem aber das Gefühl zurückbleibt, dass es nicht gerecht sei. Eine Supermarktkassiererin verliert ihre Arbeit und wird in ihrer Existenz bedroht, weil sie einen Bagatellbetrag deutlich unter 5,00 Euro (nicht absichtlich) unterschlagen hat. Manager und Banker, die Milliardenverluste zu verantworten haben, bekommen die ihnen formal zustehenden Boni ausgezahlt (deutlich über 5 Euro und einem zehntausendfachen Vielfachen davon). Ist das gerecht? Nein, das ist nicht gerecht, wird dann oft gesagt und nicht selten mit einem Schulterzucken hinzugefügt: Aber das ist eben so. Da kann man nichts machen.

Die Themen Recht und Gerechtigkeit sind uns als Christinnen und Christen darum so nahe, weil es in unserem Verhältnis zu Gott auch um Gerechtigkeit, Ausgleich und schließlich auch um Gericht geht. Wir haben vorhin die Geschichte von Jesus und Nikodemus gehört, das Gespräch zweier jüdischer Männer bei Nacht. Im Judentum ist das Verhältnis Gottes zu seinem Volk durch 248 Gebote und 365 Verbote geregelt. Und manche fromme Juden glauben, dass Gottes Reich dann anbricht, dass der Messias dann kommt, wenn alle Juden auf der Welt diese Ge- und Verbote zugleich einhalten würden.

In dieser Vorstellung spiegelt sich etwas wider, was auch durch unseren Text durchscheint: Menschen können das nicht „machen“, herbeizwingen oder erreichen. Wenn wir über Gott nachdenken, seinem Wesen auf der Spur sind, wie heute am Sonntag Trinitatis, dann gehört diese Einsicht immer mit dazu: Die Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes können wir als Menschen nicht ausloten.

Auf der anderen Seite ist aber auch festzuhalten, dass diese Tatsache nicht dazu dienen darf, sich aus der Verantwortung zu stehlen oder Ungerechtigkeiten zu rechtfertigen. Wenn Menschen Unrecht geschieht, sie ausgebeutet und/oder unterdrückt werden, man sie ihrer Menschenwürde beraubt, dann ist das nicht gottgewollt, sondern menschengemacht. Zur Wahrheit gehört ja auch, dass der unbegreifliche und unergründliche Gott uns eben genau in dem geschundenen Nächsten gegenübertreten kann. Weichen wir hier aus und verweigern Hilfe und Solidarität, müssen wir uns vielleicht nicht wundern, wenn Gott uns hin und wieder so fern und fremd vorkommt.

Es ist immer Vorsicht geboten, wenn scheinbar allzu klar von Kanzeln herab oder aus Traktaten heraus verkündet wird, was Gottes Wille ist. »Wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?«, fragt Paulus in Anlehnung an eine Stelle aus dem Jesajabuch. Auch hier ist wieder wichtig, diesen Satz nicht als Abwertung menschlichen Geistes und seiner Fähigkeiten zu hören, sondern als möglichst nüchterne Feststellung der Realität. Wer von uns war am ersten Schöpfungstag dabei? Von dieser Frage her ist zu denken.

Es kommt darauf an, dass wir uns als Menschen zu Gott in das rechte Verhältnis setzen, dass wir uns begreifen als Geschöpfe im Verhältnis zum Schöpfer oder auch als Kinder im Verhältnis zum Vater oder eben auch zur Mutter, weil Gott uns ja auch trösten kann, wie einen seine Mutter tröstet.

Diese Verhältnisbestimmung kann unterschiedliche Folgen haben. Sie kann Menschen durchaus auch von Gott entfremden, weil sie sich eben nicht als abhängige Geschöpfe fühlen wollen, sondern frei sein in ihren Entscheidungen und in ihrem Lebensgefühl. Auch das Bild von den Kindern in ihrem Verhältnis zu Mutter oder Vater ist ja auch nicht so ganz ungetrübt, sondern manchen Belastungen ausgesetzt.

Aber es geht hier nicht um das Beschreiben von Abhängigkeiten oder das Zementieren von Unmündigkeiten, bei denen der moderne Mensch – oder der, der sich dafür hält – „Nein, danke!“ ruft. Wir müssen selbstkritisch zugeben, dass wir als Kirche, als Gemeinde nicht ganz unschuldig sind an diesem Missverständnis: Lange, zu lange haben wir selbst in Predigt und Erziehung einen Gott verkündigt, in dessen Schatten Menschen sich nicht aus Abhängigkeiten lösen können, weil Gott als Garant dafür angesehen wurde, dass möglichst alles blieb wie es war. Diese Vermittlung eines uns heute selbst fremden Gottesbildes hat Nachwirkungen bis heute, z. B. die, dass große Teile der Gesellschaft, u. a. die Arbeiter sich von der Kirche gelöst haben und nur schwer von unserer Botschaft zu erreichen sind.

Bei Paulus mündet die Reflexion über Gott nicht in Anfrage, Klage oder in den Versuch einer Abnabelung ein, sondern in ein großes Gotteslob: „Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“ Das klingt groß und gewaltig, aber macht es nicht genau dadurch den Menschen klein und abhängig?

Nein, hier werden nicht alte Abhängigkeiten und Unfreiheiten zementiert. Hier wird deutlich zur Sache gesprochen, hier eröffnet sich neue Freiheit, hier kann man nicht anders, als für diese Klarheit Gott selbst zu preisen.

„Von Gott sind alle Dinge“, das sagt aus, dass Gott der ist, den wir bekennen: der Vater, der Schöpfer des Himmels und der Erde. Wir können ihn auch Herren der Geschichte nennen, der hinter allem steht, was wir da verstehen und nicht verstehen, der manchmal so klar seine Hand im Spiel zu haben scheint und manchmal scheinbar ganz abwesend ist.

Wir fragen oft beim Blick zurück: „Wie konnte Gott das zulassen?“ Auf diese Frage können wir keine erschöpfende Antwort finden, aber es kann einem aus dem Gefängnis dieser Sackgasse befreien, wenn man sich einmal vor Augen führt, dass nichts, was geschieht, ohne Sinn ist. Nicht mit der Absicht, alles klaglos zu erdulden, wohl aber mit dem Gedanken, Trost zu finden bei Vorgängen, die sich nicht erklären, die sich uns nicht erschließen. Auch der Trost ist kein Selbstzweck, sondern er befreit und stärkt uns, um Wege aus gedanklichen oder realen Sackgassen des Lebens zu finden.

Die Verhältnisbestimmung von Menschen zu Gott führt uns nicht in neue Abhängigkeiten, sondern in eine neue Qualität von Freiheit: „Durch Gott sind alle Dinge...“ – nicht nur das, was war, sondern auch das, was ist. Gott ist nicht nur der Herr der Geschichte, ein alter Mann vielleicht, bei dem wir uns nicht ganz sicher sind, ob er nicht doch schon tot ist.

Nein, Gott ist bei uns alle Morgen neu, er umgibt uns, er ist jetzt in besonderer Weise bei uns in seinem Wort und manchmal ganz eindrücklich in Brot und Wein. Wenn wir sagen: Gott ist bei uns, dann bedeutet das nicht nur, dass er acht auf uns hat, sondern vor allem, dass er unsere Existenz, unser Schicksal teilt. Was Menschsein bedeutet, wie es einem Menschen zumute ist, in welche entsetzlichen Situationen ein Menschenleben münden und enden kann, das weiß Gott ganz genau. Er weiß es aber nicht aus der Rolle eines Zuschauers, sondern er hat es am eigenen Leib erfahren in der Gestalt seines Sohnes Jesus.

Gott hält uns nicht in einer Abhängigkeit, er teilt mit uns sein Leben, er teilt unser Leben, lässt sich auf unser Menschsein ein. Es ist nicht nur so, dass Gott uns in diesem Leben begleitet, das wir im Moment und bis zu einem Ende unserer Tage auf Erden leben. Nein Gottes Begleitung, seine Anteilnahme, sein Bund mit uns reicht über unsere jetzige Existenz hinaus: Zu Gott sind alle Dinge. Von ihm, durch ihn, zu ihm – das ist mehr als ein ewiger Kreislauf der stets gleichen Dinge. Gott verdanken wir unser Leben. Wir sind seine Geschöpfe. Mit Gottes Begleitung, mit ihm im Bund, geleitet durch sein Wort, gestärkt durch seine Gegenwart Brot und Wein sind wir auf dem Weg unseres Lebens. Dieser Weg hat ein Ziel: Zu ihm hin, zu Gott hin sind alle Dinge – und darum wir auch. Was das bedeutet, hat Paul Gerhardt im Lied: „Ich bin ein Gast auf Erden“ (EG 529) aufgeschrieben, in dessen 11. Strophe es heißt: „Du aber, meine Freude, / du meines Lebens Licht, / du ziehst mich, wenn ich scheide, / hin vor dein Angesicht / ins Haus der ewgen Wonne, / da ich stets freudenvoll gleich wie die helle Sonne / mit andern leuchten soll.“
Unser Leben hat eine klare, deutliche Perspektive über den Tod hinaus: Gott, nach dessen Willen wir leben, mit dessen Wort wir leben, der wird uns auch begleiten und in den Arm nehmen, wenn unsere Zeit auf Erden abgelaufen ist. Diese Sicht auf unser Leben darf nicht dazu dienen, Abhängigkeiten und Ungerechtigkeiten zu zementieren oder zu rechtfertigen: Halte nur getrost aus, im Himmel hast du es dann besser. Nein: So wenig, wie es darum gehen kann, den Himmel auf die Erde zu holen, so wenig kann es darum gehen, das alles so bleibt wie es ist, wenn Menschen die Zustände als unerträglich und ungerecht empfinden.

Die Perspektive unseres Lebens auf Gott hin schafft aber eine große Befreiung: Wir können in unserem Tun und Lassen, in Einschätzungen und auch Empfindungen gelassen sein, weil der Zusammenhang des Lebens für uns ein anderer ist als für Zeitgenossen, die von einer Gottesbeziehung nichts wissen.

Von dem im letzten Jahr verstorbenen Magdeburger Altbischof Werner Krusche stammt ein Satz, der das klar sagt: Wir Christen sind nicht besser, aber wir haben es besser.

Wir haben es besser, weil wir uns in einen größeren Zusammenhang einordnen können, wir haben es besser, weil wir nicht allein sind im Leben, wir haben es besser, weil wir einen Vater im Himmel haben. Man kann eigentlich nicht anders, als dafür ein großes Lob anstimmen: „Dem Gott von dem her, durch den und zu dem alle Dinge sind, ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“

Verfasser: Provinzialpfarrer Karsten Müller, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf

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