Der Einzug des Königs
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
24.03.2002
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Judika
Textstelle
:
Hebräer 12,1-3
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Wochenspruch:
Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. (Johannes 3,14b.15)
Psalm: 69,2-4.8-10.21b.30 (EG 731)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 50,4-9
Epistel:
Philipper 2,5-11
Evangelium:
Johannes 12,12-19
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 78
Jesu Kreuz, Leiden und Pein
Wochenlied:
EG 87
Du großer Schmerzensmann
Predigtlied:
EG 91
Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken
Schlusslied:
EG 164
Jesu, stärke deine Kinder
Liebe Gemeinde!
Das Telefon klingelt. Ein Freund ist am Apparat. Er kommt gleich zur Sache: Du, bei mir geht nichts mehr. Ich bin leergelaufen wie ein Wasserfass, das einen Riss im Boden hat. Ich habe keine Kraft mehr zum Beten, ich habe keine Kraft mehr zum Glauben. Ich bin es leid, dass die Nachbarn hinter mir hersehen und tuscheln: Da geht er, der Jesus. Ich mag nicht mehr immer und überall danach fragen, ob Gott damit einverstanden ist. Ich mag nicht mehr meinen Weg in die Kirche gehen, wenn alle anderen zum Frühschoppen, zur Handballabteilung, zum Volkswandern gehn. Ich mag nicht mehr mich um Menschen kümmern, die mit mir gar nichts zu tun haben. Ich bin es leid, dass ich mir Gedanken machen muss um alles Unrecht um mich herum. Weißt du, was ich möchte, ich möchte einmal sein wie alle anderen auf den Tag losleben, mir keine Gedanken machen und zusehen, dass ich meine Dinge so recht und schlecht über die Runden bringen kann.
Wie gut kann ich diesen Freund verstehen! Ich denke, dass mancher unter uns ihn auch verstehen kann. Wir kennen die Müdigkeit im Glauben, wir kennen das Leiden daran, dass wir unseren Weg als Christen oft so schrecklich kompliziert finden. Wir kennen das Resignation darüber, dass sich so wenig bewegen lässt, und dass der Glaube oft nur aus Worten besteht. Wir kennen das Leiden daran, dass wir viele schöne Dinge hören, aber in unserem Leben ist so wenig von diesen Erfahrungen zu sehen.
Was sagen wir einem Menschen, der so „durchhängt“, was sagen wir einer ganzen Gemeinde, die so müde geworden ist auf dem Weg des Glaubens?
Eine Antwort könnte heißen: Nimm’s doch nicht so schwer! Seid doch nicht so trübsinnig! Du darfst das alles nicht so verbissen sehen! Solche Antworten haben mir nie geholfen. Ich habe es immer schlimm gefunden, wenn es mit dreckig ging und dann kommt einer mit Werbelächeln und sagt: nimm’s leichter!
Eine andere Antwort: Man muss eben Kompromisse machen. Das ganze Elend kommt daher, dass Du den Glauben an Jesus zu eng siehst. Schau doch, es gibt so viele Christen, die haben kein Problem damit, dass sie nicht in den Gottesdienst gehen, die haben kein Problem damit, dass sie nicht beten, die haben kein Problem damit, dass sie mit ihrem Geld machen, was sie wollen, dass sie mit ihrer Zeit machen, was sie gerade wollen, dass sie mit ihren politischen Überzeugungen machen, was sie gerade wollen. Die leben nach dem Lustprinzip. Warum machst du es nicht wie sie? Häng halt deine hohen Maßstäbe ein wenig niedriger.
Ich kann das so nicht sagen dann käme ich mir vor, als würde ich sagen: Man kann Gott dienen und dem Mammon, man kann ein bisschen Christ sein und ein bisschen auch nicht. Nein, diese Antwort ist verbaut. Die Probleme kommen nicht daher, dass einer ein zu enges Gewissen hat sie kommen daher, dass das Leben mit Christus, wenn es ernst wird, immer in Anfechtung und Auseinandersetzung hineinstellt. Das kann doch nicht der Weg sein, dass ich jemand sage: Hör auf, Christ zu sein, dann sind deine Schwierigkeiten weg.
Was aber dann? Im Neuen Testament werden in der gleichen Lage einmal ganz bestimmte „Ratschläge“ gegeben. Diese Ratschläge will ich uns jetzt vorlesen:
1 Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, 2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. 3 Gedenkt an den, der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.
Ich fasse einmal in drei Sätze zusammen:
1. Lauft nicht mit Hut, Mantel und Koffer
2. Lauft nicht in jedem Wettbewerb, aber in eurem richtig
3. Lauft hinter dem einen her, der die Bahn bestimmt.
1. Lauft nicht mit Hut, Mantel und Koffer
In diesen Wochen werden wieder überall Stadtmarathon-Läufe gestartet. Da stehen ein paar tausend Leute, die sich für den Start fertig machen. Und dann kommen noch einige dazu: Sie haben Hut und Mantel an und jeder schleppt noch einen großen Koffer mit. ‚Wollt ihr auch mitlaufen?’ fragen die anderen. ‚Ja. wir wollen auch mitlaufen!’ – ‚Aber dann müsst ihr euch doch fertig machen gleich geht es los. Auf, zieht euch um.’ – ‚Wieso denn wir haben doch alles: Hut, Mantel und Koffer, wieso sollen wir uns fertig machen?’
Das ist eine Szene wie aus einem Witz, und wahrscheinlich würde jeder sagen: Bei denen geht die Uhr falsch. Aber bieten wir nicht oft dieses Bild: Wir wollen Christen sein. Wir wollen mit Jesus und nach seinem Wort leben aber wir wollen auf den Weg mit Jesus alles mögliche mitnehmen: Wir wollen unsere schlechten Gewohnheiten unverändert beibehalten. Wir wollen uns nicht reinreden lassen in unseren Lebensstil. Da fragt jemand: Was hat das denn mit Jesus zu tun, dass ich mein Leben nach dem Lustprinzip „Was ich sehe, muss ich haben“, gestalte? Wir wollen uns nicht reinreden lassen in unseren Umgang mit der Wahrheit. Wir wollen uns nicht reinreden lassen in unseren Überfluss. Nein, das alles wollen wir behalten. Und so schleppen wir es mit auf unserem Weg und merken nicht, dass wir darüber müde werden.
Wer laufen will, der darf sich nicht mit Hut, Mantel und Koffer auf den Weg machen. Wer mit Jesus unterwegs sein will, der muss loslassen können: der muss sich lösen können von seiner alten Zeitplanung, die er allein bestimmt hat; der muss sich lösen können von seinen alten Gewohnheiten, die schon seit früh festgefahren sind; der muss sich lösen können von der Frage nach der Anerkennung durch die Umwelt: ob denn das so in die Vorstellung passt, die man sich von Christen so macht. Wer mit Jesus unterwegs sein will, der muss sich lösen können von dem Gedanken, dass in der Gemeinde immer alles beim Alten bleiben muss.
Lasst uns ablegen, was uns beschwert und die Sünde, die uns anhaftet, heißt es im Hebräerbrief. Ja, auch Sünde muss abgelegt werden wie ein Koffer, wie ein Mantel beim Start. Muss? Wir sind es doch gewöhnt: Sünde wird vergeben, immer neu vergeben. Aber die Vergebung stellt uns ja in eine neue Wirklichkeit, die auch gelebt werden will. Ich habe jahrelang in meinem Bücherschrank ein Buch gehabt, das war geliehen. Aber es gehörte nicht mir. Da ist mir eines Tages aufgegangen, dass mich das Gott gegenüber blockiert, mein Beten belastet. Ich brauchte für das Buch nicht Vergebung. Ich musste hingehen und es zurückbringen zum Besitzer. Erst da wurde ich an dieser Stelle frei. Lasst uns die Sünde ablegen, die an uns haftet das sind solche konkreten Schritte der Lebensänderung. Wer mit Hut, Koffer und Mantel läuft, der wird keinen Stadtmarathon durchhalten und auch nicht den Weg mit Jesus: dazu müssen wir uns mit leichterem Gepäck und leichterer Ausrüstung begnügen.
2. Lauft nicht in jedem Wettbewerb, aber in eurem richtig.
Das kann einen ja auch fix und fertig machen, wenn man sich für alles zuständig fühlt: Ich bin verantwortlich für und dann kommt die lange Litanei der Ämter und Aufgaben. Da braucht einer schon fast einen Sekretär, um seine Titel und Pöstchen auseinander zu halten. Das ist so ähnlich - und darum kommt mir dieses Bild wie in einem Stadion. Da tritt einer bei allen Wettbewerben an: Kurzstreckenlauf, Langstreckenlauf, Weitsprung, Hochsprung und am besten noch alles auf einmal.
Der Hebräerbrief hat hier einen Rat: Lasst uns laufen in dem Kampf, der uns verordnet ist, für den wir da sind. Es ist doch seltsam: Schüler gleichen oft Genies. Schüler versuchen immer wieder, völlig verschiedene Sachen auf einmal zu tun: sich zu unterhalten, einen Aufsatz zu schreiben und noch Musik zu hören oder dem Lehrer sehr aufmerksam zu folgen. In der Regel geht das in die Hose. Jesus war kein Genie. Er hat nicht alles auf einmal machen wollen. Er hat nur einen Kampf gekämpft den, der ihm aufgetragen war. Als ihn seine Zeitgenossen für die Revolution gewinnen wollten, hat er dankend abgewinkt. Als sie ihn als Oberrichter wollten, hat er dankend abgewinkt. Als sie ihn als Landwirtschaftsminister wollten, hat er dankend abgewinkt. Er ist seinen Weg gegangen.
Ob es deshalb so viel Müdigkeit unter Christen gibt, weil wir an zu vielen Wettbewerben teilnehmen weil wir meinen, es ginge ohne uns nicht: Weder in der Politik noch in diesem oder jenem Verein, weder im Kirchenchor noch in der Besuchsarbeit, weder in der Friedensinitiative noch im Umweltschutz? Ob es deshalb so viel Müdigkeit gibt, weil wir an zu vielen Stellen kämpfen, an denen Gott das gar nicht von uns will und an den Stellen, an denen er es will, da lassen wir uns hängen?
Mir hat eine alte Frau gesagt: ‚Was Gott uns auferlegt, das hilft er auch tragen. Was wir uns selbst suchen, das lässt er uns alleine bewältigen.’ Es könnte ein Schritt gegen die Müdigkeit sein, wenn wir uns gegenseitig helfen, wesentliche und unwesentliche Aufgaben zu unterscheiden den Kampf, der uns verordnet ist, auch wirklich zu kämpfen.
3. Lauft hinter dem einen her, der der Bahnbrecher ist.
Ich will es einmal ganz schlicht sagen. Dieses Wort ist mir lieb: Lasst uns aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens. Ich habe es wieder und wieder erlebt, dass mich das aus Müdigkeit und Resignation herausgerissen hat, dass ich nichts anderes gemacht habe als die Evangelien gelesen, dass ich nichts anderes gemacht habe, als mir ein Jesusbild angeschaut, dass ich nichts anderes gemacht habe, als mich in sein Leben und Sterben, in sein Wort und seine Weisung zu versenken. Das hat mich immer wieder herausgerissen, dass mir andere Christen in Stunden und Tage der Resignation hinein Jesus vor Augen gemalt haben, dass sie mich erinnert haben an das, was er getan hat, dass sie mir das auf den Kopf zugesagt haben: Das alles hat er für Dich getan!
Manche Exegeten sagen: In diesem Aufsehen auf Jesus steckt eine Änderung der Blickrichtung: ich kann dann nicht mehr auf mich selbst sehen. Ich kann dann nicht mehr an meinen Schwierigkeiten und Ängsten hängen bleiben, an meinen großen und kleinen Problemen, Man muss schon ganz schön schielen können, um gleichzeitig Jesus und sich selbst zu betrachten. Ja, das ist wirklich ein Mittel gegen Müdigkeit, ein Mittel gegen das Erschlaffen der Seele: Aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens!
Er hat doch vor uns schon die Lasten getragen, er hat doch vor uns schon das alles durchgestanden, was uns Mühe macht. Er hat doch auch kämpfen müssen um den Gehorsam, um den Weg des Glaubens. Dass es bei mir manchmal ein Kampf ist, dass es Mühe macht, dass es hart ist das liegt nicht daran, dass ich versage das liegt daran, dass mein Weg hinter Jesus her eben ein Weg des Kampfes ist. Aber er hat diesen Kampf siegreich bestanden, und auch wir sollen ihn siegreich bestehen, wenn wir in seiner Spur laufen.
Ein letztes: Im Hebräerbrief werden keine einzelnen Leute angeredet. Die Müdigkeit der Christen ist kein Einzelfall von problematischen Leuten sie ist die Erfahrung der Gemeinde. Und diese Müdigkeit kann nicht im Alleingang überwunden werden. Wer sich zurückzieht aus der Gemeinde, wer sich zum Einzelkämpfer gegen die Schlaffheit macht, der riskiert zu viel. Es ist kein Zufall dass gerade hier an die Christen vor uns die Wolke der Zeugen erinnert wird: sie haben es nicht leichter gehabt, und sie haben diesen Kampf des Glaubens, diesen Lauf des Glaubens vollendet.
Wohl wahr: Wir stehen im Kampf.- Aber wir stehen nicht allein! Gott stellt uns mit anderen zusammen, damit wir zusammen diesen Kampf bestehen. Die Gemeinde ist so der Ort neuer Ermutigung durch das Bild Jesu und durch das Beispiel derer, die mit uns und vor uns unterwegs sind und das Ziel schon erreicht haben. Amen.
Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg
© Copyright:
Herausgegeben vom

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich
(Bestellformular).