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Der Einzug des Königs

von Klaus Herrfurth (06108 Halle)

Predigtdatum : 20.03.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Judika
Textstelle : Markus 14,3-9
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Wochenspruch:

Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. (Johannes 3,14b.15)
Psalm: 69,2-4.8-10.21b.30 (EG 731)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 50,4-9
Epistel:
Philipper 2,5-11
Evangelium:
Johannes 12,12-19

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 384,1-2
Lasset uns mit Jesus ziehen
Wochenlied:
EG 87
Du großer Schmerzensmann
Predigtlied:
EG 133,
1-2+4+6+9
Zieh ein zu deinen Toren
Schlusslied:
EG 133,8
Du, Herr, hast selbst in Händen

3 Als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. 4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? 5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. 6 Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. 7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. 8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. 9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.

Vorüberlegungen
Die Salbung Jesu wird von allen vier Evangelisten erzählt, jedoch mit bemerkenswerten Unterschieden.
Bei Matthäus (26,6-13) und Markus (14,3-9) kommt Jesus nach dem Einzug in Jerusalem in das Haus Simons des Aussätzigen zu Bethanien, wo eine Tischgesellschaft stattfindet und eine Frau Jesu Haupt mit Nardenöl salbt (so Markus) bzw. mit köstlichem Wasser übergießt (so Matthäus). Bei den Tischgästen erregt es Anstoß, weil man lieber etwas für die Armen tun solle, bei Jesus findet es Anerkennung: Er deutet es auf sein nicht fernes Begräbnis. Verrat und Abendmahl folgen unmittelbar. Dass ein Aussätziger der Gastgeber ist, hat offenbar kein besonderes Gewicht.
Bei Lukas (7,36-50) steht die Salbung nicht im Zusammenhang der Passionsgeschichte, auch der Name Bethanien fehlt, und die Thematik des Aussatzes hat Lukas vermieden, indem er von Simon als einem Pharisäer spricht, der Jesus nicht in gebührender Weise begrüßt hatte. Die Frau, die hier Jesus nicht das Haupt, sondern die Füße salbt, wird als stadtbekannte Sünderin bezeichnet, was Jesus, der sie gewähren lässt, ins Zwielicht rückt. Jesus nimmt das in Kauf, er erkennt ihr Handeln als Liebestat an und sagt ihr die Vergebung der Sünden zu. Johannes (12,1-11) hat wieder den Bezug zur Passionsgeschichte, stellt aber die Salbung dem Einzug in Jerusalem voran, so dass sie wirkt wie die Salbung zum König, als welcher Jesus dann begrüßt wird.
Das Gastmahl findet wie bei Matthäus und Markus in Bethanien statt, der Gastgeber jedoch wird nicht genannt. Zu den Gästen gehören neben Jesus Lazarus und seine Schwestern Martha und Maria. Diese Maria ist bei Johannes die salbende Frau, während der, der vorgibt, lieber etwas für die Armen tun zu wollen, als Judas identifiziert wird. Auch hier wird die Salbung auf das Begräbnis gedeutet, vielleicht speziell als Königsbegräbnis, denn es folgt unmittelbar die Begrüßung des „Königs von Israel“.
Die unterschiedliche Ausformung der Salbungsgeschichte zeigt, dass die Urchristenheit sich intensiv mit dieser Begebenheit beschäftigt hat. Bei den Überlegungen zur Predigt habe ich nicht alle Gesichtspunkte gleichermaßen berücksichtigt, sondern mich konzentriert auf die Frage, was es bedeutet, dass Jesus „unser Gast“ ist, d. h. in unser Leben und überhaupt in unsere Welt tritt, und wie wir uns ihm gegenüber richtig verhalten. Ehrung und Schmuck für Jesus, Sanierung von Kirchen, Sozialarbeit hierzulande und „Brot für die Welt“ - was ist richtig, nötig und möglich, und wie ist es jesusgemäß

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
im 104. Psalm, den wir besonders gern zu Erntedank beten, stehen die schönen Verse:
Lobe den Herrn, meine Seele!
Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich;
du bist schön und prächtig geschmückt.
Du lässest Wasser in den Tälern quellen,
dass alle Tiere des Feldes trinken.
Du lässest Gras wachsen für das Vieh
und Saat zu Nutz des Menschen,
dass der Wein erfreue des Menschen Herz
und sein Antlitz schön werde von Öl
und das Brot des Menschen Herz stärke.
Lobe den Herrn, meine Seele!
Also Wasser und Gras für das Vieh, aber Wein und Öl und Brot für den Menschen - zur Freude und Stärkung seines Herzens und für die Schönheit seines Angesichts. Gottes Schönheit und sein prächtiger Schmuck werden auch dem Menschen zuteil und deshalb lebt der Mensch nicht vom Brot allein, sondern auch von Salböl und Wein.
Im Lande Jesu gehörte es zu den Grundregeln der Gastfreundschaft, dass man dem Eintretenden Wasser reichte zur Erfrischung der Füße, dass man ihm einen Kuss gab zur Begrüßung und ihm mit duftendem Öl das Haupt salbte. Der Evangelist Lukas hat uns überliefert, dass Jesus solche Ehrung sehr geschätzt hat und einen Pharisäer mild, aber deutlich kritisierte: Ich bin gekommen in dein Haus, du hast mir nicht Wasser gegeben für meine Füße, du hast mir keinen Kuss gegeben, und du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt.
In dem Abschnitt aus dem Markus-Evangelium, der uns heute zur Predigt vorliegt, wird berichtet, wie jemand nachholt, was der Gastgeber offenbar versäumt hatte. Der Tischgesellschaft, zu der auch Jesus gehört, nähert sich eine Frau und gießt ihm unverfälschtes und köstliches Nardenöl auf das Haupt. So ehrt sie diesen einen besonderen Tischgast, andere Gäste aber werden darüber unwillig und murren: Was soll doch diese Verschwendung; man hätte dieses Öl für über 300 Silbergroschen verkaufen und den Erlös den Armen geben können! Sie kannten wohl ihren Tischgenossen Jesus schon ein wenig und wussten deshalb, was in seinem Sinn gewesen wäre. So fahren sie die Frau an und machen ihr ein schlechtes Gewissen.
Auch uns, denen „Brot für die Welt“ geläufig ist und manch andere Hilfsaktion früherer und heutiger Zeiten, leuchtet eine solche Argumentation sofort ein. Denn ein Silbergroschen war immerhin der Tageslohn eines Weinbergarbeiters, 300 Silbergroschen also ein Jahreseinkommen. Damit kann man schon eine Menge Gutes tun. Das wusste man natürlich auch zur Zeit der Evangelisten; und so kam es, dass Johannes in seinem Evangelium in dem so sozial klingenden Vorschlag eine große Unehrlichkeit sah: nicht irgendwelche wohlmeinenden Tischgäste waren es, die das kostbare Salböl lieber verkaufen wollten, sondern der Verräter und Dieb Judas, der an sich nahm, was gegeben wurde, und nicht nach den Armen fragte.
Was auch immer die Motive der Murrenden gewesen sein mögen, am Ende jedenfalls steht die verschwenderische Frau gerechtfertigt da: Sie handelt aus reinem, ehrlichem Herzen, sie ehrt und verehrt Jesus, der höchstes Gastrecht genießt, und sie empfängt von Jesus höchstpersönlich ungeahnte Anerkennung: Sie hat getan, was sie konnte, sagt er, es soll gelten schon zu meinem Begräbnis, und man wird ihrer gedenken, wo in aller Welt das Evangelium gepredigt wird.
Ehrungen und Begrüßungsformen haben sich im Laufe der Zeit geändert. Geblieben aber und immer wieder aktuell ist die Frage von damals: Darf man mit Kostbarkeiten Jesus ehren, oder muss man alles den Armen geben? Darf man Spenden sammeln, um Kruzifixe zu errichten und vergoldete Altäre zu restaurieren, oder muss man alles den Armen geben? Darf man Zig-Tausende oder gar Millionen in die Sanierung von Kirchendächern und Domen stecken, oder muss man alles den Armen geben?
Solche Gedanken sind denen nicht unbekannt, die in unseren Gemeinden Entscheidungen zu treffen haben. Außerdem weiß man ja auch, dass es nicht immer die reine Liebe zu Jesus war, die die Kirchtürme in die Höhe trieb und das Kircheninnere mit Kostbarkeiten ausstattete. Unübersehbar sind dabei auch die Eitelkeit der Stifter und die Selbstdarstellung wohlhabender Städte und reicher Dörfer. Ebenso unübersehbar ist freilich auch, dass Stifter und Selbstdarsteller vergänglich sind, vergänglich wie alle Menschen und ihre Eitelkeiten. Die Kirchen aber und ihre Kunstwerke, sofern sie die Wechselfälle der Geschichte überstanden haben, weisen über alles Menschliche hinaus: Sie sind das Haus Gottes, die Hütte Gottes bei den Menschen, der Ort, wo Gottes Welt auf die Welt der Menschen trifft, wo die Geschichte Jesu sichtbar die Geschichte der Menschen kreuzt, wo Gottes Geist den Geist der Menschen berührt und verändert.
Unsere Kirchen sind eben nicht nur Zeugnisse der Geschichte, der Kunst und Kultur, sie sind Herbergen für die Geschichte Gottes mit uns Menschen, Stätten der Begegnung mit Jesus und dem Evangelium, Orte der Besinnung, der Trauer im Unglück, der Feier in der Freude, des Kraftschöpfens bei der Arbeit für eine freundlichere Welt. Deshalb stehen unsere Gemeinden und ihre Leitungen nur zum Schein vor der Frage „Entweder - oder“: Entweder Geld für die Kirche oder für die Armen, entweder für die Orgel oder für den Kindergarten, entweder für eine Glocke oder für die Flutopfer.
Wohl hatte sich Jesus immer für die Armen, die Hungrigen und Durstigen, die Mühseligen und Beladenen eingesetzt; aber dem einfachen „Entweder - oder“ entzieht er sich und macht daraus ein „Sowohl - als auch“: Das eine tun und das andere nicht lassen. Er sagt: Arme habt ihr allzeit bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun. Zugleich sagt er von der Frau, die ihm das kostbare Nardenöl widmete: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat. Unentbehrlich und unvergesslich ist das eine wie das andere.
Heute wird nun auch unter uns dieses Evangelium gepredigt. Und dabei geht es auch für uns um mehr als eine nur moralische Erkenntnis, die man begreift und dann in sich trägt. Es kann die alte Szene vom Gastmahl uns zu einem Hoffnungsbild christlichen Lebens heute und morgen werden:
Es sind Menschen versammelt um einen Tisch, Menschen unterschiedlicher Herkunft und Einstellung, unterschiedlicher Wünsche und Lebenspläne, und sie werden alle satt vom Brot und erfreut vom Wein und genießen das Leben. Da sie aber nicht aus eigener Kraft und Machtvollkommenheit leben wollen, rufen sie den in ihre Runde, dem sie nun nicht mehr leibhaftig das Salböl widmen können, wohl aber wie seit Kindertagen das Gebet: Komm, Herr Jesu, sei unser Gast!
Aus der Bereitschaft, ihn als Gast aufzunehmen, wächst die Bereitschaft, ihm nachzufolgen, das eigene Leben in seinem Geiste zu gestalten, so dass das Leben nicht mehr nur für einen selbst da ist, sondern für „deinen Nächsten wie dich selbst“, für die Armen und Schwachen, für die Fernen und Nahen. Wer Jesus ehrt, dem ist die Welt so nahe wie die Kirche und die Kirche so nahe wie die Welt. Wo Jesus eingeladen ist, öffnen sich Herzen und Hände nach rechts und nach links und in alle Himmelsrichtungen. Amen.

Verfasser: Pfr. i. R. Klaus Herrfurth, Kuhgasse 3, 06108 Halle

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