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Der großzügige Gott

von Florian Bortfeldt (Idafehn)

Predigtdatum : 18.01.2009
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 2. Sonntag nach Epiphanias
Textstelle : Johannes 2,1-11
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Liebe Gemeinde,

wenn sie das Wort "peinlich" hören, was fällt ihnen dann spontan ein? Denken sie vielleicht - wo ja gerade heute in Hessen gewählt wird - an die zwei Versuche von Andrea Ypsilanti, Ministerpräsidentin zu werden? Oder erinnern Sie sich noch an Franjo und Verona Pooth, die nach Franjos Pleite erst einmal zur Erholung in den Luxusurlaub fliegen mußten? Oder wie wäre es mit ein paar Reminiszenzen an den scheidenden US-Präsidenten George W.Bush, der in den letzten Jahren kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen hat?
Vielleicht müssen sie aber auch gar nicht so weit ausholen. Vielleicht ist ihnen selber schon einmal etwas peinliches passiert. Was heißt hier vielleicht? Bestimmt ist ihnen schon einmal etwas passiert, woran sie sich lieber nicht erinnern möchten.
Ein ganz hervorragendes Gebiet zum Thema Peinlichkeiten sind Hochzeiten. Ich denke da an meine eigene Hochzeit. Da tauchte überraschend ein Studienkollege in der Kirche auf und fragte uns nach der Trauung, ob er, der nicht eingeladen war, denn zum Kaffeetrinken bleiben dürfe. Ich aber hatte nur die abgezählten Plätze vor Augen und sagte spontan: "Du, das geht leider nicht" - und das alles wurde auch noch auf Video festgehalten. Es ist mir bis heute unwahrscheinlich peinlich. Wie konnte ich nur so kleinkariert sein?
Liebe Gemeinde, vielleicht ahnen sie wahrscheinlich schon, warum ich ihnen das alles erzähle. Spätestens, als ich das Thema Hochzeit erwähnte, wird ihnen deutlich geworden sein, welchen Predigttext wir heute bedenken wollen. Ein Text, in dem es um eine Hochzeit und um eine Peinlichkeit ging - na, ja, eine Beinahe-Peinlichkeit. Aber hören wir doch einmal hinein in das, was Johannes uns im 2.Kapitel seines Evangeliums für eine Geschichte erzählt. Ich lese nach der modernen Übersetzung "Hoffnung für alle":
01 In dem Dorf Kana in Galiläa wurde eine Hochzeit gefeiert. Maria, die Mutter Jesu, war dort,
02 und auch Jesus hatte man mit seinen Jüngern eingeladen.
03 Während des Festes stellte sich heraus, daß der Wein nicht ausreichte. Da sagte Maria zu ihrem Sohn: "Es ist kein Wein mehr da!"
04 Doch Jesus antwortete ihr: "Was kommst du mit solchen Dingen zu mir! Die Zeit zu helfen ist für mich noch nicht gekommen!"
05 Trotzdem sagte seine Mutter zu den Bediensteten: "Was immer er euch aufträgt, das tut!"
06 Nun gab es im Haus sechs steinerne Wasserkrüge. Man benutzte sie für die vom jüdischen Gesetz geforderten Waschungen. Jeder von ihnen faßte achtzig bis hundertzwanzig Liter.
07 Jesus forderte die Leute auf: "Füllt diese Krüge mit Wasser!" Und sie füllten die Gefäße bis zum Rand. Dann ordnete er an:
08 "Jetzt bringt dem Küchenchef eine Probe davon!"
09 Dieser probierte den Wein, der vorher Wasser gewesen war. Er wußte allerdings nicht, woher der Wein kam. Nur die Diener wußten Bescheid. Da rief er den Bräutigam zu sich und sagte vorwurfsvoll:
10 "Jeder bietet doch zuerst den besten Wein an! Und erst später, wenn alle schon genug getrunken haben, kommt der billigere Wein auf den Tisch. Aber du hast den besten Wein bis jetzt zurückgehalten!"
11 Dieses Wunder geschah in Kana. Dort in Galiläa zeigte Jesus zum ersten Mal seine göttliche Macht. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Liebe Gemeinde, wie peinlich. Stellen sie sich vor, sie richten eine Hochzeit aus und mitten in der Feier gehen die Getränke aus. Noch in 20 Jahren wird man über so etwas sprechen. Wie konnte das passieren. Waren die Brautleute zu geizig? Oder hatte man nicht mit einem solchen Andrang gerechnet? Wie auch immer, es bleibt peinlich. Doch halt - es ist ja doch ganz anders gekommen. Wenn der Krieg zwischen Israelis und Palestinensern irgendwann vorbei ist, empfehle ich ihnen, einmal nach Kana in Galilä zu fahren. Das gibt es nämlich immer noch. Es liegt 14 km nördlich von Nazareth und ist eine Touristenattraktion, an jeder Ecke gibt es Jesusbilder und Läden, die Wein verkaufen.Wahrscheinlich wäre Kana bis heute ein ganz unbekanntes Pflaster, wenn nicht damals auf einer Hochzeit vor 2000 Jahren dort ein Wunder passiert wäre. Und so wurde die Hochzeit zu Kana nicht das peinlichste Fest des Jahres, sondern wohl eine der berühmtesten Hochzeiten der Weltgeschichte.
Schauen wir uns diese Hochzeit doch noch einmal genauer an. Wir erfahren, daß Jesus mit seinen Jüngern eingeladen war. Er war zu diesem Zeitpunkt noch am Beginn seines Wirkens, und somit noch nicht sonderlich berühmt. Und seine Mutter Maria war auch da. Es war also wahrscheinlich ein Verwandter oder eine Verwandte Jesu, die da geheiratet hat. Eine rein private Feier also. Doch sie lief - wie bereits erwähnt - anders ab als erwartet. Als der Wein ausgeht, ahnt die Mutter Jesu, daß ihr Sohn helfen kann. Doch Jesus weist ihre Bitte schroff zurück. : "Was kommst du mit solchen Dingen zu mir! Die Zeit zu helfen ist für mich noch nicht gekommen!" Können wir seine Ablehnung nicht verstehen? Er ist schließlich als Privatmann hier, er möchte feiern und ist nicht zum arbeiten hierher gekommen. Und überhaupt - so vermuten wir: Der Sohn Gottes kümmert sich um die wirklich wichtigen Dinge, also um die Heilung von Kranken und um die Herstellung gerechter Verhältnisse für die Armen. Was geht es ihn an, wenn die Leute hier ihre Hochzeit nicht anständig organisiert haben? Doch Maria läßt sich nicht beirren. Sie sagt zu den Bediensteten: "Was immer er euch aufträgt, das tut!"
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Schnitt machen, liebe Gemeinde. Und sie fragen: Wann wenden sie sich an Jesus? Und das heißt heute: Wann beten sie zu ihm und um was beten sie? Leben wir nicht selbst als Christen mit dieser Einstellung: "Jeder ist seines Glückes Schmied," Und: "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott". Versucht nicht jeder erst einmal, alleine mit seinen Problemen fertig zu werden? Warum zu Gott beten? Die einen sagen, das bringt sowieso nichts. Die anderen sagen: Es gibt soviel andere, schwerwiegende Probleme in der Welt, wie soll Gott sich gerade um mich und meine unbedeutenden Probleme kümmern?
Wieso sollte Gott es interessieren, dass
* Menschen mit ihren Kindern nicht klarkommen. Dass sie wie in unterschiedlichen Welten leben und ständig aneinander vorbeireden.
* viele Menschen nicht wissen, wie sie Monat für Monat finanziell über die Runden kommen sollen. Schulden, Verpflichtungen, Angst vor Arbeitslosigkeit, es wächst ihnen alles über den Kopf.
* sich viele ernsthaft Sorgen um ihre Gesundheit machen. Wer krank ist, der ist doch selber Schuld - so hören wir es doch oft. Hätte er eben gesünder leben müssen.
Der Predigttext von heute, liebe Gemeinde, er kann uns aus dieser Resignation befreien. Er macht uns nämlich deutlich, dass Gott sich doch für unsere Sorgen und Nöte interessiert. Warum es sich lohnt, zu beten. Mit anderen Worten, Jesus zu sagen, wo der Schuh drückt. Ihm anzuvertrauen, wenn uns der Wein ausgegangen ist. Denn Jesus, ihn läßt das nur scheinbar gleichgültig. Seine Mutter wußte das. Sie vertraute darauf, daß er eingreift. Und der Ausgang der Geschichte von der Hochzeit zu Kana, er möchte uns auch zu diesem Vertrauen ermutigen. Wenn Jesus 600 Liter Wasser in edelsten Wein verwandelt, dann heißt das nicht nur, dass Gott ein Freund des Lebens ist, der möchte, dass es seinen Menschen gut geht. Die Bedeutung dieses ersten Wunders im Johannesevangelium geht tiefer.
Der Wein ist nur ein Zeichen, ein Symbol für die unendliche Fülle von Gaben, die mit Gott in diese Welt gekommen sind und die er uns schenken möchte. Die Hochzeit zu Kana, sie reiht sich nahtlos ein in die anderen Wunder, wie z.B. die Speisung der 5000, der wunderbare Fischzug oder die vielen Heilungsgeschichten. Alle diese Geschichten wollen uns folgendes sagen, liebe Gemeinde:
Eine neue Zeit hat begonnen. Mit dem Erscheinen Jesu in dieser Welt ist die Heilszeit Gottes endgültig angebrochen. Der lebendige Gott, für ihn ist jeder einzelne Mensch von unendlicher Bedeutung. Ihm ist es nicht egal, daß Menschen hungern. Ihm ist es nicht egal, wenn wir in peinliche Situationen geraten. Ihm ist es nicht egal, wenn wir unter Krankheiten leiden. Ihm ist es nicht egal, wenn Menschen immer wieder aneinander schuldig werden. Und deshalb ist er selber Mensch geworden und hat ein Zeichen gesetzt, daß alles anders werden soll. Genauer gesagt, er hat viele Zeichen gesetzt, die deutlich machen: Das, was ihr hier an Mangel, an Entbehrung, an Schuld und an Krankheit erlebt, es ist nur vorläufig. Und meine neue Welt fängt hier schon an, ihr könnt es am eigenen Leib erfahren. Probiert doch von dem guten Wein, den ich euch schenke. Eßt doch von dem Brot, daß ich euch gebe. Und teilt es untereinder aus, so wie ich es getan habe. Und reicht euch doch die Hände, so wie ich euch die meine reiche. Und glaubt, daß ich für eure Schuld gestorben und auferstanden bin. Ich lebe, und ihr sollt auch leben!
Am Ende des Predigttextes heißt es: Und seine Jünger glaubten an ihn. Sie waren die ersten, die dieser Jesus von Nazareth so sehr faszinierte, daß sie nicht schweigen konnten, von ihm zu erzählen. Ich wünsche uns, daß auch wir so von ihm ergriffen sind, daß wir nicht schweigen können. Daß wir davon reden, daß Gott sich unserer Sorgen und Nöte annimmt. Und daß er schon längst auch in unserem Leben Wunder über Wunder getan hat.
Viele Menschen haben davon noch nichts gemerkt. So wie die Hochzeitsgäste auf der Hochzeit zu Kana. Von dem eigentlichen Wunder haben sie gar nichts mitbekommen. Aber sie haben wohl gemerkt, daß der Gastgeber den guten Wein bis zuletzt aufgehoben hat. Und darüber haben sie nicht schlecht gestaunt. Wie wäre es, liebe Gemeinde, wenn wir den Menschen, die Gott uns begegnen läßt, auch von diesem Wein zu trinken geben? Wie wäre es, wenn wir Jesu Liebe in der Tat weitergeben? So, daß Menschen begreifen: Gottes Liebe und Zuwendung, sie gilt ja mir ganz persönlich! Und gäbe es etwas schöneres, als wenn man dann irgendwann über diese Menschen sagen könnte: "Und sie glaubten an ihn."

Amen