Menü

Der gute Hirte

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 10.04.2016
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Quasimodogeniti
Textstelle : 1. Petrus 2,21b-25
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:
"Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben." (Johannes 10, 11 a.27.28 a)

Psalm: 23 (EG 711)

Lesungen
Altes Testament: Hesekiel 34, 1 - 2 (3 - 9) 10 - 16.31

Epistel: 1. Petrus 2, 21 b - 25

Evangelium: Johannes 10, 11 - 16 (27 - 30)

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 100 Wir wollen alle fröhlich sein
Wochenlied: EG 274 Der Herr ist mein getreuer Hirt
Predigtlied: EG 346 Such, wer da will, ein ander Ziel
Schlusslied: EG 209 Ich möchte, dass einer mit mir geht


Predigttext 1. Petrus 2, 21 b - 25
„Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; er der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet; der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.“

Predigt
Er kommt nach Hause und strahlt, obwohl er verdreckt ist von unten bis oben: "Du, Mama, der Trainer hat mich aufgestellt Zum ersten Mal darf ich spielen. Ich bin ganz aufgeregt. Bestimmt mache ich alles falsch vor lauter Aufregung. Da stehen immer so viele draußen und schreien 'mach das, mach das' und dann weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich tun soll." Sein Gesicht legt sich in nachdenkliche Falten und die große Freude scheint irgendwie verdunkelt.

"Ich habe die Stelle bekommen, um die ich mich beworben habe," erzählt sie ihrem Freund beim Abendessen. "Ich bin sehr froh darüber, aber ich bin auch sehr unsicher. Denn das sind ganz neue Aufgaben und ich weiß noch gar nicht, wie ich sie anpacken soll. Ich weiß auch noch gar nicht, mit welchen Menschen ich es zu tun bekomme und wie ich richtig mit ihnen umgehen soll. Wenn mir doch da einer helfen könnte, mich einzufinden.“

Zwei Szenen und ein Thema: Wie finde ich mich zurecht, wenn ich vor neuen Aufgaben stehe? Wie finde ich mich zurecht, wo jeder Tag doch neue Wege von mir fordert? Wie finde ich mich zurecht, der ich doch den Überblick über den ganzen Weg noch gar nicht habe?

Zwei Szenen – aber eine Frage: Bei wem kann ich mir etwas abgucken, damit ich mich orientieren kann? Wer hilft mir, dass ich mich zurechtfinde? Gibt es Leute, die ich nachmachen kann bis ich es selber kann?

Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern, wie Sie schreiben gelernt haben. Die ersten Buchstaben haben wir nachgemalt, mit viel Eifer und der Mühe um große Genauigkeit. Und es war für uns Anfänger schwer, die Linien der Buchstaben genau zu treffen. Es hat viel Übung gekostet und wohl auch manche Tränen. "Das lerne ich nie!" so haben wir ab und zu gestöhnt, wenn da eine Reihe A's oder O's auf dem Papier krakelig nebeneinander gestanden hat. Aber mit der Zeit haben wir es gelernt. Die Buchstaben sind uns vertraut geworden und wir haben sie nachzeichnen gelernt. Es hat sich dann auch die eigene Handschrift ausgeprägt. Das ist nicht mehr die "normierte" Schrift aus den Anfangsjahren, sondern das ist die eigenwillige Handschrift eines erwachsenen Menschen. Es sind noch die Buchstaben, wie sie vorgegeben sind, aber sie haben ihre eigene Form gewonnen. So ist es nun unsere Schrift.

Irgendwann habe ich angefangen zu verstehen, dass wir ganz viele und wichtige Verhaltensweisen durch „nachmachen“ gelernt haben: essen, sprechen, laufen, werfen. Ich für mein Teil habe Vorbilder gebraucht für meine Lebensorientierung: Es hat Menschen gegeben, an denen konnte ich aufschauend lernen – wie man sich verhält, wie man auch harte Arbeit durchhält, wie man sich um Auskommen mit den anderen müht. Heute denke ich: Die existentiellen Dinge im Leben habe ich nicht durch theoretische Vorträge oder Bücher gelernt – da sind vielmehr Vorbilder für mich der eigentliche Anstoß gewesen. Ohne meine Vorbilder hätte ich vieles nicht gelernt.

Und umgekehrt gilt: Wo die Vorbilder wegfallen, da wird das Leben überschwer. Da sind die Orientierungskrisen nicht weit. Vielleicht ist das eine der großen Krankheiten unserer Zeit: dass es an Vorbildern fehlt – denn die Superstars unserer Medien eigenen sich als Vorbilder ja wahrhaftig nicht. Aber der Blick vieler wird medial so verengt, dass sie die nahen, unscheinbaren Vorbilder – Eltern, Großeltern, Lehrer, Freunde nicht mehr wirklich wahrnehmen

Ich möchte Sie einfach nun einen Augenblick das bedenken lassen: Gibt es Menschen, in deren Fußstapfen Sie getreten sind, von denen Sie nicht etwas, sondern leben gelernt haben?

Pause

In unserem Predigt Wort sagt Petrus zu seinen Lesern: Wenn Ihr nach Orientierung fragt, nach einer Hilfe für den Weg Eures Lebens - Jesus hat euch ein "Hypogrammon" gegeben. Luther hat das mit "Vorbild" übersetzt. Wir könnten auch sagen: eine Vorlage, eine Schablone, nach der sich unser Leben ausrichten soll.

Ganz schlicht ist diese Antwort: Ihr könnt in die Fußstapfen Jesu treten, einfach seinem Beispiel nachfolgen. „In die Fußstapfen Jesu treten“ - das ist ja ein Hauptwort, um zu beschreiben, wie Christsein aussieht: Nachfolgen, hinter Jesus her gehen. Dieses Nachfolgen ist Programm bis heute, auch wenn Jesus nicht mehr in leibhaftiger Gestalt vor uns her geht.

All die Geschichten des Neuen Testamentes wollen uns nicht nur erzählen: So hat Jesus gelebt. Sie wollen uns zugleich ermutigen: So, in gleicher Weise, könnt und dürft ihr auch leben. Im Leben Jesu habt ihr ein Lebensprogramm vor Augen, das Gott euch zutraut. In dem Lebensweg Jesu habt ihr vor Augen, wie Gott auch mit euch mitgehen will.

Jesus hat uns in seinem Leben vorgelebt, wie unser Leben aussehen kann nach dem Willen Gottes. Wir dürfen an Ihm ablesen, wie wir leben sollen und wie wir leben können:

 Frei von allem Betrug, der andere übers Ohr haut
 Frei von dem Zwang zum Zurückschlagen, wenn einer uns verletzt hat
 Frei von den Drohgebärden und Kraftakten, die den anderen einschüchtern sollen
 Frei von dem tief eingewurzelten Misstrauen, das Gott nicht zutraut, dass er uns versorgt und deshalb alle Lebenssorge an sich selbst zum Ende bringen muss

Wenn ich das zusammenfasse, dann ist Jesus darin vorbildlich, dass er uns zeigt: Es geht, auszusteigen aus dem Echo-Verhalten – auch wenn wir im Großen und Kleinen ständig das Gegenteil sehen. Es geht, das Vertrauen auf Gott zu leben – auch wenn wir ständig hören: vertraue nur auf dich selbst. Es geht, die Liebe durchzuhalten bis ans Ende, bis zum Äußersten, auch wenn wir bei uns und anderen viel Scheitern der Liebe sehen müssen.

Nun ist mir wichtig es geht hier nicht um ein Nachahmen, das Linie um Linie nachzeichnet und keine eigene Handschrift erkennen lässt. Sondern wie sich beim Schreiben lernen immer mehr eine eigene Handschrift entwickelt, so soll sich auch beim Schreiben unseres Lebensprogrammes nach der "Jesus Schablone" eine ganz eigene Handschrift entwickeln.

Eine große Schwierigkeit will ich benennen. Wenn wir hören: Jesus ist uns als Vorbild gegeben, dann erschrecken wir auch. Wie weit bin ich von diesem Vorbild doch entfernt! Dieses Vorbild ist doch zu groß für uns. Ist es mit Jesus nicht wie früher mit dem Vater. Der machte einen großen Schritt über einen Graben und sagte: Komm nach - und wir standen vor dem Graben oder Bach und fühlten uns hoffnungslos überfordert. Es gibt Fußstapfen, die uns zu groß sein wollen.

Und auch diese Erfahrung kennen Sie vielleicht: Je ernster wir es meinen mit dem "Vorbild Jesus", umso mehr wird es uns bedrängen. Das schaffe ich nie – meilenweit bleibe ich zurück – und plötzlich ist da eine große Wut, weil ich mir überfordert vorkomme.

Es kann dazu kommen, dass dieses große Vorbild eine Herausforderung ist, die uns entmutigt, die uns ganz klein macht, weil wir sagen: das schaffe ich doch nie. Ich weiß es nur zu gut: Ich schimpfe zurück, wenn mich einer angreift. Ich balle nicht nur die Faust, wenn mir einer Unrecht zufügt. Ich kämpfe immer wieder um mein Recht und kann nicht in großer Gelassenheit Gott meine Dinge überlassen. Nein, ich bin weit davon entfernt, Jesus ähnlich zu werden.

Weil das so ist, deshalb ist es wichtig, dass es eine hilfreiche Unterscheidung im Text gibt: Nicht alles, was gesagt ist, wird uns zur Nachahmung aufgetragen. Petrus sagt nicht nur: 'Seid wie Jesus', sondern er sagt auch: 'Jesus ist für euch!' Petrus beschreibt nicht nur den Weg Jesu vor uns her – er beschreibt auch seinen Weg für uns. Den Weg zum Kreuz ist Jesus "für uns" gegangen. Und dieser Weg für uns ist kein Weg unserer Nachfolge. Wir sollen aus ihm leben, aber wir sollen nicht gleichfalls nach Golgatha.

Aus seinem Weg für uns wächst uns eine Freiheit zu für unseren Weg: Wir sind „heil“ geworden- wie unser Wort sagt. Wir müssen nicht mehr orientierungslos durch die Welt irren. Wir können wissen, wohin wir gehören: zu diesem gekreuzigten und auferstandenen Christus, der die Liebe bis zum Äußersten durchgehalten hat. Das ist – so meine ich – unsere tiefste Sehnsucht: wissen, wo ich hingehöre und die Antwort auf diese Sehnsucht gibt Gott am Kreuz: Du gehörst zu mir, denn meine Barmherzigkeit schreckt vor der Hölle der Gottesferne nicht zurück. Ich habe sie bis in das tiefste Dunkel hineingetragen, damit Du nie mehr alleine sein musst.

Vielleicht kennen Sie das: Dass Sie auf Ihr Leben sehen, auf eine Sache, die Sie verpfuscht haben, auf eine Lüge, auf ein Versagen, auf eine Schuld, aus der Sie nicht mehr herausfinden und dann sagen Sie sich: Mich kann doch keiner mehr lieb haben. Mein Leben ist doch keine Liebe mehr wert. Mein Leben ist doch nur noch ein eine Ansammlung von Fehlern, Bruchstücken, Schuld.

Und genau in diese schlimmen Selbstanklagen hinein, in dieses Misstrauen gegen das eigene Lebensrecht sagt Jesus: Du, Du bist es mir wert, dass ich mein Leben für Dich einsetze. Du bist es mir wert, dass ich mein Leben für Dich hingebe. Du bist es mir wert, dass ich Dir meine Liebe schenke. Das steckt in dieser Glaubensformel "für uns ans Kreuz gegangen". Wo wir selbst und wo kein anderer mehr für uns gut sprechen wollten, da hat er für uns gutgesprochen, da hat er sich für uns ins Geschirr gelegt. Er hält fest an dem, was wir kaum noch zu glauben wagen: dass Liebe, bedingungslose Liebe uns Menschen, Dich und mich, zu ändern vermag.

Zum Schluss heißt es: „Ihr seid bekehrt“ Das hat aus vielen Gründen bei uns einen schrägen Klang. Wir wollen nicht so gerne bekehrt und belehrt werden. Aber gemeint ist ja etwas sehr Schönes: Gott hat mit euch einen neuen Weg angefangen. Ihr habt in der Nachahmung Christi begonnen, seinen Weg zu gehen, mit Fragen und Hoffnungen, mit Ängsten und Zuversicht, manchmal scheiternd und doch auch im Erfahren von Gelingen. „Ihr seid bekehrt“ – das ist kein punktuelles Verständnis, kein Datum, das abgefragt wird – es ist der Beginn eines lebenslangen Prozesses:

„Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden,
nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden,
nicht ein Sein, sondern ein Werden,
nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.
Wir sind's noch nicht, wir werden es aber.
Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang
und im Schwang.
Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.
Es glüht und glänzt noch nicht alles, es reinigt sich aber
alles.“ (Luther)

Wie kann unser Leben gelingen?
Zwei Antworten gibt uns das Wort des Apostels:
Lass dir den Weg zeigen – der dich herausfordert, über Grenzen führt und an Grenzen kommen lässt.
Lass dir die Liebe gefallen – die sich dir zuwendet, die gerade auch da, wo du an deine Grenzen gekommen bist, sich ganz fest mit dir verbindet: für dich


Verfasser: Pfarrer i. R. Paul-Ulrich Lenz
Am Litzenau 17, 63679 Schotten

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich (Bestellformular).