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Der gute Hirte

von Johannes Seemann (35216 Biedenkopf)

Predigtdatum : 18.04.2010
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Quasimodogeniti
Textstelle : 1. Petrus 2,21b-25
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Wochenspruch:

„Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ (Johannes 10, 11. 27. 28)

Psalm: 23 (EG 711)

Lesungen

Altes Testament:
Hesekiel 34, 1 – 2 (3 – 9) 10 – 16.31
Epistel:
1. Petrus 2, 21 b – 25
Evangelium:
Johannes 10, 11 – 16 (27 – 30)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 288,1-4
Nun jauchzt dem Herren alle Welt
Wochenlied:
EG 274
Der Herr ist mein getreuer Hirt
Predigtlied:
EG 346,1-3
Such, wer da will
Schlusslied:
EG 209
Ich möchte, dass einer mit mir geht

Vorüberlegungen

Der „Sonntag vom guten Hirten“, wie Miserikordias Domini auch genannt wird, hat zwei Akzente: Zum einen geht es um Jesus als den guten Hirten, in all dem, was alt- und neutestamentlich dazu zu sagen ist – der Begleiter, der Retter, der Beschützer der Menschen, die sich ihm anvertrauen und sich auf seinen Weg rufen lassen. Zugleich geht es darum, was es bedeutet, mit diesem Hirten auf dem Weg zu sein, in seine Nachfolge einzutreten und an seiner Mission des Suchens und Rettens verlorener Menschen teilzunehmen. In anderen Predigttexten dieses Sonntags geht es etwa auch darum, wie Menschen einander in angemessener Weise Hirten sein können.

Der vorgeschlagene Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief hat seinen besonderen Akzent darin, dass er Zuspruch und Anspruch Jesu für Menschen durchbuchstabiert, die gesellschaftlich geächtet sind und unter Verfolgungsdruck stehen: Die Anweisung an die Sklaven ist Teil einer Haus- und Ständetafel, die Christen in verschiedenen Situationen einweist in ihr Leben mit Christus und von ihm her. Es geht also nicht „nur“ um Ethik, sondern um ein Leben, das getragen und geprägt wird von dem, was Jesus Christus für uns Menschen getan hat und wer er bleibend für uns ist. Die Bereitschaft zum Leiden, die Petrus erwartet, ist also keine Forderung, die beziehungslos im Raum steht – sie ist vielmehr christologisch begründet, aus der Bindung an Jesus Christus.

Nachdem die seit der konstantinischen Wende lang eingeübte und gewohnte Stellung von Kirche und Glaube immer weiter schwindet, halte ich es für angemessen, auch heutiges „Leiden“, heutige Ausgrenzung von Christinnen und Christen zu thematisieren, weil hier eine Grundwirklichkeit neu spürbar wird, die nach dem Neuen Testament zur Bindung an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn gehört – in milder oder auch schmerzlicher Form. Darüber dürfen aber nicht die Freude und Gewissheit, die dieser Brief ausstrahlt, verschüttet werden: dass der gute Hirte bei seiner Gemeinde ist, dass wir bei ihm Leben und Freispruch gewinnen, dass er immer und überall bei uns ist.

Liebe Gemeinde,

als wir vor kurzem in der Familie darüber sprachen, es sei Osterzeit, meinte unser Jüngster: „Aber Ostern ist doch längst vorbei!“ Ist es bei Ihnen auch schon vorbei: eine erholsame Oase, die den Alltag für einige Tage vergessen ließ, vielleicht auch mit einem Gottesdienstbesuch?

Die Kirche hat hier andere Akzente gesetzt: Die Sonntage zwischen Ostern und Pfingsten stehen alle unter der Leitfrage: Was folgt aus den großen Ereignissen von Karfreitag und Ostern? Wie lebe ich als Christ, wie leben wir als Gemeinde, wenn gilt: Jesus Christus ist für uns gestorben und an Ostern auferstanden? Ist das „die Wahrheit“ – und wir als Christen müssen sie halt glauben? Oder ändert sich dadurch tatsächlich etwas in unserem Leben? Wird etwas spürbar und sichtbar von dem, was Jesus Christus uns geschenkt hat?

Das ist nicht nur eine Frage nach innen: Wie ist das bei mir selbst? Ist bei mir etwas neu geworden? Es ist auch eine Frage, die uns von außen gestellt wird, von Menschen, die dem christlichen Glauben kritisch gegenüberstehen: „Habt ihr Christen ein paar fromme Glaubenssätze im Kopf und dazu ein gutes Gefühl im Herzen – oder ist in eurem Leben tatsächlich etwas anders geworden? Was ist es? Wo spürt man es?“ – Eine echte, eine berechtigte Frage, mag sie auch manchmal hart oder unfair gestellt werden. „Erlöster müssten mir die Christen aussehen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte!“ Dieser Einwand von Friedrich Nietzsche ist nicht bösartig, er ist eine berechtigte Anfrage an uns.

Das biblische Wort, auf das wir heute hören, deckt nicht das ganze Leben ab, sondern fragt in einem Bereich, wie christliches Leben aussieht; Leben, das von Jesus herkommt, von dem, was er uns geschenkt hat. Ich lese Verse aus dem 1. Petrusbrief, Kapitel 2:

Textlesung

Liebe Gemeinde, der Leidensweg Jesu vor fast 2.000 Jahren und unser Leben als Christen heute: Die beiden haben natürlich miteinander zu tun – aber wie? Die Christen, an die Petrus schreibt, sind keine Glaubenden der ersten Stunde. Vermutlich leben sie in Kleinasien und sind erst durch die christliche Mission für den Glauben an Jesus gewonnen worden. Darin sind sie uns ähnlich. Anders aber ist ihre sonstige Lage: Die Gemeinde, der sich Petrus widmet, steht unter dem Druck der Menschen um sie her. Vermutlich noch keine systematische Verfolgung wie dann im zweiten oder dritten Jahrhundert – aber es ist doch spürbar, dass es sehr kostspielig sein kann, an Jesus zu glauben und mit ihm zu leben. Besonders gilt das für eine Gruppe der Gemeinde, die sowieso schon unter Druck ist: In den Versen vor unserem Text wendet sich Petrus besonders an die christlichen Sklaven, die unter ihren Herren leiden – und vermutlich denkt er vor allem an solche Herren, die dem Glauben an Christus feindlich gegenüberstehen und die das ihre Untergebenen direkt spüren lassen.

Die Sätze, die Petrus ihnen sagt, gehen schwer in unsere modernen Ohren: Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Furcht den Herren unter … das ist Gnade, wenn jemand vor Gott um des Gewissens willen das Übel erträgt und leidet das Unrecht … wenn ihr um guter Taten willen leidet und es ertragt, das ist Gnade bei Gott.

Liebe Gemeinde, die Sklaverei ist abgeschafft – wie gut! Eine Christenverfolgung in Deutschland haben wir zurzeit auch nicht – Gott sei Dank! Trotzdem: Der Wind für die Christen und ihren Glauben wird rauer. Mehrfach in den vergangenen Jahren wurden christliche Kongresse massiv angegriffen, bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Wo Christen sich erkennbar anders verhalten, wo sie anderes glauben als die breite Mehrheit der Bevölkerung – da werden sie zunehmend nicht mehr brav stehen gelassen. Es ist gar nicht mehr so selten, dass Christen starke Ablehnung erfahren, für das, was sie glauben und das, was sie leben.

Wie gehen wir damit um, wenn man uns angreift – oder auch nur müde belächelt? Petrus sagt den christlichen Sklaven – und uns
heute –, was dran ist, wenn man als Glaubender unter Druck gerät.

Vor allem aber verweist er auf Jesus Christus. Drei Impulse aus diesem Text:

(1) Jesus – das Vorbild: Ihr geht ihm nach!
(2) Jesus – der Lastenträger: Ihr seid frei!
(3) Jesus – der Hirte: Ihr wisst, wo’s lang geht!

1. Jesus – das Vorbild: Ihr geht ihm nach!

Wie ist Jesus mit Widerstand und Leiden umgegangen? Petrus zählt es auf: der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet. Da leidet einer, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand – und er trägt, was man ihm als Schmerz auferlegt. Es mag uns selbstverständlich geworden sein – aber es ist absolut außergewöhnlich, wie Jesus mit denen umgeht, die ihm ans Leben gehen: keine wüsten Drohungen: Wartet nur, Gott wird euch schon noch erwischen! Keine Flüche über die Peiniger, sondern das Gebet für sie: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!

Einerseits beeindruckend – und andererseits erschreckend: Wie nur soll man diesem Vorbild folgen? Wie leicht reagieren wir schon bei kleinsten Widerständen mit harten Worten, die glasklar alle Schuld den anderen zuschieben und deutlich machen, was ihnen blüht. Schon als kleine Jungen, die beim Kämpfen unterlagen, haben wir gedroht: Mein großer Bruder wird dich verhauen! Pech, wenn man leider keinen großen Bruder hat und gleich den eigenen Vater bemühen muss – der aber vertritt, man solle solche Kämpfe selbst ausfechten.

Jesus ist anders – und für seine Leute gilt: Christus hat euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr nachfolgen sollt seinen Fußstapfen. Gemeint ist nicht ein mögliches Vorbild – so, wie ich es mir aussuchen kann, sondern ein verpflichtendes Leitbild: Als Christen können wir es uns nicht aussuchen, wer uns prägt – wir haben ein Vorbild: Jesus und seinen Weg! Es ist beeindruckend, wie Petrus den Umgang Jesu mit fremder Schuld beschreibt: Er stellte es dem anheim, der gerecht richtet. Die Schuld, der Hass und die Verachtung treffen ihn – aber das Gericht darüber nimmt Jesus nicht in die eigenen Hände, sondern gibt es an Gott ab. So kann er frei sterben, ohne Hass auf die Bösen.
Jesus hat’s getan, Ihr sollt es auch tun. So weit, so einfach. – So weit, so schwierig. Vielleicht ist ja Ihr Gefühl dem meinen ähnlich: So etwas kriege ich nie und nimmer hin. Ich schaffe es nicht, Menschen zu ertragen, die es böse mit mir meinen. Ich schaffe es nicht, zu verzeihen statt zurückzuschlagen. Ich schaffe es nicht, Schuld, die an mir geschieht, an Gott abzugeben. Und das Gefühl, das wir haben, sagt hier etwas Richtiges: Wenn Jesus nur oder vor allem das Vorbild ist, dem wir nacheifern müssen, dann bekommen wir ein ganz schiefes Christsein: Dann arbeiten wir uns daran ab, ihn zu kopieren und versuchen, mit aller Gewalt so zu sein wie er – und das wird sehr leicht zum Krampf! Woher kommt die Kraft, woher die Perspektive, im Leiden nah an Jesus zu sein? Wir schauen auf das zweite:

2. Jesus – der Lastenträger: Ihr seid frei!

Petrus hat vom Vorbild gesprochen, was Jesus uns gibt. Nun geht er einen Schritt weiter: Jesus geht einen einzigartigen Weg, und auf dem können und sollen wir ihm nicht folgen: der unsre Sünde hin-aufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz … Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Unser Leben als Christen ist nicht neu, weil wir uns anstrengen, so wie Jesus zu sein. Es ist neu, weil er alles Alte in unserem Leben getragen und aus dem Weg geschafft hat: Unsere Sünde, die Trennung von Gott wie auch unsere Schuld an den Mitmenschen, hängt am Kreuz, sie hat ihre furchtbare Kraft verloren. Wir sind frei – nicht, weil aufgrund unseres beeindruckenden Lebens, sondern weil Jesus uns befreit hat.

Hier ist die große Wende für mein Leben, nicht in dem heroischen Entschluss, von nun an ein besserer Mensch zu sein. Er trug unsere Sünde auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. So beschreibt Petrus das Neue, was Jesus in unser Leben bringt: Weil die Sünde ihre Macht über uns verloren hat, können wir der Gerechtigkeit leben, können wir anders mit Menschen umgehen: so, wie es Gott will. Weil Gott uns in Jesus von Sünde freispricht, darum sind wir frei, ein neues Leben zu führen.

Wir wissen alle: Das meint nicht ein perfektes Christsein – aber eine neue Richtung unseres Lebens: Jesus nach, der uns befreit hat.

3. Jesus – der Hirte: Ihr wisst, wo’s lang geht!

Petrus schließt mit einem vielleicht etwas seltsamen Rückblick: Ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen. Es ist keine Beleidigung, wenn wir Menschen in der Bibel immer wieder mit Schafen verglichen werden: Es macht nur deutlich, wie unser Leben aus Gottes Perspektive aussieht: Ohne Gott sind wir auf der Suche: Was erfüllt mein Leben? Was gibt ihm einen tieferen Sinn? Woher kommt eine Freude, die bleibt? Wie können Beziehungen gelingen, wo doch alles so schnell zerbricht? Die Angebote um uns her sind unüberschaubar: Muss ich ein Star werden, um glücklich zu sein? Muss ich die allertollste Frau finden, damit mein Leben gelingt? Brauche ich exotische religiöse Impulse, um meine Angst zu besiegen? Wer kann das wissen? Wer kann sicher sein, wo es Antworten gibt auf all diese Fragen? Irrende Schafe wissen nicht, wo es Wasser und gute Weide mit frischem Gras gibt. Sie haben keine Orientierung.

Petrus schreibt: Gott hat das Wunder geschenkt und Euch bekehrt, das heißt: Euch eine Umkehr geschenkt zu dem Hirten, der Euch gut führt. Bei ihm gewinnt Euer Leben Orientierung. Ihr werdet frei vom ruhelosen Suchen nach dem Sinn. Ihr findet ein Zuhause, weil Ihr einen Herrn habt, der Euch liebt und der Euch gut führt.

Christen sind nicht die besseren Menschen – diese Einteilung sollten wir gar nicht erst vornehmen. Aber Christen sind Menschen, die gefunden haben – besser: die gefunden wurden von Jesus, der sie wie ein Hirte gesucht hat. Nein, das ist keine religiöse Leistung, sondern ein großes Geschenk Gottes, das wir jedem Menschen wünschen, mit dem wir jeden Menschen gerne bekannt machen!

Weil wir an der Hand dieses Hirten sind, können wir auch lernen, Schritt um Schritt mit dem umzugehen, was Menschen an uns heran tragen, auch mit Verletzungen und bösen Worten.
Jesus ist unser großes Vorbild – aber es geht nicht um die übergroße Anstrengung ihn zu kopieren. Es geht um das, was er uns längst geschenkt hat: Vergebung und Freiheit von Schuld – und daraus mutige Schritte, nun auch zu lieben wie er, nun auch Lasten zu tragen und anderen zu vergeben, was sie uns tun.

Mich hat es sehr beeindruckt, zu hören, wie die Verantwortlichen der angegriffenen christlichen Kongresse mit den Vorwürfen und Provokationen umgingen: sachliche Stellungnahmen, in denen sie in fairer Weise die Vorwürfe der Gegner zurückweisen und beschreiben, wer sie sind und was sie wollen. Kein Wort des Hasses, kein Zurückzahlen mit gleicher Münze. Menschen, die von Jesus frei gemacht wurden und die er geprägt hat. Es ist das große Geschenk Jesu, wenn er mit uns diesen Weg geht.

Ehre sei dem Herrn.

Verfasser: Pfarrer Johannes Seemann, Obere Bergstraße 1, 35216 Biedenkopf

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