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Der gute Hirte

von Martin Herzfeld (98527 Suhl)

Predigtdatum : 10.04.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Quasimodogeniti
Textstelle : Hesekiel 34,1-2.(3-9).10-16. 31
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Wochenspruch:

Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben. (Johannes 10,11.27.28)
Psalm: 23 (EG 711)

Lesungen

Altes Testament:
Hesekiel 34,1-2.(3-9).10-16.31
Epistel:
1. Petrus 2,21b-25
Evangelium:
Johannes 10,11-16.(27-30)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 162
Gott Lob, der Sonntag kommt herbei
Wochenlied:
EG 274
Der Herr ist mein getreuer Hirt
Predigtlied:
EG 262
oder EG 265
Sonne der Gerechtigkeit
Nun singe Lob, du Christenheit
Schlusslied:
EG 243
Lob Gott getrost mit Singen

1 Des HERRN Wort geschah zu mir: 2 Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? [3 Aber ihr esst das Fett und kleidet euch mit der Wolle und schlachtet das Gemästete, aber die Schafe wollt ihr nicht weiden. 4 Das Schwache stärkt ihr nicht und das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht zurück und das Verlorene sucht ihr nicht; das Starke aber tretet ihr nieder mit Gewalt. 5 Und meine Schafe sind zerstreut, weil sie keinen Hirten haben, und sind allen wilden Tieren zum Fraß geworden und zerstreut. 6 Sie irren umher auf allen Bergen und auf allen hohen Hügeln und sind über das ganze Land zerstreut und niemand ist da, der nach ihnen fragt oder auf sie achtet. 7 Darum hört, ihr Hirten, des HERRN Wort! 8 So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: Weil meine Schafe zum Raub geworden sind und meine Herde zum Fraß für alle wilden Tiere, weil sie keinen Hirten hatten und meine Hirten nach meiner Herde nicht fragten, sondern die Hirten sich selbst weideten, aber meine Schafe nicht weideten, 9 darum, ihr Hirten, hört des HERRN Wort!]
10 So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern; ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind, und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen.
11 Denn so spricht Gott der HERR: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. 12 Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es trüb und finster war. 13 Ich will sie aus allen Völkern herausführen und aus allen Ländern sammeln und will sie in ihr Land bringen und will sie weiden auf den Bergen Israels, in den Tälern und an allen Plätzen des Landes. 14 Ich will sie auf die beste Weide führen, und auf den hohen Bergen in Israel sollen ihre Auen sein; da werden sie auf guten Auen lagern und fette Weide haben auf den Bergen Israels. 15 Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der HERR. 16 Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist. 31 Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der HERR.

Vorbemerkungen
Hesekiel lebte im 6. Jahrhundert vor Christus. Sein Berufungserlebnis hat er unter den Deportierten in Babylon. Aber seine prophetischen Reden wenden sich sowohl an die Deportierten als auch an die Zurückgebliebenen.
Das ganze Kapitel 34 ist ein Gleichnis. Im Alltagsleben angesiedelt, erzählt es von den Forderungen Gottes an Israels Könige und zugleich vom kommenden Heil, wenn Gott selber regiert. Dieses Gleichnis von den Schafen und den Hirten ist so eindrücklich, dass es immer wieder benutzt wurde, auch von Jesus. Im Evangelium des Sonntags kehrt es wieder. Zugleich ist dieses Gleichnis so durchsichtig, dass nicht erst erklärt werden muss, wer mit den Hirten und wer mit den Schafen gemeint ist. Vom ersten Hören an ist das klar. So muss auch in der Predigt nicht übergenau zwischen Bildhälfte und Sachhälfte geschieden werden. Die Bilder sprechen selber.
Zwischen Vers 17 und 29 finden sich zwei Erweiterungen: Ein neuer David als der gute Hirte; der Friedensbund zwischen Gott und seinem Volk. Diese beiden Erweiterungen sind im Predigttext weggelassen. Wenn die Länge des Predigttextes keine Zumutung ist, kann aber Vers 1 bis 16 vollständig vorgelesen werden. Sie gehören zusammen.

Liebe Gemeinde!
„Ich will an die Hirten!“, sagt Gott. Das kann doch alle Schafe nur freuen! So eindeutig und klar geht es gegen „die da oben“. Sie machen ja auch alles falsch. „Sie weiden sich selbst“, das heißt: Sie wirtschaften in die eigene Tasche. Die Regierenden besorgen sich selber oder ihrer Partei angenehme Vergünstigungen. Die Großen in der Wirtschaft besorgen sich Gehälter, die sie niemals verdient haben können. So viel kann kein Mensch arbeiten, also ist es unrecht erworbenes Gut, anderen weggenommen. Für die Reichen sollte Gemeinwohl vor Eigennutz gehen, aber das haben die meisten wohl vergessen. „Privat geht vor Katastrophe“, hat man in der DDR gesagt und meinte damit die kleinen privaten Vorteile.
Die Großen scheinen in einer Art Sozialismus nur für Reiche zu leben, hoch subventioniert, und einen sozialen Absturz kann es nicht geben. Die Kleinen aber leben im Kapitalismus und müssen zahlen. So deutliche Kritik wird den „Schafen“, also den kleinen Leuten, sehr gefallen. Merkwürdig, dass sich so wenig geändert haben soll seit Hesekiels Zeiten. Dabei sind in dieser Gottesrede die Grundsätze für gutes Regieren gleich mitgeliefert: Das Schwache stärken, das Kranke heilen, das Verwundete verbinden, das Verirrte zurückholen, das Verlorene suchen, das Starke behüten. Das klingt sehr einleuchtend, wie selbstverständlich. Aber welche Regierung und welche führenden Wirtschaftsleute hätten sich je so verhalten? Sind das nicht Wunschträume?
Trotzdem lässt Gott nicht ab von seiner Forderung. Hesekiel trägt diese politische Gottesrede vor. Er tut das für ein geteiltes Volk: Die einen sind deportiert worden und sitzen nun in Babylonien. Die anderen sind noch zu Hause, in Juda, aber unter schlechten wirtschaftlichen und politischen Bedingungen. Sie erleben es also bereits, wohin eine schlechte Regierung führt: In die Zerstreuung der Herde und ins Elend. Aber diese Rede soll nicht dazu führen, dass alle kopfnickend sagen: „Ja, ja, so ist das.“ Im Gegenteil, sie soll dazu führen, dass sich diese schlimmen Umstände ändern!
Gott erhebt einen Anspruch an die Regierung, den unsere Regierenden und Wirtschaftsbosse garnicht haben: Sie sollen auf die Propheten hören. Aber nicht auf solche, die ihnen nach dem Munde reden, sondern auf die kritischen. Sie sollen auf Gottes Forderung nach Gerechtigkeit hören. Sie sollen die Bereicherung der Reichen auf Kosten der Armen nicht zulassen. Gottes Gebote sollen eingehalten werden, auch im Bereich der Ökonomie. Die Könige Israels kannten diesen Anspruch, waren sie doch gesalbt worden, um Gottes Willen zu erfüllen. Trotzdem haben sich die wenigsten daran gehalten.
Heutige Regierungen müssen sich nicht auf Gottes Wort verpflichten, aber ihre Wahlversprechen halten sie trotzdem nicht. Und heutige Wirtschaftsgrößen vergessen schnell, dass „Eigentum verpflichtet“, und fühlen sich zu nichts mehr verpflichtet.
Wie aber ist das in der Kirche, unter den Menschen, die Gottes Anspruch kennen?
Wird innerhalb unserer Kirche das Schwache gestärkt, das Verwundete verbunden, das Verlorene gesucht, das Starke behütet? Oder finden wir die Starken zu anstrengend, so dass sie sich lieber woanders engagieren? Geben wir die Verlorenen verloren, statt uns auf die Suche zu begeben? Und was geschieht mit den Verletzten und den Schwachen: Bleiben sie im Raum der Kirche verletzt und schwach, oder werden sie gestärkt und ihre Wunden verbunden?
Zum Glück hat die scharfe kritische Gottesrede noch eine andere Seite: Er will nicht nur die Hirten entmachten und absetzen, er will selber der Hirte seines Volkes sein. Dann wird es der Herde gut gehen. Jeder wird zu seinem Recht kommen. Frisches Gras und sauberes Wasser wird da sein für alle Schafe. Kein Verlorenes wird verloren bleiben. Für jedes Kranke gibt es Heilung. Weder Starke noch Schwache werden auswandern aus dem Volk Gottes, denn beide werden gebraucht und finden ihren Platz. Gerechtigkeit wird regieren, wenn niemand mehr regiert außer Gott.
Diese Verheißung klingt wie ein Traum, wie eine wunderbare Vorschau auf eine bessere Welt, die noch nicht da ist. Aber sie ist mehr als das. Denn es ändert sich jetzt gleich etwas durch diese Verheißung:
In der Kirche wissen wir: Weder Pfarrer noch Bischöfe, weder Synoden noch Gemeindekirchenräte regieren die Kirche. Der Herr der Kirche selber weidet seine Schafe. Damit ist nicht etwa alle Leitungsarbeit in der Kirche abgeschafft. Das muss schon weitergehen, dass wir Gemeindekirchenräte und Synoden und auch Bischöfe wählen, ihnen gute Arbeit zutrauen, für sie beten.
Aber wer mit dieser Verheißung lebt, bringt noch etwas dazu: Wenn in einem Gemeindekirchenrat die übliche Andacht gehalten worden ist und alle „Amen“ gesagt haben, dann ist damit das Hören auf Gottes Wort nicht zu Ende. Es zeigt sich auch noch in den Entscheidungen. Sie sind dann nicht von Ängstlichkeit und Kleinglaube, sondern von Mut geprägt. Es wird durch diese Entscheidungen ein öffnender, fantasievoller Geist wehen. Gottes Volk ist weltweit, da wird das Denken in einer Gemeinde bestimmt auch weiter reichen, als der Schatten des eigenen Kirchturms fällt. Wer in einer Entscheidung unterliegt, wird nicht mit Groll im Herzen die Gemeinde verlassen. Er weiß, wie fehlerhaft und vorläufig menschliche Entscheidungen sind.
Selbst das beste Gremium kann sich irren. Im Volk Gottes werden wir gelassen umgehen mit unseren Fehlern. Das gilt für die eigenen Fehler wie für die anderer, über die wir uns gerade sehr ärgern. Wir wissen ja, welche Kraft Vergebung hat. Nur darf sie nicht missbraucht werden, um Engstirnigkeit oder Rechthaberei zu bemänteln.
Und was geschieht, wenn wir die Verheißung Gottes auf Politik und Wirtschaft beziehen? Mindestens so viel, dass Christen immer das Recht der Schwächeren einklagen. Das Recht der Arbeitslosen gegenüber den gut Verdienenden. Das Recht der Flüchtlinge gegenüber den sicher Lebenden. Das Recht der Pflegebedürftigen gegenüber den Gesunden. Das Recht der Kinder und Enkel gegenüber denen, die heute Schulden machen.
Darüber hinaus könnten Christen deutlich machen: Alle Macht ist nur geliehen. Sie ist anvertraut, um sie für die Anvertrauten zu nutzen. Niemand ist fehlerlos. Warum sollten sich nicht Politiker dadurch auszeichnen, dass sie Fehler zugeben? Wer heute regiert, wird nicht gesalbt, nicht einmal eingesegnet für sein Amt. Aber unsere Fürbitte wird er bitter nötig haben - und wir als die Regierten auch.
Gott will selber seine Schafe weiden. Diese Verheißung tritt nicht erst übermorgen in Kraft, sondern heute. Amen.

Verfasser: Sup. Pfr. Martin Herzfeld,  Kirchgase 10, 98527 Suhl

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