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Der gute Hirte

von Martin Hecker (Bad König)

Predigtdatum : 05.05.2019
Lesereihe : I
Predigttag im Kirchenjahr : Miserikordias Domini
Textstelle : Johannes 10,11-16(27-30)
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Wochenspruch: "Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben." (Johannes 10,11a.27.28a)

Psalm: 23

Predigtreihen

Reihe I: Johannes 10,11-16(27-30)
Reihe II: 1. Petrus 2,21b-25
Reihe III: Hesekiel 34,1-2(3-9)10-16.31
Reihe IV: Johannes 21,15-19
Reihe V: 1. Petrus 5,1-4
Reihe VI: 1. Mose 16,1-16

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 452, 1 - 5 Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied: EG 274 Der Herr ist mein getreuer Hirt
Predigtlied: EG 370, 11 - 12 Warum sollt ich mich denn grämen?
Schlusslied: EG 171, 1 - 4 Bewahre uns, Gott

Predigttext Johannes 10, 11 - 16 (27 - 30)

Der gute Hirte

11 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.
12 Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie –,
13 denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe.
14 Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich,
15 wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.
16 Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.
17 Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich's wieder empfange.
18 Niemand nimmt es von mir, sondern ich selber lasse es. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu empfangen. Dies Gebot habe ich empfangen von meinem Vater.
19 Da entstand abermals Zwietracht unter den Juden wegen dieser Worte.
20 Viele unter ihnen sprachen: Er ist von einem Dämon besessen und ist von Sinnen; was hört ihr ihm zu?
21 Andere sprachen: Das sind nicht Worte eines Besessenen; kann denn ein Dämon die Augen der Blinden auftun?
22 Es war damals das Fest der Tempelweihe in Jerusalem, und es war Winter.
23 Und Jesus ging umher im Tempel in der Halle Salomos.
24 Da umringten ihn die Juden und sprachen zu ihm: Wie lange hältst du uns im Ungewissen? Bist du der Christus, so sage es frei heraus.
25 Jesus antwortete ihnen: Ich habe es euch gesagt, und ihr glaubt nicht. Die Werke, die ich tue in meines Vaters Namen, die zeugen von mir.
26 Aber ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht von meinen Schafen.
27 Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir;
28 und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.
29 Was mir mein Vater gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann es aus des Vaters Hand reißen.
30 Ich und der Vater sind eins.

 

„Ich bin der Größte!“, behauptete Mu­hammed Ali und sagte damit allen Konkurrenten den Kampf an. „Ich bin ein Berliner!“, verkündete John F. Kennedy und erklärte sich damit solidarisch mit einer arg geplagten Stadt und ihren Menschen.

„Ich bin der gute Hirte!“, ruft Jesus. Und damit sagt er allen falschen Hirten den Kampf an und erklärt sich zutiefst solidarisch mit den ihm anvertrauten Menschen.

„Ich bin“ sagt Jesus. Nicht: „Ich möchte gerne sein“. Nicht: „Ich könnte werden, wenn ihr mich unterstützt.“ Nicht: „In mir steckt das Zeug dazu.“ Nein. Ganz einfach: „Ich bin!“.

Auch nicht: „Ich bin im Moment – bis ein anderer kommt, der größer ist. Ich bin heute – und übermorgen sitze ich wieder in Washington und Berlin ist weit weg.“ Nein, Jesus sagt ein für alle Mal: „Ich bin“, und das gilt heute genauso wie damals.

Und immer, wenn Jesus den Mund öffnet und sagt: „Ich bin“, dann wird etwas deutlich von seiner Größe, von seiner Herrlichkeit, von seiner Einzigartigkeit. So auch hier: „Ich bin der gute Hirte!“ Ich bin der, von dem der 23. Psalm redet. Ich bin der, den Gott seinem Volk angekündigt hat. Ich bin der, der gekommen ist, um euer Leben in Ordnung zu bringen. Ich bin‘s. Ich, Jesus.

Weiter vorne im Kapitel wird geschildert, was sich zurzeit von Jesus bei einer Schafherde an jedem Morgen abspielte: Über Nacht waren die Schafe in die Hürden gebracht worden, in ein eingezäuntes Gelände, das ihnen Schutz bot. Morgens öffnet dann der Hirte die Tür und ruft seine Schafe. Und die Schafe erkennen sofort die Stimme ihres Hirten und lassen sich von ihm herausführen.

(1) „Meine Schafe hören meine Stimme“, sagt Jesus. Und damit ist an uns eine ganz schlichte Frage gestellt: Wen hören wir? Auf wen hören Sie? Wem leihen Sie Ihr Ohr? Wer regiert Ihre Phantasie? Woher beziehen Sie Ihre Maßstäbe? Wer darf Ihnen ins Leben reinreden?

Hören Sie auf die vielen Stimmen, die heute von allen Seiten auf uns einstürmen? Auf die verführerischen Schalmeientöne der Werbeprofis? Auf die Misstrauen säenden Hasstiraden in den sozialen Medien? Oder versuchen Sie, in Ihrem Alltag auf die Stimme des guten Hirten zu hören? Es ist eine Tatsache: Die Stimmen, denen wir in unserem Leben Raum geben, bestimmen unser Denken und Tun. Und deshalb ist es wichtig, dass wir uns dieser Frage ehrlich stellen.

Ich lade Sie herzlich ein: Hören Sie doch auf die Stimme des guten Hirten!

Jesus ist zu hören im Lesen der Bibel. Da kann’s passieren, dass Sie das alte Buch aufschlagen und auf einmal merken: Das ist ja topaktuell, was da steht. Das gilt mir!

Die Stimme des guten Hirten ist zu hören in geistlichen Liedern, die z. B. in Zeiten der Trauer tiefen Trost geben können. Trost vom Gott allen Trostes.

Jesus spricht Menschen auch im Gottesdienst an. Immer wieder geschieht das Wunder, dass sich im hilflosen Gestammel eines Pfarrers oder einer Prädikantin der gute Hirte selbst zu Wort meldet und einen Menschen ganz persönlich und konkret anspricht.

Der gute Hirte redet auch zu uns durch unser Gewissen. Das ist eine wunderbare Gabe Gottes, durch die er uns lenken und leiten und in manch gefährlicher Situation bewahren will.

Und, und, und … Er hat so viele Möglichkeiten, sich zu Wort zu melden. Ich lade Sie ein: Hören Sie auf diesen guten Hirten. Werden Sie – jeden Tag neu – ganz Ohr für ihn. Ich will Ihnen Mut machen zu einem lauschenden, hörenden Leben.

Mühselige und Beladene können hören, wie der Hirte sie ruft: „Kommt her zu mir! Ich will euch erquicken!“
Schuldige hören aus seinem Mund das befreiende Wort: „Dir sind deine Sünden vergeben.“ Und dann auch: „Geh hin und sündige nicht mehr!“
Menschen, deren Leben ein Scherbenhaufen ist, weil vielleicht die Ehe zerbrochen ist, bekommen zu hören: „Siehe, ich mache alles neu!“
Jedem einzelnen Schaf in der Herde des guten Hirten gilt das Wort: „Siehe, ich bin bei dir alle Tage!“
Und jeder, der sein Leben sinnlos und leer findet, darf sich von ihm sagen lassen: „Ich bin gekommen, dass du das Leben haben sollst. Leben im Überfluss.“

Verstehen Sie, dieser Hirte reißt keinem die Ohren ab, sondern er füllt unsere Ohren und Herzen mit seiner frohen Botschaft. Dieser gute Hirte zieht keinem die Hammelbeine lang, sondern er richtet uns auf, stellt uns auf die Füße und geht unsern Weg mit uns.

„Meine Schafe hören meine Stimme“, sagt Jesus, und weiter:

(2) „und ich kenne sie.“

Für mich ist das immer wieder erstaunlich. Ich als Laie kann mir das kaum vorstellen: Inmitten der vielen Schafe kennt der Hirte die Seinen. Wo für uns alles ganz gleich aussehen mag, da erkennt er Unterschiede. Eigenheiten, Besonderheiten, die jedes Schaf zu einem einmaligen Wesen machen. Keine wollige Massenware, keine blökenden 08/15-Exemplare, sondern Stück für Stück eine Sonderanfertigung aus der Schöpferwerkstatt Gottes.

Und von jeder und jedem Einzelnen sagt Jesus: „Ich kenne sie!“ Jeder Mensch heute in diesem Gottesdienst, jeder von Euch und Ihnen, ist ein Mensch, den dieser Hirte kennt. Jeder, der Ihnen nächste Woche auf der Straße oder im Verein oder am Arbeitsplatz begegnet, jede, mit der Ihr in der Schule zu tun bekommt, ist ein Mensch, den Jesus kennt.

Mit so manchen seiner Schafe verbindet der Hirte ganz persönliche Geschichten: „Dich habe ich schon mehrmals suchen müssen, weil du dich verlaufen hattest. Jedes Mal habe ich dich wieder nach Hause geführt.“ – „Um dich habe ich mich von klein auf ganz besonders intensiv gekümmert.“ – „Und du, du bist mir erst spät begegnet. Hast lange gemeint, du kämst alleine klar, hattest deinen eigenen Sturkopf. Bis du begriffen hast, dass du bei mir wirklich besser aufgehoben bist.“ – „Dich habe ich wochenlang gepflegt, als dich die Kräfte verlassen hatten. Ganz spezielle Kräuter habe ich für dich gesucht, damit du wieder heil werden konntest.“

Mit Ihnen allen hat Jesus seine Geschichte. Mancher hat sich oft von ihm abgewandt und durfte erfahren, dass der Hirte ihn trotzdem nicht im Stich ließ. Ein Anderer durfte ihn von klein auf kennen. Manch eine ist ihm jahrelang aus dem Weg gegangen, bis sie an einen Punkt kam, an dem sie merkte, dass sie alleine nicht zurechtkam und dass Jesus genau das hatte, was sie brauchte. Wieder andere haben in Zeiten der Krankheit seine besondere Zuwendung erfahren, oder sein Durchtragen in großer Trauer, seine Unterstützung bei schweren Entscheidungen, sein liebevolles Mitgehen auf einem schwierigen Weg.

Jede dieser persönlichen Geschichten ist anders. Aber jede ist gekennzeichnet von der großen Liebe des guten Hirten. Er gibt keinen verloren. Er lässt niemanden links liegen. Er geht jedem nach. Er sorgt sich um jede Einzelne.

Ich staune über diesen Hirten, der zu jedem sagen kann: Ich kenne dich. Und noch mehr staune ich darüber, dass er niemanden abweist, obwohl er jeden kennt. Dass Jesus mich liebt, obwohl er mich so gut kennt, das lässt mich immer wieder staunen – und macht mich froh.

Jesus liebt mich, Jesus liebt Sie und Euch und Dich, obwohl er uns durch und durch kennt. Mit allen Ecken und Kanten, mit allen Schrullen und unangenehmen Seiten, mit allem, was wir am liebsten geheim halten wollen.

Bei ihm braucht sich niemand davonzustehlen, weil er denkt: Ich bin ja doch bloß ein schwarzes Schaf. Ich passe nicht zu den andern mit der weißen Weste. Der gute Hirte will bestimmt nur makellose Tiere. Weit gefehlt: Er hat Platz für jedes schwarze Schaf.

Bei ihm muss keiner verschämt auf der Seite stehen, weil er meint, er könne nicht so viel wie die andern, er gebe weniger Milch und die Wolle sei auch nicht so gut. Bei diesem Hirten sind nicht Leistung und Ertrag das oberste Prinzip, sondern Liebe. Er kümmert sich um jeden Schwachen. In seinen Augen gibt es keine und keinen, die und der weniger wert wäre als die andern.

„Ich kenne sie“ sagt Jesus. Und weiter:

(3) und sie folgen mir

So wie Petrus ihm gefolgt war. Der hatte die Stimme von Jesus gehört. Dann hatte er erkannt und bekannt: „Ich bin ein sündiger Mensch.“ Und als Jesus dann zu ihm sagte: „Folge mir nach“, da ließ er Boot und Netz liegen und ging mit Jesus.

So wie Zachäus. Der war von Jesus ganz persönlich angesprochen worden. Er hatte erfahren, dass Jesus mit ihm zu tun haben wollte, während alle andern ihm mit gutem Grund nur den Rücken zukehrten. Er folgte Jesus, lud ihn ein in sein Haus. Und sein Leben wurde heil.

So wie Paulus. Der wurde vom Verfolger zum Nachfolger.

So wie Franz von Asissi, so wie Martin Luther, so wie Dietrich Bonhoeffer, so wie viele Menschen hier in unserm Ort, so wie viele von Ihnen – bis hin zu so manchen Konfirmanden, die’s ganz ernst meinen mit einem Leben mit Jesus.

„Meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir.“ Das ist kein bloßer Herdentrieb, wenn die Seinen dem guten Hirten nachfolgen. Das ist kein blinder Gehorsam, kein Mitmachen, weil’s alle so machen, sondern wer diesem Herrn folgt, der weiß: Etwas Besseres kann mir überhaupt nicht passieren. Nirgends gibt’s größere Freiheit als wenn ich mich an ihn halte.

Wem sollte ich denn sonst folgen, wenn nicht dem, der mich auf einer grünen Aue weidet, wo ich alles finde, was ich für ein erfülltes Leben brauche? Wem sollte ich denn sonst folgen, wenn nicht dem, der mich zum frischen Wasser führt, wo ich meinen Lebensdurst stillen kann? Wem sollte ich denn sonst folgen, wenn nicht dem, der mich auf rechter Straße führt, damit ich nicht orientierungslos durchs Leben stolpere? Wem sollte ich denn sonst folgen, wenn nicht dem, der selbst im finstern Tal bei mir ist, der die Angst von mir nimmt, der Trost schenkt und weiterhilft? Wem sollte ich denn sonst folgen, wenn nicht dem, der sein Leben für mich gegeben hat?

Denn das unterscheidet ja den guten Hirten Jesus von allen andern Hirten. Er setzt sich mit seinem Leben für seine Schafe ein. Um im Bild zu bleiben: Als die Wölfe die Herde angreifen, stellt er sich vor seine Schafe. Die Wölfe erwischen nur ihn, aber nicht die Schafe. Das kostet ihn das Leben. Und uns wird das Leben ermöglicht.

Wem sollte ich denn sonst folgen, wenn nicht dem guten Hirten Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen? Er sagt: „Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir

(4) und ich gebe ihnen das ewige Leben.“

Darauf läuft alles hinaus, was der gute Hirte will und tut, wofür er sich einsetzt und wozu er uns einlädt: Das ewige Leben. Das ist nicht einfach Leben nach dem Tod, sondern das ist Leben mit einer ganz neuen Qualität. Erfülltes Leben. Leben voller Leben. Leben in der persönlichen Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott. Vor und nach dem Tod. Das ist das Ziel unseres Lebens, dass wir in die Gemeinschaft mit Gott kommen. Und an dieses Ziel führt uns der gute Hirte.

„Ich bin!“, sagt Jesus. „Ich bin der gute Hirte.“ Ich will jetzt auch sagen: „Ich bin! Ich bin gerne Schaf – solange ich diesem Hirten nachfolgen darf.“

Verfasser: Pfarrer Martin Hecker, Martin-Luther-Straße 9a, 64732 Bad König


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