Wochenspruch:
"Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben." (Johannes 10, 11 a.27.28 a)
Psalm: 23 (EG 711)
Lesungen
Altes Testament: Hesekiel 34, 1 - 2 (3 - 9) 10 - 16.31
Epistel: 1. Petrus 2, 21 b - 25
Evangelium: Johannes 10, 11 - 16 (27 - 30)
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 288 Nun jauchzt dem Herren alle Welt
Wochenlied: EG 274 Der Herr ist mein getreuer Hirt
Predigtlied: EG 630 Wo ein Mensch Vertrauen gibt
Schlusslied: EG 616 Auf der Spur des Hirten
Liebe Gemeinde,
manchmal brauchen wir einen Vorschuss. Ich meine das erst mal ganz profan auf Geld bezogen. Z.B. wenn wir mit dem Haushaltsgeld nicht klargekommen sind: es hat unerwartete Ausgaben gegeben, wir haben etwas gekauft, das unsere Mittel überstiegen hat oder ein wichtiges Gerät im Haushalt oder gar unser Auto ist kaputt gegangen, dann wird ein Vorschuss nötig. Früher musste man mit seiner Bitte direkt zum Arbeitgeber gehen, heute, im Zeitalter der Girokonten, geht man zur Bank und nimmt den Dispo-Kredit in Anspruch. Irgendwann wird sich erweisen, ob man den Vorschuss auch zurückzahlen kann. Oder: Jemand hat eine tolle Idee und will sich selbständig machen, auch dazu braucht er oder sie einen Geldgeber, der bereit ist, im Voraus zu bezahlen, zu investieren, in der Erwartung, dass diese Idee auch finanziell erfolgreich sein wird. Erst in der Zukunft wird sich zeigen, ob es gut und richtig war, diesen Vorschuss zu bezahlen.
Um einen Vorschuss geht es auch im Predigttext, der für diesen Sonntag vorgeschlagen ist, allerdings ist dabei kein Geld im Spiel sondern Vertrauen in das Handeln eines Menschen. Simon Petrus, einer der Jünger Jesu bekommt einen ganz großen Vertrauensvorschuss, obwohl… . Aber hören Sie erst einmal den Abschnitt aus dem Johannesevangelium, in dem davon erzählt wird.
Johannes 21, 15 – 19
15 Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich
lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer!
16 Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
17 Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb? und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
18 Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst.
19 Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!
Liebe Gemeinde,
schauen wir uns die Szene am See damals ein bisschen genauer an. Es war noch früh am Morgen, Ostern war Erinnerung, die Jünger hatten ihre alltäglichen Beschäftigungen wieder aufgenommen. Der Auferstandene war schon einige Male wieder mit ihnen zusammen gewesen, sie hatten mit Jesus geredet, er hatte mit ihnen das Brot geteilt, Thomas, der Zweifler hatte ihn sogar berühren dürfen und gerade eben, am See Tiberias, hatten sie wieder zusammen gegessen, nachdem sie unglaublichen Erfolg beim Fischen gehabt hatten. Jetzt, nach dem Essen, nimmt Jesus den Jünger Simon Petrus beiseite und stellt ihm zweimal dieselbe Frage: “Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb. Der Gefragte antwortet ja, das weißt du doch und wird traurig, dass Jesus noch ein drittes Mal nachfragt. Ich stelle mir vor, dass er sich in diesem Moment an einige besondere Situationen aus der Zeit der Wanderschaft mit Jesus erinnert und dass er erkennt, dass Jesus allen Grund hat, dreimal nachzufragen, ihm wie es scheint zu misstrauen. Simon Petrus erinnert sich daran, dass er zu Jesus über das Wasser laufen wollte, unterwegs aber den Mut verloren hatte und voller Zweifel fast untergegangen war, er erinnert sich daran, dass er sich nicht damit begnügen wollte, von Jesus die Füße gewaschen zu bekommen, nein, wenn schon, dann sollte es der ganze Mann sein. Und er erinnert sich an die vielleicht schlimmste Situation in seinem Leben, als er Jesus verleugnet hatte: „Nein, diesen Menschen kenne ich nicht.“ Mit diesen Erinnerungen im Kopf ist es Simon Petrus wohl nicht leicht gefallen, einigermaßen gelassen auf die Fragen Jesu zu antworten. Und dann auch noch dieser Auftrag: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe, folge mir nach.“
Ich stelle mir vor, dass dieser ehemalige Fischer Simon immer ein wenig großspurig gewesen ist. „Na klar Jesus, ich bleibe an deiner Seite, nichts und niemand wird mich von dir trennen können, ich bin dir treu bis in den Tod. Ich tue alles für dich, egal, was auch kommen mag.“ Die Evangelisten erzählen davon, dass er sich damit selbst völlig überschätzt hat. Als es darauf ankommt, sinkt ihm der Mut und er bekommt Angst, Jesus muss ihm aus dem Wasser helfen. Als es darauf ankommt, will er niemals etwas mit diesem Jesus zu tun gehabt haben und erst der krähende Hahn erinnert ihn daran, dass Jesus genau diese Situation vorhergesagt hatte. Als Jesus ihn nun fragt, liebst du mich, da hört sich seine Antwort eher kleinlaut an: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebhabe.“ Wenige Worte nur und dreimal dieselben. Was mag in ihm vorgegangen sein? Schämt er sich? Hat ihn der Auftrag, den ihm Jesus in diesem Augenblick gibt, sprachlos gemacht? Hat er nicht mehr damit gerechnet, dass er für die Zukunft, in der Jesus nicht mehr da sein wird, eine Bedeutung haben könnte? Kann er deshalb nur immer wieder das gleiche sagen?
„Weide meine Lämmer, weide meine Schafe“, dieser Auftrag ist neben dem Auftrag: „Geht und predigt das Evangelium und tauft alle Völker (Missionsbefehl)“ wichtiger ist als alles, was die Jünger bis dahin gehört haben. „ Weide meine Lämmer, weide meine Schafe“, das heißt doch: kümmere dich um die Menschen, so wie ich es tun würde, sei ihnen ein guter Hirte, so wie ich es bin, übernimm die Verantwortung für die Menschen und zeige ihnen den Weg zu einem Leben in der Liebe und im Frieden Gottes. Der großspurige Simon, der so oft versagt hat, soll zum Hirten der Herde Gottes werden! Eigentlich ist das unglaublich: nicht der treueste, verlässlichste, ehrlichste der Jünger wird dazu ausersehen, eine Art stellvertretender Hirte zu werden, wenn der Gute Hirte Jesus nicht mehr da sein wird. Ausgerechnet der unzuverlässige großspurige Simon Petrus soll es sein. Er bekommt einen Vorschuss an Vertrauen, mit dem er sicher nicht gerechnet hat und wohl auch im Traum nicht gewagt hätte, von sich aus Jesus darum zu bitten. Jesus gibt ihm diesen Vorschuss ohne Bedenken, mit schlichten Worten: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe, folge mir nach.“ Und Simon Petrus, was tut er? Wie geht seine Geschichte weiter? In der Bibel können wir es nachlesen: Er wird seinem Namen Petrus gerecht werden, er wird Petrus, der Fels, auf den Jesus seine Kirche bauen wird.
Jesus und damit Gott gibt einem Menschen einen Vorschuss an Vertrauen, das lese ich aus dieser Begegnung und dem Gespräch zwischen Simon und Jesus heraus. Und noch etwas: Nicht nur Simon Petrus, damals vor langer Zeit hat diesen Vorschuss an Vertrauen bekommen. Auch heute noch gibt Gott diesen Vertrauensvorschuss jedem Menschen, der getauft wird. Gott traut uns zu, dass wir eines Tages Aufgaben in seiner Kirche, in seiner Gemeinde und überall dort übernehmen können, wo Menschen in seinem Namen versammelt sind. Er traut uns das zu, auch wenn wir früher vielleicht nicht die zuverlässigsten waren, auch wenn wir manchmal zu großspurig sind und im entscheidenden Moment dann doch einen Rückzieher machen. Er traut uns zu, dass wir einander von Gottes Liebe und Erbarmen erzählen, dass wir versuchen, in unserem Alltag nach dem Vorbild zu leben, das Jesus gegeben hat. Er traut uns zu, dass wir im Kindergottesdienst oder im Konfirmandenunterricht unsere Erfahrungen mit dem Glauben weitergeben, er traut uns zu, dass wir uns um andere kümmern, zum Beispiel im Besuchskreis unserer Gemeinde, er traut uns zu, dass wir Verantwortung für einander übernehmen, zum Beispiel, wenn wir im Kirchenvorstand mitarbeiten, er traut uns zu, dass wir an unserem Arbeitsplatz deutlich machen, dass wir Christen sind. Gott traut seinen Menschen viel zu und er will, dass wir wie Petrus seinen Auftrag hören: „Folge mir nach.“
Und wenn Gott uns so viel zutraut, sollten wir Christen untereinander das nicht auch können? Sollten wir nicht auch in der Lage sein, uns gegenseitig mit einem Vorschuss an Vertrauen, an Zutrauen in die Fähigkeiten des oder der anderen zu begegnen. Es gibt Lebensabschnitte, da geht es gar nicht ohne diesen Vertrauensvorschuss. Wie sollten Eltern ihre Kinder jemals loslassen können, wenn sie nicht darauf vertrauen würden, dass die Kinder ihr Leben auch ohne elterliche Anweisung und Unterstützung meistern werden. In Kindergärten und Schulen könnte keine Erzieherin, kein Lehrer sinnvoll arbeiten, wenn die Eltern ihnen nur mit Misstrauen begegnen würden und alles in Zweifel zögen, was passiert. Und in unseren Kirchengemeinden wird es immer wichtiger, dass wir anderen zutrauen, eigene Ideen zu entwickeln und auf ihre eigene Weise dabei mitwirken, dass die Gemeinden lebendig und einladend bleiben und niemand ausgeschlossen wird.
Allerdings, wir können nur hoffen, dass es uns gelingt, anderen immer wieder einen Vertrauensvorschuss zu geben. Enttäuschungen machen uns misstrauisch. Wenn ich zweimal feststellen musste, dass die Kollegin aus dem Besuchsdienst die übernommenen Besuche nicht gemacht hat, werde ich sie nicht ein drittes Mal bitten wollen. Rufe ich mir allerdings die Begegnung zwischen Jesus und Simon Petrus ins Gedächtnis, dann – vielleicht – hoffentlich- werde ich es doch tun.
Der Auftrag, den Jesus ihm gegeben hat, hat den Jünger verändert, er hat das Vertrauen, das in ihn gesetzt worden ist, nicht enttäuscht. Es ist immer möglich, dass sich auch die Kollegin aus dem Besuchsdienst verändert und die nächsten Besuche wirklich auch macht. Wenn ich spüre, dass da jemand ist, der etwas von mir erwartet, der mir etwas zutraut, dann kann mich das verändern. Es kann mir Mut machen, meine innere Trägheit zu überwinden und die Aufgabe anzupacken.
Unser Leben als Christen beginnt mit einem Vorschuss an Vertrauen, von dem wir bis ans Ende unserer Tage zehren können. Auch wenn wir etwas falsch gemacht haben, auch wenn Fragen und Zweifel an Gottes Güte und Barmherzigkeit uns umtreiben, Gott traut uns zu, dass wir seinem Sohn nachfolgen. Trauen wir Gottes gutem Geist doch zu, dass er Sorge dafür trägt, dass wir es auch tun.
Amen
Verfasserin: Dr. Waltraud Frassine
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