Der Herr der Naturmächte
von Heinke Geiter (65510 Hünstetten)
Predigtdatum
:
02.02.2003
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Letzter Sonntag nach Epiphanias
Textstelle
:
Markus 4,35-41
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Wochenspruch:
Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern. (Psalm 66,5)
Psalm: 107,1-2.23-32
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 51,9-16
Epistel:
2. Korinther 1,8-11
Evangelium:
Markus 4,35-41
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 346
Such, wer da will, ein ander Ziel
Wochenlied:
EG 244
oder EG 346
Wach auf, wach auf, ‘s ist hohe Zeit
Such wer da will ein ander Ziel
Predigtlied:
EG 638
Ich lobe meinen Gott
Schlusslied:
EG 618
Weiß ich den Weg auch nicht
35 Am Abend desselben Tages sprach Jesus zu seinen Jüngern: Lasst uns hinüberfahren. 36 Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote bei ihm.
37 Und es erhob sich ein großer Windwirbel und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde. 38 Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?
39 Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig und verstumme! Und der Wind legte sich und es entstand eine große Stille. 40 Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?
41 Sie aber fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der? Auch Wind und Meer sind ihm gehorsam!
Liebe Gemeinde!
Uns geht es manchmal wie den Jüngern Jesu: Wir müssen aufbrechen, fort aus der bekannten Gegend, weg von den Menschen, die uns vertraut sind und die wir lieben. Wir müssen hinüberfahren ans andere Ufer. So ein Aufbruch ist mit ganz unterschiedlichen Gefühlen und Gedanken verbunden. Da sind die Menschen, die wir zurücklassen. Ein Teil unseres Lebens ist mit ihnen verbunden. Wir lassen ein Stück von uns selbst zurück, von unseren Hoffnungen und Träumen, von Freude und Leid, die unser Leben geprägt haben. Und wir spüren: Ein Abschnitt unseres Lebens ist unwiderruflich zu Ende. Es tut weh, Abschied zu nehmen, loszulassen.
Zugleich sind da Hoffnung und Vertrauen, die gewachsen sind in den guten Erfahrungen meines Lebens: Ich spüre die Hand, die mich hält, das ermutigende Wort, das meine Zweifel durchdringt, die Zusage: Ich bin mit dir in allem, was du tust.
Gespannte Erwartung erfüllt mich: Wie wird es sein am anderen Ufer? Wer wird mir entgegenkommen, und was wird mir geschehen?
Anfangs geht alles glatt. Die Handgriffe, die auf dem Schiff zu verrichten sind, sind gut eingespielte Routine. Das Schiff ist eingekehrt nach der Hektik des Tages, Zeit, sich zu besinnen, Bilanz zu ziehen, dem nachzuspüren, was war. Doch plötzlich kommt ein schwerer Sturm. Das Schiff meines Lebens wird zur Spielball der tobenden Gewalten. Es schlingert hin und her. Ich kann es nicht mehr halten. Es läuft aus dem Ruder, weil andere Kräfte stärker sind als ich. Mit Wucht trifft mich die Nachricht von der unheilbaren Krankheit oder dem plötzlichen Tod eines Freundes. Oder: Ich sehe, dass ich einen Weg gewählt habe, auf dem ich gescheitert bin. Schuldig an anderen, an mir selbst.
Oder: Ich spüre, wie meine Kräfte nachlassen. Ich werde alt und stoße an die Grenzen meines Lebens.
Die Wellen des Schmerzes und der Trauer schlagen über mir zusammen und wollen mich in die Tiefe hinabziehen. Mein Lebensschiff droht zu kentern, will im Sturm zerschellen. Immer neue Wellen rollen auf mich, drohend und gefährlich. Angst lähmt meinen Schritt und Furcht macht mich stumm. Und er – der helfen könnte – schläft.
Wo bist du Gott? Ich möchte deine Nähe spüren, Hilfe und Geborgenheit erfahren. Lass mich nicht allein in meiner Angst! Antworte – möchte ich schreien – warum? Warum geschieht das gerade mir?
Doch mein Ruf verhallt im Tosen der Wellen. Gott scheint so fern, und meine Angst wächst.
Erinnern Sie sich an solche Momente in Ihrem Leben, Momente, in denen sich der Abgrund unter Ihnen auftut und Sie hinabzustürzen drohen? Momente, in denen alles zu Ende scheint und Sie selbst abgeschnitten vom eigentlichen Leben?
Hilf mir, ich verderbe! – so manches Mal möchten wir so schreien.
Und dann geschieht es: Jesus ist da. Sturm und Wellen müssen aufhören zu toben. Plötzlich wird es ganz still und das Schiff meines Lebens fährt wieder ruhig dahin.
Und Jesus schaut mich an: Ist dein Vertrauen so klein? Erinnerst du dich nicht: Damals in der schweren Krankheit, als du dachtest, es ginge nicht weiter. Da war ich doch auch da. Schau zurück auf dein Leben: Immer wieder bin ich dir begegnet in den Menschen, die dich in den Arm nahmen, dir Liebe schenkten und Vertrauen weckten. Weißt du nicht mehr? Die Trauer, der Schmerz beim Abschied von deinen Lieben. Du dachtest: Jetzt ist alles aus. Aber ich bin den Weg der Trauer mit dir gegangen bis heute – bis du wieder leben und lachen konntest. Ich habe dir Menschen geschickt, die dir weitergeholfen haben. Ihre Nähe, ihre Liebe war meine Liebe. Und ich trage sie, deine Schuld. Ich nehme in die Hand, was dir zerbrochen ist. So öffne ich dir einen Weg in die Zukunft.
Und ich brauche dich: All die Stürme in deinem Leben, Leid und Trauer haben dich reifer gemacht. An deinem Kummer bist du gewachsen. Feinfühlig bist du geworden für die Not anderer und fähig, ihnen nahe zu sein in ihrem Leid. Gib weiter, was ich dir geschenkt habe: Verständnis, Liebe und Vertrauen. Daraus wächst die Hoffnung.
Wünsch dir nicht, dass kein weiterer Sturm dein Schiff hin und herwirft und du immer in seichten und ruhigen Wasser fahren kannst. Du musst auch die Tiefen überqueren und dich auf das Meer hinauswagen. Aber du bist nicht allein dabei. Ich bin mit dir in allem, was du tust und was dir geschieht.
Und wenn du hinüber willst ans andere Ufer, bin ich da und nehme dich an die Hand. Geborgen bei mir, kannst du alles andere loslassen.
Manchmal spürst du meine leise Berührung gar nicht. Angst und Bitterkeit, Härte und Enttäuschung sind wie ein Panzer um dich. Aber bedenke: Du musst nicht immer stark sein und tapfer und deine Gefühle verbergen. Lass deine Tränenfließen. Sie sind wichtig, Zeichen Deines Schmerzes und deiner Liebe. Ich sehe deine Tränen, und ich werde dich trösten – hier und am anderen Ufer. Lass dich fallen, es ist einer da, der dich auffängt. Es ist einer da, der Ja zu dir sagt. Ja, du bleibst in meiner Liebe geborgen heute und alle Tage bis in Ewigkeit. Amen.
Verfasser: Pfrn. Heinke Geiter, Lindenplatz 3, 65510 Hünstetten
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