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Der Herr und sein Volk

von Gregor Heidbrink

Predigtdatum : 12.08.2012
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 9. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Jesaja 62,6-12
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Wochenspruch:

Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat. Psalm 33,12

Psalm: Psalm 74,1-3.8-11.20-21

Lesungen

Altes Testament: 2. Mose 19, 1 - 6

Epistel: Röm 9, 1 - 5. (6 - 8.14 - 16)

Evangelium: Lukas 19, 41 - 48 oder Markus 12, 28 - 34

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 502 Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit

Wochenlied: EG 138 oder

EG 290 Gott der Vater steh uns bei oder

Nun danket Gott, erhebt und preiset

Predigtlied: EG 241,1.5.6 Wach auf du Geist der ersten Zeugen

Schlusslied: EG 331,9-11 Sieh dein Volk in Gnaden an

Hinführung

Zielgedanke: Die Gemeinde soll ermutigt werden, betend und arbeitend auf den Tag des Heils zu warten. Dabei wird besonders das Bild der Wächter aufgenommen. Die Berufung zum Wächteramt gilt nicht nur den Frommen Israels, sondern auch der Kirche und somit jedem Einzelnen. So gliedert sich die Predigt in die drei Teile: Zion, Kirche, eigenes Leben. Es zeigt sich: Die Wächter, das sind wir. Ob die Gliederung der Gemeinde vorgetragen wird, ist selbst zu entscheiden.

Der Predigttext ist in der Lutherübersetzung für heutige Hörgewohn-heiten etwas schwergängig; wo die Ordnung der Gemeinde nichts anderes verlangt, ist zu überlegen auf eine andere Übersetzung (z.B. Gute Nachricht) auszuweichen. Das müsste dann bei den Zitaten in der Predigt entsprechend berücksichtigt werden. Der Text sollte vorab gelesen werden.

Statt „Mein Leben“ im letzten Teil kann jeweils auch gesetzt werden „dein Leben“ – die Aufmerksamkeit der Gemeinde erhöht sich durch direkte Ansprache, aber nicht jedem liegt sie. Die Anrede der Gemeinde wie die Rahmung der Predigt durch Kanzelgruß und -segen soll nach eigenem Empfinden oder lokaler Gewohnheit geschehen.

Einleitung

Der Nachtwächter ist aus der Mode gekommen. Selbst die Sicherheitsdienste heute in den Betrieben unterscheiden sich von dem Nachtwächter von früher, der für eine ganze Stadt zuständig war. Der „Nachwächter“ in der Firma wehrt äußere Gefahren ab. Der Nachtwächter früher sorgte für die innere Ordnung. Mit Hellebarde, Horn und Laterne zog er durch die Städte. Er sagte die Stunde an, er sorgte dafür, dass Störungen und Verbrechen unterblieben. Und vor allem: Er warnte rechtzeitig vor Feuer und anderen Gefahren.

Trotzdem war der Ruf der Nachtwächter nicht der beste. Sein Job zählte sogar unter die „unehrlichen Berufe“, vom Ansehen her nur knapp über Totengräber und Kesselflicker. Und doch ein notwen-diger Dienst: Während alle im Land des Schlummers sind, bleibt einer auf Empfang.

Mit der Berufung der Wächter beginnt ein neues Handeln Gottes in Jerusalem. Auch sie haben die Aufgabe, einen inneren Feind abzu-wehren. Der Feind, für den es den lauten öffentlichen Dienst der Wächter braucht, steht im inneren der Mauern. Er schart seine Ver-bündeten gegen die Pläne Gottes mit diesem Ort. Da schleicht der Realismus angesichts einer wenig versprechenden Zukunft. Da geht der Sparzwang um und verdrängt das Träumen und die Visionen der Propheten. Und sie tun das Werk ihres Vaters, des Feindes, der die Stadt Gottes für sich einnehmen will. Dieser Feind ist der Unglaube. Er stiehlt sich durch die Stadt und kratzt an den Türen. Er fragt an und bezweifelt. Er freut sich über die, die ihn hören: „Fühlst du dich wirklich als die Gesuchte, die Stadt, die Gott liebt?“

Die Wächter halten die Verbindung zu Gott in der Zeit, in der die Anfragen laut sind. Sie wecken den Glauben und verhelfen ihm zum Recht im Kampf mit dem Unglauben. Die Stadt bleibt behütet, so-lange Wächter da sind, die aufpassen. Sie verheißen eine neue Ge-genwart Gottes nicht nur in Jerusalem, sondern auch in der christ-lichen Kirche, und bei uns persönlich. Schauen wir uns diese drei Orte genauer an!

Erstens: Die Stadt Jerusalem

Folgen wir zuerst dem Propheten nach Jerusalem! Jerusalem, Zion, das ist zunächst die Stadt, die dem Glauben recht gibt. Wer sich mit ihrer Geschichte befasst, gerät ins Staunen. Eine der ältesten Städte der Welt, heilig in den Augen dreier Weltreligionen. Entscheidend für das Leben Israels. Gott bewahrte Jerusalem und seine Bewohner vor äußeren Feinden. Schaden konnte ihr nur der innere Feind, der Unglaube. Gott verließ Jerusalem, als es den Glauben aufgab; aber für alle ist sichtbar, dass Gott nicht für immer ging. Gott knüpft neu an; er baut seine Stadt wieder auf; er führt Menschen zurück nach Hause.

Eine jahrtausendelange Geschichte der Treue. Sie zeigt sich heute noch an der Klagemauer. Da sieht man Menschen, von denen der Prophet geschrieben haben könnte: „O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen. Die ihr den HERRN erinnern sollt, ohne euch Ruhe zu gönnen.“ Nicht die Soldaten mit ihren Maschinenpisto-len sind die Wächter, die der Prophet meint, sondern die Betenden. Menschen kommen aus der ganzen Welt zusammen. An dem alten Ort suchen sie Gottes Angesicht, seine Zuwendung.

Die Männer mit den Maschinenpistolen dagegen, sie zeigen uns: Jerusalem ist auch die Stadt, die dem Unglauben recht gibt. Mit Gott auf den Lippen übt man Gewalt. Menschen, die fasten und beten sollten, die eins sein sollten vor Gott – sie lauern, lästern und gehen über Leichen. Christen werden schamrot über die Unheilsgeschichte der Kirchen in dieser Stadt, mit ihrer Kreuzfahrerei, mit ihrem Gezänk welcher Konfession die heiligen Stätten gehört.

Dass der Glaube recht behält, dass muss erwartet, erbetet und erhofft werden. Dafür beruft Gott die Wächter. Deren Dienst wird die Stadt wieder zu dem Ort machen, an dem alle Menschen sehen: Diese Stadt ist die „Erlöste“, die „Gesuchte“, die „nicht mehr verlassene Stadt“. Keine großen Reichtümer sind verheißen, sondern Getreide und Wein. Mehr braucht es nicht, um ein einfaches Mahl zu halten. Als Christen wissen wir: Mehr braucht es nicht, um ein Mahl der Versöhnung miteinander zu feiern.

Zweitens: Die Verheißung für Zion und unsere Kirche

Wir gehen einen Schritt weiter. Die Anfragen des Unglaubens an Jerusalem sind auch Anfragen an unsere Kirche. Ebenso: Die Ver-heißungen Gottes durch den Propheten weisen auf mehr, als auf ein vergangenes oder gegenwärtiges Jerusalem. Seine Ansagen gelten ebenso unserer Kirche. Auch von ihr können wir zweierlei sagen:

Unsere Kirche, das ist natürlich die Stadt, die dem Glauben recht gibt. Wie viele Menschenleben erhält und bewahrt Gott durch das viele stille Gebet überall selbst in den kleinsten Orten. Wie viele erfahren Gemeinschaft! Christen zeigen weltweit Solidarität; sie teilen nicht nur viel sondern gern, sie betreiben Eine-Welt-Stände und packen Hilfspäckchen. Die eine tröstet, die andere empfängt Trost. Ein dritter spricht Vergebung zu. Die Kirche zeigt sich in der Diakonie in praktischer Hilfe aus dem Glauben heraus.

Aber: unsere Kirche ist auch die Stadt, die dem Unglauben recht gibt. Der Unglaube fragt an: „Wie viel Kirche steckt denn in der Diakonie? Bezahlt nicht der Staat die ganze Wohlfahrt?“ Der Un-glaube sieht sich im Recht durch die Geschichte unserer Kirche, weil sie oft damit zufrieden war, ein privilegiertes Werkzeug des Staates zu sein. Der Unglaube hört mit Befriedigung unverständliche Litur-gien, die über die Köpfe hinwegrauschen. Manchmal sieht er freund-lich auf die Menschen in den Talaren; sie scheinen ihm wie die ver-kleideten Nachtwächter, die sich mancherorts für die Touristen in Positur werfen.

Dass der Glaube recht behält, dass muss erwartet, erbetet und erhofft werden. Dafür beruft Gott die Wächter. Deren Dienst wird die Kirche wieder zu dem Ort machen, an dem alle Menschen sehen: Diese Stadt ist die „Erlöste“, die „Gesuchte“, die „nicht mehr ver-

lassene Stadt“. Und auch der Unglaube findet eine Quelle der Hoff-

nung.

Drittens: Die Verheißung für Zion – Verheißung für mich

Gott beruft Wächter. Er ergreift die Stimme und sagt: „Haltet das Gebet lebendig in Jerusalem, in deiner Kirche, in deinem Leben.“ Diese Berufung zum Wächter, wem soll sie heute gelten, wenn nicht mir und dir?

Die Wächter erhalten den merkwürdigen Auftrag, Gott an das Schicksal Jerusalems zu erinnern. Die Wächter dürfen ihren Auftrag nicht vergessen. Sonst droht Gott selbst zu vergessen. Ein Ort, der gottvergessen ist, der wird auch ein gottvergessener Ort. Wie wichtig sind diese Wächter! In ihrem Dienst steht die Zukunft der Stadt.

Darum ist es an mir, in meinem Leben dem Glauben recht zu geben.

Der Unglaube bekommt Recht in meinem Leben, wo ich dem Gebet keine Zeit einräume, wo ich esse ohne zu danken, wo ich anpacke ohne um Segen zu bitten. Der Unglaube bekommt Recht, wo ich ein schlafender Wächter bin. Einer, der sich zur Ruhe legt, weil er seinen eigenen Dienst für überflüssig hält. Ja, der Unglaube freut sich, wenn ich schnarche, wenn alle andern auch schnarchen.

Der Glaube bekommt Recht, wo ich in der Gemeinschaft der Gläu-bigen stehe, und wo wir zusammen feiern. Das einfache Mahl von Brot und Wein als Zeichen, dass Gott da ist und sein Wort wahr macht. Dem Glauben recht geben, das heißt: den Glauben hinein-wirken lassen in alle Orte meines Lebens. In Freundschaften und Feindschaften. In Familie und Beruf.

Schluss

Die Wächter sind berufen, über dieser Welt, über der Kirche, über dem eigenen Haus zu wachen. In Zeiten der Bedrohung stehen sie da. Dieser Zeit gilt ihre Berufung. Wäre der Glaube unumstritten, dann bräuchte es sie nicht. Auch wenn ihr Ansehen nicht das höchste ist – Gott arbeitet mit ihnen, dass seine Versprechen wahr werden!

Dass der Glaube recht behält, dass muss erwartet, erbetet und erhofft werden. Erinnert Gott an seine Versprechen!

Amen.

Verfasser: Pfarrer Dr. Gregor Heidbrink

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