Der Herr und sein Volk
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
16.08.2009
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
9. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Lukas 19,41-48
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Wochenspruch:
Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat! (Psalm 33,12)
Psalm: 74,1-3.8-11.20-21
Lesungen
Altes Testament:
2. Könige 25,8-12
Epistel:
Römer 11,25-32
Evangelium:
Lukas 19,41-48
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 452, 1-5
Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied:
EG 138
oder EG 290
Gott der Vater steh uns bei
Nun danket Gott, erhebt und preiset
Predigtlied:
EG 166, 1-3.5
Tut mir auf, die schöne Pforte
Schlusslied:
EG 421
Verleih uns Frieden gnädiglich
Liebe Gemeinde!
Ich möchte Ihnen zunächst drei Eindrücke erzählen.
Am 6. August, vor zehn Tagen, war wieder einmal Jahrestag der Zerstörung Hiroshimas. Manchmal denke ich: Wir haben uns daran gewöhnt – und es ist ja auch schon so lange her. Aber an diese Bilder kann ich mich nicht gewöhnen. Vielleicht haben Sie ähnlich wie ich die alten Bilder gesehen: Eine große Stadt, die Sekunden später unter einem riesigen Atompilz verschwinden wird; Menschen, die verbrannt sind, verstümmelt, bis zur Unkenntlichkeit. Sie haben die Häuser gesehen, die zu Trümmern zerbildet worden sind. Bilder des Grauens, vor denen wir gerne die Augen verschließen und die wir doch anschauen
müssen.
Im Urlaub vor einigen Jahren war ich in Jugoslawien, in der Nähe von Dubrovnik. An einem Tag sind wir durch die Berge Montenegros gefahren. Das ist eine Landschaft von eigenartigem Reiz, kahl und karg, von der Sonne verbrannt. Und in dieser Landschaft stehen immer wieder leere Häuser, sind Wege abgebrochen, sind riesige Steinflächen übereinander gestürzt, In Kotor liegt eine große Brücke mitten im Fluss, trägt eine meterdicke Stadtmauer die Zeichen der Zerstörung: Folgen eines Erdbebens, das vor Jahren die ganze Region erschüttert hat. Und in Dubrovnik sieht man bis heuten an manchen Häusern Einschussstellen aus der Beschießung Dubrovniks im Balkankrieg der 90er Jahre.
Ich fahre seit einiger Zeit immer wieder einen Weg, der mich an einer Unfallstelle vorbeiführt. Eigentlich ein harmloses Geradeausstück. Aber weil das Gras hoch gewachsen war, hatte man keine freie Sicht. Und ein Führerscheinneuling fuhr deshalb mit 5 Beifahrern in ein Auto, das Vorfahrt hatte. Alle sechs sind tot. Ich kannte keinen von ihnen. Aber im Vorbeifahren spüre ich: Der Tod, der oft so weit weg erscheint, der ist so nahe, keine Sache am Ende eines langen Weges, sondern mitten im Lauf des Lebens.
Warum erzähle ich Ihnen diese Eindrücke, die mich in dieser Woche beschäftigt haben, nicht nur gedanklich, sondern bis in meine Gefühle hinein? Sie treffen für mich zusammen mit dem
Predigtwort dieses Tages, mit diesem Wort Jesu über Jerusalem. Sie sind für mich so etwas wie die Begleitmusik zu diesen Worten Jesu. Ohne diese Eindrücke würde ich vielleicht sagen: Ja, diese Worte Jesu über Jerusalem, sie gelten damals und sie gelten nur dieser Stadt in Israel. Diese Worte Jesu sind ein Ruf zur Umkehr, der damals nicht gehört wurde und 40 Jahre später kam es zur grausamen Erfüllung des Wortes, als die Römer Jerusalem in einen Steinhaufen verwandelten und das Volk in alle Winde verstreuten, ihm die Mitte seiner geistlichen und kulturellen Existenz nahmen.
Ohne diese Eindrücke könnten wir das vielleicht so hören: Ja, das war damals aber mit uns hat das nichts zu tun. Diese Erfahrungen, die Bilder dieser Woche sie lassen mir die
Worte Jesu sehr hautnah werden. Sie zeigen mir, dass es auch heute gilt, den Ruf zur Umkehr in den Worten Jesu zu hören, Es ist der Ruf zur Umkehr auch in unsere Zeit, auch an uns.
"Wenn doch auch du erkanntest zu deiner Zeit, was zu deinem Frieden dient," so ruft Jesus durch die Zeit hindurch nach uns. So ruft er nach uns Leuten, die über die erste Atombombe von Hiroshima entsetzt sind und doch nicht umgekehrt. Das ist doch das Erschreckende, Beängstigende: In Hiroshima haben wir ein Symbol vor Augen: die bittere Folge des Glaubens an die Gewalt. Das Sterben der Hiroshima-Opfer ist aus der Gewalttat geboren, aus der Gewalt, die den Frieden schaffen wollte einen Frieden nach der eigenen Vorstellung. Und was hat das Entsetzen über diese Atombombe und über den schrecklichen Krieg geändert? Seit 1945 sind 150 Kriege geführt worden, Seit dem September 1945 gab es keinen Tag mehr ohne kriegerischen Konflikt auf der Welt. Und seit Hiroshima ist die Zahl der Bomben Jahr um Jahr gewachsen und heute beträgt der gelagerte Tod das Millionenfache von Hiroshima.
Ich kann es aus den Wort Gottes heraus nicht anders beurteilen: Seit Hiroshima ist die Sünde weiter gewachsen und jede neue Bombe ist ein Ausdruck der Sünde. Es ist die Sünde, die das Leben nicht in die Hand Gottes stellen will, sondern sie lieber in den Schatten tödlicher Waffen stellt. Das Setzen auf Gewalt, um den Frieden zu sichern, entlarvt zutiefst unseren praktischen Unglauben: Wir trauen es dem Vater Jesu Christi nicht zu, dass er unser Leben in seiner Hand hält und darum brauchen wir Bomben und Waffen und sichern den Frieden am Hindukusch.
Seht in diese Lage hinein klingt das Wort Jesu und es ist ein Ruf zur Umkehr. Weg vom Vertrauen auf die friedenssichernde und friedensschaffende Waffengewalt hin zu ihm. Das ist die Umkehr, die vor uns liegt: Nicht hier und da eine Kurs-korrektur, sondern die Hinwendung das ganzen Lebens zu dem Friedensfürsten Gottes, zu Jesus Christus. Das geht nicht ohne die klare Absage an Gewalt wo immer wir ihr auch vertraut haben. Das gilt, auch wenn der Pazifismus heute nicht mehr angesagt ist und irgendwie mit der größeren Verantwortung der Bundesrepublik nicht zusammen passen will.
2. "Mein Haus soll ein Bethaus sein, ihr aber habt es gemacht zur Räuberhöhle." Dieses Wort hat Jesus über den Tempel gesagt und manchmal ist wohl aus so manchem Gotteshaus eine Räuberhöhle geworden. Manchmal ist wohl auch aus der Kirche Jesu auf Erden eine Schar der eigenen Interessen-vertretung geworden. Aber mich bedrängt doch noch eine Frage: Haben wir nicht aus dem großen Haus der Welt, die Gott uns anvertraut hat, eine Räuberhöhle gemacht?
Wer mit wachen Augen durch die Welt Gottes fährt, der sieht überall die Spuren des Eingreifens von uns Menschen. Aber es sind oft erschreckende Spuren: in der Gier nach mehr Erfolg, nach mehr Bequemlichkeit, nach mehr Macht, haben wir die Erde ausgeplündert. Ich habe die Landschaft Montenegros gesehen, die verkarstet, weil vor Generationen die Wälder abgeholzt worden sind. Wir können es doch Tag für Tag verfolgen, wie die Erde belastet wird: Die Wüsten wachsen schneller als alle anderen Maßnahmen, das Wasser wird knapp, die Wälder sterben, Ackerland wird zu ausgepresstem Flugsand. Regenwälder werden abgeholzt. Felder mit landwirtschaftlichen Produkten werden zu Lieferstellen für Treibstoffe statt zu Nahrungsquellen für die Armen. Ist das das Bethaus, das Gott wollte?
Der Zugriff des Menschen schändet und schindet an vielen Stellen die Natur und irgendwann ist der Punkt erreicht, wo das Maß voll ist. Nein, dazu hat Gott uns die Welt nicht anvertraut. Er wollte einen Menschen, der sorgsam die Schöpfung hegt und pflegt, dessen Hand als betende Hand von ihm geführt wird aber der Zugriff des Menschen ist nicht demütig, sondern hochmütig geworden, er ist nicht sorgsam und erhaltend, sondern ausbeuterisch.
Jesu Ruf zur Umkehr es ist ein Ruf weg von der gewohnten Verschwendung und von der gewohnten Selbstherrlichkeit das Menschen. Ich glaube, dass wahr ist: Umweltverschmutzung fängt in unseren Herzen an – da, wo wir eine ganze Welt sich um uns selbst drehen lassen, wo wir glauben, dass auch Gott sich um uns zu drehen habe. Und erst dann wird sich bei uns vielleicht etwas ändern, wenn wir diese Welt wieder als Gottes Bethaus sehen lernen, in dem er uns begegnen will, wenn wir umkehren aus einen Denken, das den Menschen für den Eigentümer der Welt hält, die doch des Herren Erde ist.
Wenn wir diesen Ruf Jesu zur Umkehr überhören, wenn wir die Zeit verkennen ich fürchte, dass wir denn schon sehr bald Folgen zu tragen haben werden, die schrecklich sind und in denen wir dann Gottes Gericht an einer unbußfertigen Welt erleben müssen. Denn Gottes Gericht ist womöglich nichts anderes als dass er uns die Folgen unseres Handelns in den Kausalzusammenhängen der Welt tragen lässt.
3. Es bleibt das plötzliche Sterben von Einzelnen. Was bewirkt das bei uns? Wir sind erschrocken, wir sprechen der Familie unser Beileid aus. Aber dann geht es doch oft so schnell weiter wie gehabt. Wir leben ja noch und es wird uns schon nicht treffen. Aber keiner von uns kennt seine Stunde und seinen Tag. Keiner von uns kann sagen, wie lange der Weg noch ist, den er hier in dieser Welt gehen darf. Darum kann ich solch ein Sterben nicht anders verstehen als einen Ruf Gottes an uns: Ordne dein Leben, solange du noch Zeit dazu hast. Mache dein Leben in Jesus Christus fest. Bringe in Ordnung, was in Unordnung ist. Versöhne dich, wo Streit ist. Vor allem anderen lerne das Vertrauen, dass Du durch Jesus Christus vor Gott stehen kannst, dass Du in ihm den hast, der dein Frieden ist, der dich vor Gott recht macht. Nimm dein Leben und gib es in der Nachfolge Jesu in Gottes Hände zurück.
Vor uns steht Jesus und ruft uns an: "Wenn doch auch Du zu dieser Zeit erkenntest, was zu deinem Frieden dient." Vor uns steht dieses Wort und es ist ein Ruf hin zu ihm, der unser Friede ist und aus dem allein der Gottesfriede in dieser Welt und in unserem Leben wachsen kann. Wer Jesus annimmt als seinen Herren, der gewinnt den Gottesfrieden mitten in unserer unfriedlichen Welt, der wird sich aber dann auch losen aus aller Trägheit, die sich resigniert abfindet mit dem Lauf der Dinge und wird als ein Mensch Gottes in neuer Demut dem Frieden dienen. So ist der Ruf Jesu an uns ein Ruf, der uns ganz persönlich meint und unsere persönliche Antwort will und der zugleich in uns ein Stück Umkehr der ganzen Welt meint und auch diese Antwort will
Paul – Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 63679 Schotten-Einartshausen
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