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Der Herr und sein Volk

von Stefan Klaffehn (36341 Lauterbach)

Predigtdatum : 31.07.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 9. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 2. Mose 19,1-6
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Wochenspruch:

Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat! (Psalm 33,12)

Psalm: 74,1-3.8-11.20-21

Lesungen

Altes Testament:
2. Könige 25,8-12
Epistel:
Römer 11,25-32
Evangelium:
Lukas 19,41-48

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 299
Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Wochenlied:
EG 138
oder EG 290
Gott der Vater steh uns bei
Nun danket Gott, erhebt und preiset
Predigtlied:
EG 361
Befiehl du deine Wege
Schlusslied:
EG 171 oder
EG 433
Bewahre uns, Gott
Hevenu schalom alejchem

Vorbemerkungen
Es gehört zur Stärke des alttestamentlichen Redens von Gott, ihn nicht in Begriffen fassen zu müssen, sondern sein Handeln in Geschichten von ihm selbst zeugen zu lassen. Dieses Erzählen ist eine Einladung, die Geschichte Israels mit Gott im Hören und Nachempfinden zur eigenen Geschichte werden zu lassen.
So ist es nicht notwendig, die alte Geschichte in einem zweiten Schritt in unsere Tage noch zu übersetzen, denn schon mit der Geschichte erscheint Gott in der eigenen Lebensgeschichte.
Im Mittelpunkt steht also das Handeln Gottes in einer konkreten Geschichte an einem konkreten Ort, einem Berg in der Wüste. Das biblische Sprechen von Gottes Handeln versuche ich so nachzusprechen, dass es transparent ist, für die eigenen Erfahrungen mit Gott. So rückt auf der menschlichen Seite das Erfahren und Finden Gottes in den Fokus.
An unserem Text 2. Mose 19,1-6 haben mit hoher Wahrscheinlichkeit unterschiedliche Autoren zu sehr unterschiedlichen Zeiten geschrieben.

[Wen es interessiert: V. 1-2a: Priesterschriftlich; V. 2b-3a: Vorexilische Moseerzählung; 3b-8: Deuteronomisch-deuteronomistische Ergänzung]

Eine hohe theologische Dichte hat der Text in seiner kanonischen Endgestalt erreicht. Die Selbstverständlichkeit mit der von Israels Weg in und durch die Wüste erzählt wird, ist darin beispielhaft, diesen Weg als Handeln Gottes zu verstehen und theologisch zu integrieren. Das Ringen darum (Modern ist es die Frage: Wie kann Gott uns Leid zumuten?) findet in 2. Mose 15,22-17,16 seinen Ausdruck. Daher ist es eine Überlegung wert, ob nicht 2. Mose 17,1-7 als Schriftlesung im Gottesdienst gelesen werden kann.

Liebe Gemeinde,
wir werden heute in die Geschichte Israels entführt und dürfen ein kleines Stückchen miterleben.
Heute feiern wir den sog. Israelsonntag. Wir werden aufmerksam darauf gemacht, dass wir in besonderer Weise mit der Geschichte Israels verbunden sind. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, wird heute bewusst gemacht. Gottes Offenbarung in Jesus Christus ist Teil einer Geschichte. Gott hat sich in einer bestimmten Geschichte auf Erden finden lassen. Und was in Jesus von Nazareth – zumindest für uns Christen – seinen Höhepunkt findet, hat schon lange davor angefangen.
Gott ist schon einen langen Weg mit seinem Volk gegangen und ein kurzes Stück gehen wir nun mit, denn es ist auch ein Stück unseres eigenen Weges.
1 Am ersten Tag des dritten Monats nach dem Auszug der Israeliten aus Ägyptenland, genau auf den Tag, kamen sie in die Wüste Sinai. 2 Denn sie waren ausgezogen von Refidim und kamen in die Wüste Sinai und lagerten sich dort in der Wüste gegenüber dem Berge. 3 Und Mose stieg hinauf zu Gott. Und der HERR rief ihm vom Berge zu und sprach: So sollst du sagen zu dem Hause Jakob und den Israeliten verkündigen: 4 Ihr habt gesehen, was ich mit den Ägyptern getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht. 5 Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. 6 Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte, die du den Israeliten sagen sollst.
Liebe Gemeinde,
das Volk Israel befindet sich in der Wüste. Und das ist kein kurzer Ausflug, sondern eine lange Wanderung. Eine Wüstenwanderung mit nur unzureichendem Gepäck, ohne die Möglichkeit sich selbst mit Nahrung, mit Essen und Trinken, versorgen zu können. Und es sind nicht nur die Starken und Gesunden unterwegs, sondern auch Alte, Kranke und Kinder sind zu versorgen und zu beschützen.
Das Volk ist in der Wüste. Das ist wichtig: Zur Geschichte Israels, zur Geschichte des Menschen mit Gott gehören Wüstenzeiten. - Was zu akzeptieren manchmal schwer fällt. Wir wünschen uns doch so sehr, dass es uns gut gehe. Von Not und Leid wollen wir uns, und vor allem die Lieben unserer Familie verschont wissen. Das erwarten wir gerade auch von Gott, dass er uns behüte vor allem Übel.
Doch leider ist es so nicht, Gott lässt die Wüstenzeiten im Leben zu. Mehr noch, manchmal führt Gott direkt in die Wüste hinein. Und das ist dann kein Spaß. Kein Abenteuer-Urlaub. Zwei Monate waren die Israeliten in der Wildnis unterwegs, immer weiter weg vom kultivierten Ägypten. Zwei Monate am Rande der Verzweiflung. Und es war kein Ende abzusehen. Eher schien es das Ende zu sein. Das überleben wir nicht.
Und in diesen zwei Monaten hat das Volk an Gott gezweifelt. Hat mit ihm gehadert und ist hart mit ihm ins Gericht gegangen. Lieber zurück in die Knechtschaft nach Ägypten als mit diesem Gott unterwegs sein, der einem die Angst zumutet, in der Wildnis zu sterben. Diese Frage ist bis heute drängend: Warum führt Gott in Wüstenzeiten hinein? Warum lässt Gott Leid zu?
An der Tatsache, dass Gott in die Wüste führt, lässt die biblische Überlieferung keinen Zweifel. Ganz unaufgeregt wird davon erzählt.
1 Am ersten Tag des dritten Monats nach dem Auszug der Israeliten aus Ägyptenland, genau auf den Tag, kamen sie in die Wüste Sinai. 2 Denn sie waren ausgezogen von Refidim und kamen in die Wüste Sinai und lagerten sich dort in der Wüste gegenüber dem Berge.
Sie kamen in die Wüste. So ist das Leben halt. Die biblische Überlieferung buchstabiert uns vor, wie nüchtern man davon reden muss: Es gehört zum Leben dazu, und wir können es Gott nicht vorwerfen. Mit diesem Gottvertrauen ist Israel beispielhaft, ein Vorbild.
Und dann heißt es, dass Israel lagert. Selbstverständlich, mag man denken, schlagen sie irgendwann ein Lager auf. Und doch wird damit auch etwas für uns Wichtiges gesagt: Das heißt dann nämlich auch, dass die Zeiten in der Wüste nicht alle gleich sind. Es gibt Momente des ruhelosen Suchens und Momente des Zur-Ruhe-Kommens, des Anhaltens und des Haltfindens. Das gilt für unsere Wüstenzeiten ebenso: Neben dem Umhergetriebensein von Angst und Not, gibt es die Momente, die uns Halt geben. Die sollen wir bemerken und ernst nehmen, denn es sind besondere Momente. In dem Moment der Ruhe, mitten in der Wüstenzeit, erkennt Israel plötzlich die Besonderheit des Ortes: „Wir befinden uns dem Berg Gottes gegenüber!“
Um zum Berg Gottes zu kommen musste Israel durch die Wüste. Es gibt Dinge im Leben, die anscheinend ohne Krise nicht zu erreichen sind. Denn es ist gewiss so, dass die Wüstenzeiten im Leben lehren, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. In den Zeiten der Not und Angst schärft sich der Blick für das, was wirklich zählt. Die Wüste schärft den Blick dafür, den Berg Gottes zu erkennen. Ohne diesen geschärften Blick wird er ausgesehen haben, wie all die anderen Berge auch.
Diese Perspektive hilft, die Wüstenzeiten im Leben zu akzeptieren. Gott führt in die Wüste, gerade auch um des Menschen willen. Denn auf eine besondere Weise kann der Mensch sich selbst und Gott so finden. Auf diese Weise kommt es zu einer wirklichen Gottesbegegnung.
Und mitten in der Wüste eröffnet sich ein neuer, grandioser Horizont. Gott spricht zu denen, die in der Wüste sind:
4 Ihr habt gesehen, was ich mit den Ägyptern getan habe und wie ich euch getragen habe auf Adlerflügeln und euch zu mir gebracht. 5 Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. 6 Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.
Gott deutet das, was Israel erlebt hat, neu. Er erinnert daran, dass er Israel befreit hat. Was Gott Gutes getan hat, das scheint in einer Wüstenzeit zu schnell vergessen zu sein.
Und dann zeigt sich, wie wenig wir Menschen manchmal von Gott verstehen: Denn was für das Volk ein qualvoller Weg durch die Wüste war, ist für Gott ein Tragen auf Adlerflügeln.
Die biblische Überlieferung traut Gott zu, auch auf den Wüstenwegen der zu sein, der die Geschichte lenkt. Hinter unserer Frage, warum es Wüstenzeiten gibt, warum Gott Leid zulässt, kann auch ein leises Misstrauen stecken, ob Gott vielleicht zu schwach oder zu uninteressiert an uns ist, um es zu verhindern.
Das weist das biblische Sprechen hier sehr deutlich zurück: Sehr souverän entscheidet sich Gott, Menschen durch die Wüste zu führen. Das mächtige Bild der Adlerschwingen spricht für sich, mit der Dynamik des Stärksten unter den Vögeln, des Siegers schlechthin, handelt Gott. Gerade in diesem Handeln zeigt sich Gottes Macht und Schnelligkeit. Gott führt Menschen gefahrvolle Wege und mutet ihnen Not und Angst zu, und zeigt gerade so seine Macht.
Nicht nur in den anscheinend glanzvollen Momenten des Lebens – dafür steht der Auszug aus Ägypten – sondern auch in den Wüstenzeiten erweist sich Gott als der machtvolle Herr des Lebens.
Und diese Aussage, dieser neue Glaube, dass Gott das Leben in allen Situationen trägt, wird die Grundlage eines neuen Verhältnisses zwischen Mensch und Gott. Gott trägt in den Hochphasen und in den Wüstenzeiten. In beidem lässt sich Gottes Handeln finden, beides ist seine Initiative. Und die Antwort des Menschen kann nur sein, Gottes Stimme zu gehorchen und den Bund zu halten. Das Exodusgeschehen und die Wüstenoffenbarung gehören untrennbar zusammen. Menschen werden da frei, wo sie auch bereit sind, den Weg in die Wüste zu gehen. Vielleicht werden sie erst in der Wüste wirklich frei.
In der Wüste findet der von Gott aus der Knechtschaft befreite Mensch Gott selbst und damit eine neue Lebensgrundlage. Und das verändert uns, jeden Menschen grundlegend. In diesem Bund mit Gott, greift er über die Grenzen seiner irdischen Existenz hinaus und sein Leben gerät in das Licht der Heiligkeit.
Judentum und Christentum stehen gemeinsam auf diesem Grund, auf diesem Wüstenboden.
40 Jahre der Wüstenwanderung werden für das Volk noch kommen. Und das konnte nun als Führung Gottes verstanden werden. Gottes Macht erweist sich auch dann, wenn er durch die Wüste führt. Das gehört zur Grundlage unseres Glaubens, von Juden und Christen.
Juden und Christen erleben auch heute noch Wüstenzeiten, im Persönlichen wie im Verhältnis miteinander. Da ist es gut zu rasten, anzuhalten und nach Gottes Berg Ausschau zu halten. Denn wenn Gott will, so kann er sich zeigen und wir werden sehen: Was wir als Wüste erleben, war das mächtige Handeln Gottes, der uns auf Adlerschwingen trägt, heute und alle Tage. Amen.

Verfasser: Pfr. Stefan Klaffehn, Brückenstraße 21, 36341 Lauterbach

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