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Der Herr und sein Volk

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 12.08.2007
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 9. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Johannes 4,19-26
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Wochenspruch:

Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat! (Psalm 33,12)

Psalm: 74,1-3.8-11.20-21

Lesungen

Altes Testament:
2. Könige 25,8-12
Epistel:
Römer 11,25-32
Evangelium:
Lukas 19,41-48

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 147,1-3
Wachet auf ruft uns die Stimme
Wochenlied:
EG 138
oder EG 290
Gott der Vater steh uns bei
Nun danket Gott, erhebt und preiset
Predigtlied:
EG 133
Zieh ein zu deinen Toren
Schlusslied:
EG 433
oder EG 434
Hevenu Schalom
Schalom chaverim

19 Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. 20 Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. 21 Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. 22 Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden. 23 Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. 24 Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. 25 Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. 26 Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet.

Liebe Schwestern und Brüder!
Im vor einigen Jahren erschienenen und viel gelesenen Buch "Die letzten Kinder von Schewenborn" findet sich die folgende kurze Szene: „Als ich im Tal die kleine Stadt Schewenborn sah, erschien sie mir im ersten Augenblick wie immer, nur dass ein brauner Dunst über den Dächern lag. Das war Staub. Dann sah ich Rauchschwaden zwischen den Häusern hervorquellen. Judith kam hinter mir. Sie sagte: "Der Kirchturm ist weg." Da sah ich es auch: Der Kirchturm fehlte!“
Lassen Sie uns das einen kleinen Augenblick hören: Der Kirchturm ist weg. Können Sie sich das vorstellen: Unser Ort ohne Kirchturm? Unser Ort ohne seine Kirche? Über Generationen hin leben Menschen im bergenden Schatten dieser Kirche, haben sie sich manchmal unter sie geduckt und manchmal in ihr geborgen - aber sie war immer da.
Wir sind an diese Kirche gewohnt. Jeder von uns geht oft genug an ihr vorbei. Wie viele sind in dieser Kirche getauft worden. Und Jahr um Jahr wird in dieser Kirche konfirmiert - in diesem Jahrhundert schon sieben Jahrgänge. Wie viele haben in dieser Kirche geheiratet. Diese Kirche gehört zu unserem Lebensgefühl, zu unserem Alltag, und Gott sei Dank gehört sie auch zu unserem Sonntag.
Freilich, auch darüber dürfen wir uns nicht hinwegtäuschen: für manchen unserer Mitbürger gehört die Kirche zum Alltag wie die Apotheke: Es ist gut, wenn es sie gibt, aber es ist auch gut, wenn man sie nicht nötig hat. Und auch darüber sollten wir uns klar sein - immer mehr Menschen auch in unserem Ort leben so, als stünde da keine Kirche, als hätte dieses Haus als steinerner Zeuge keine Botschaft mehr für unsere Zeit. Ja, wir sind stolz auf unsere Kirche und zeigen sie wohl auch gerne und feiern wohl auch, wenn es ansteht, ein Jubiläum im Zeichen dieser Kirche ganz gerne mit, aber gelebt wird oft so, als gäbe es diese Kirche nicht.
Lassen Sie uns an diesem Morgen einmal fragen: was ist das eigentlich, unsere Kirche, und lassen Sie uns mit dieser Frage bei Jesus nach Antwort suchen.

1. Die Kirche – Ort, an dem Gott angebet wird
Wir haben es eben gehört: Wo ist der Ort der richtigen Anbetung? Das ist die Frage, die die Frau am Jakobsbrunnen Jesus stellt. Ist es der Garizim, ist es der Zionsberg mit seinem Tempel in Jerusalem? Gibt es darüber eine Auskunft?
Für die Frau steht es nicht zur Diskussion, dass Anbetung nötig ist. Das gehört zum Leben dazu: Jeder Mensch braucht etwas, was er verehren kann. Wer nichts mehr anzubeten hat, der ist tot, der ist innerlich vorkümmert und verkrümmt. Dass Anbetung zum Leben dazu gehört das haben wohl auch die Menschen gewusst, die hier eine Kirche gebaut haben. Denn in der Anbetung gibt der Mensch zugleich sich selbst Rechenschaft darüber, dass er sein Leben nicht sich selbst verdankt, dass er nicht sein eigener Schöpfer ist. Das ist wichtig, gerade in einer Zeit, in der jeder regelrecht dazu verurteilt ist, aus sich selbst etwas zu machen.
Aber nun heißt ja die Frage im Predigtwort: Wo ist der richtige Ort der Anbetung? In diesem „Wo“ steckt viel mehr als die Frage nach dem Ort. In diesem „Wo“ steckt die Frage nach dem, der angebetet wird. Es ist nicht gleichgültig, wo und wann ich bete. Das steht für Jesus und für diese Frau außer Zweifel. Und wenn wir mit wachen Augen durch die We1t gehen, werden wir das auch sehen: Wenn mitten im Fußballstadion einer auf seine Knie fällt, in seinen Fanschal gehüllt und dort dreimal seine Arme zum Himmel breitet, dann ist das wohl auch Anbetung, aber es ist eine andere Art als die, die Jesus meint.
Als in unserer Gegend und vielleicht auch hier in unserem Ort von den christlichen Missionaren heilige Bäume gefällt wurden, da war dies ein Glaubenszeugnis: Es geht nicht nur um Anbetung, weil jeder auf Anbetung angelegt ist, sondern es geht um die Anbetung des einen, wahren Gottes. Hinter jedem Kirchbau steht eine klare Entscheidung: Es gibt falsche Anbetung und wahre Anbetung, es gibt falsche Götter und den wahren Gott, es gibt Religiosität, die ins Leere geht und es gibt den Glauben, der Leben und Seligkeit bedeutet.
Aus diesem einen Grund ist hier bei uns eine Kirche gebaut worden: Weil Menschen, getrieben von Gott und in Gang gesetzt durch die Kraft des Evangeliums, einen Ort der Anbetung schaffen wollten für den Vater im Himmel, für den Herrn Jesus Christus, aus der Kraft des heiligen Geistes. Das Bauen von Kirchen hat bei sehr alten Kirchen harte Auseinandersetzungen mit sich gebracht, denn mit Sicherheit haben die germanischen Priester dies nicht voller Freude gesehen. Und mit Sicherheit war diese Kirche erst einmal ein Fremdkörper in der Umwelt.
Ein Ort der Anbetung: wer zur Kirche geht, der geht auch heute einen Weg der Auseinandersetzung. Um Gott zu ehren, um zu Gott zu beten, brauche ich keine Kirche. Wenn ich in den Wald gehe, dann erheben sich meine Gedanken zu Gott, dann spüre ich die Nähe des Schöpfers. Machen wir uns nichts vor: Wer hierher kommt, um Gott, den Vater und den Sohn und den heiligen Geist anzubeten, der geht einen Weg, auf dem er auch zum Fremden werden kann in einer religiös indifferenten Gesellschaft, auf dem ihm Auseinandersetzungen nicht erspart bleiben werden.

2. Die Kirche – Ort, an dem Klarheit in Bezug auf Gott Raum gewinnt
Mitten im Gespräch Jesu mit der Frau steht ein messerscharfer Satz: Das Heil kommt von den Juden! Ich halte es für eine wichtige Erinnerung, gerade am Israel-Sonntag, an dem in früheren Zeiten manchmal eine Überheblichkeit gegenüber Israel das Wort geführt hat: Das Heil kommt von den Juden. Eine Kirche, die sich von diesem Satz lösen würde, würde zur Allerweltskirche verkommen. Unser Glauben ist unauflöslich mit dem Glauben Israel verbunden, unser Heil mit dem Heil, das Gott für dieses, sein Volk bereitet hat.
Das Heil unseres Lebens erschließt sich im Anschluss an den jüdischen Menschen Jesus von Nazareth. Das ist die Kernbehauptung, die hier zur Debatte steht: Die Wahrheit und das Heil kommen von außen auf uns zu, sie begegnen uns in Jesus Christus, der von Gott her als die Wahrheit und als der Heiland in die Welt gekommen ist.
Darum werden Christen nicht müde zu bezeugen: Wer Heil und Gewissheit für sein Leben will, wer Klarheit über Gott und über sich selbst vor Gott gewinnen will, der ist auf Jesus Christus angewiesen. In uns selbst liegen von Natur aus weder die Wahrheit, noch die Klarheit, noch die Gewissheit, in uns liegen Zweifel, Unklarheit, Skepsis. Im Wort, das von außen auf uns zukommt, das uns erzählt von Jesus Christus, das uns den Weg Gottes in der Geschichte beschreibt, in diesen Wort gewinnen wir den Anschluss an die Wahrheit Gottes.
Dies ist der Grund, warum in der christlichen Gemeinde in der Predigt wieder und wieder von der heiligen Schrift her erzählt und argumentiert wird. Dies ist der Grund, weshalb in unseren Gottesdiensten gepredigt wird - die Wahrheit Gottes ist eine Wahrheit zum Erzählen, eine Wahrheit aus den Geschichten des Alten und des Neuen Bundes, eine Wahrheit, die zugesprochen sein will.
An einer oberhessischen Kirche sind diese Wort eingemeißelt an dem Eingang, der die Paradies-Pforte heißt: Wer du auch bist, tritt ein und höre, hier wird einzig und allein Christus durch Christus zum Lobe Christi verkündigt. Es steckt eine tiefe Symbolik darin: es gibt keinen anderen Weg in das Paradies, zum Heil als durch die Verkündigung, durch das Hören von Christus und den Glauben an ihn.

3. Die Kirche – Ort zum Glauben aus erster Hand
Aus dem ganzen Gespräch mit der Frau am Jakobsbrunnen wird eines deutlich: Sie weiß einiges über den Glauben – aber: Es ist ein Glaube der Väter. Es ist ein Glaube, der aus Zitaten besteht, aus Angelerntem, aus überkommenen Traditionen. Es ist ein Glaube, der nur sagen kann: "Die Väter haben gesagt". Vielleicht würde sie heute auch noch dazu sagen: Die Mütter haben gesagt. Es ist ein Glaube, der sagt: Meine Oma hat immer gebetet und es hat ihr geholfen, und auf die Frage: Hilft es dir denn auch? kommt betroffenes Schweigen.
Liebe Freunde, es gibt keine Kraft zum Leben, nur zu wissen, was für die Vorfahren gut war, wie sie es gehalten haben: Nur das gibt Kraft zum Leben, was im eigenen Herzen tiefe Wurzeln geschlagen hat. Nur das gibt Kraft zum Leben, was in den eigenen Alltag und die eigene Lebenspraxis hineinreicht.
Stellen Sie sich einmal vor: da sitzt jemand am Tisch ins Gasthof und isst: er hat ein tolles Schnitzel vor sich liegen, einen Teller mit Pommes frites, eine kleine Schüssel mit Gemüse und frischem Salat. Und das Ganze wird durch ein gutes Glas Bier abgerundet. Am Nachbartisch sitzt einer und schaut zu. Wird denn der Zuschauer vom Zuschauen satt? Wird es seinen Magen füllen, dass er sieht: Da isst einer und es schmeckt ihm auch noch? Keiner von uns ist so verrückt, dass er das denkt: zuschauen macht satt, wissen, dass Essen nährt, reicht schon aus. Nein, wir wissen genau: wenn ich satt werden will, dann muss ich mir zu essen bestellen und darf nicht vor dem Teller sitzen bleiben, sondern darf zulangen!
Aber in den Dingen des Glaubens tun wir ganz oft so, als würde das Zuschauen schon satt machen, als würde es reichen, dass man das Kochrezept kennt. Jesus macht es der Frau klar und hoffentlich uns auch: Du musst nicht beim Glauben der Väter stehen bleiben, du darfst selbst die Schönheit des Glaubens entdecken. Und du musst für diese Entdeckung nicht meilenweit gehen, nicht auf den St. Nimmerleinstag hoffen: Er ist vor dir, der dir den Vater zeigt.
Was hier von einem Brunnen erzählt wird, das gilt auch für unsere Kirchen. Im Singen und Beten, im Feiern des Gottesdienstes, in der einsamen Stille mitten in einer Woche kann es geschehen: Gott tritt vor Dich und ruft Dich zum Glauben. Gott zeigt Dir in Jesus sein menschliches Gesicht, damit auf ihn vertrauen kannst. Gott deckt Dir in Jesus Schuld auf, damit Du um Vergebung bitten kannst. Gott sagt Dir in Jesus sein Treue und Liebe zu, damit Du keine Furcht mehr haben musst, nicht vor dem richtenden Gott und nicht vor den Schwächen, die in Dir liegen. Nicht aus zweiter Hand sollst Du das glauben müssen – es soll Deine Erfahrung werden können in der Begegnung mit Gott selbst, hier in der Kirche oder auf deinen Wegen draußen, wo sein Geist dich leitet.

Verfasser: Pfarrer Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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