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Der Herr und sein Volk

von Ulf Rödiger (06385 Aken/ Elbe)

Predigtdatum : 20.08.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 9. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Jesaja 62,6-12
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Wochenspruch:

Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat! (Psalm 33,12)

Psalm: 74,1-3.8-11.20-21

Lesungen

Altes Testament:
2. Könige 25,8-12
Epistel:
Römer 11,25-32
Evangelium:
Lukas 19,41-48

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 147,1-3
Wachet auf ruft uns die Stimme
Wochenlied:
EG 138
oder EG 290
Gott der Vater steh uns bei
Nun danket Gott, erhebt und preiset
Predigtlied:
EG 288,1.4-7
Nun jauchzt dem Herren alle
Schlusslied:
EG 433
oder EG 434
Hevenu Schalom
Schalom chaverim

6 O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen. Die ihr den HERRN erinnern sollt, ohne euch Ruhe zu gönnen, 7 lasst ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem wieder aufrichte und es setze zum Lobpreis auf Erden! 8 Der HERR hat geschworen bei seiner Rechten und bei seinem starken Arm: Ich will dein Getreide nicht mehr deinen Feinden zu essen geben noch deinen Wein, mit dem du so viel Arbeit hattest, die Fremden trinken lassen, 9 sondern die es einsammeln, sollen's auch essen und den HERRN rühmen, und die ihn einbringen, sollen ihn trinken in den Vorhöfen meines Heiligtums.
10 Gehet ein, gehet ein durch die Tore! Bereitet dem Volk den Weg! Machet Bahn, machet Bahn, räumt die Steine hinweg! Richtet ein Zeichen auf für die Völker! 11 Siehe, der HERR lässt es hören bis an die Enden der Erde: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein Heil kommt! Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her! 12 Man wird sie nennen »Heiliges Volk«, »Erlöste des HERRN«, und dich wird man nennen »Gesuchte« und »Nicht mehr verlassene Stadt«.

Vorbemerkung:
Traditionell ist der 10. Sonntag nach Trinitatis der sogenannte „Israelsonntag“ in unseren Kirchen. Er lehnt sich an den jüdischen Gedenktag der Zerstörung des Tempels an und deutete diese Zerstörung lange Zeit als Strafe Gottes. Das Evangelium thematisiert diese Zerstörung und ist zugleich „Hintergrundinformation“ für den Predigttext.
Der Predigttext selbst wurde neu mit der Einführung des Evangelischen Gottesdienstbuches für diesen Sonntag vorgeschlagen. In Form einer Verheißung wird zum einen an die bleibende Erwählung Israels als Gottes Volk erinnert, und zum anderen aufgezeigt, wie im jüdischen Glauben konstruktiv mit der erlebten Katastrophe der Tempelzerstörung umgegangen wird.
Darum zwei Predigtziele:
1. Israels besondere Erwählung im Kontext unserer Welt
2. Gottes Verheißung als Hilfe für alle Menschen in Not.

Liebe Gemeinde!
So gilt es nun also, vom Mittelpunkt der Welt zu reden.
Es ist Jerusalem, jene Stadt, die für Juden, Christen und Moslems von so überragender Bedeutung ist, dass keine der drei Religionen auf sie verzichten kann.
Doch verheißen ist sie ursprünglich dem jüdischen Volk allein. Seinem heiligen Volk, seinem Augapfel und seiner geliebten Braut schenkt Gott diese Stadt. Dass sie auch für Christen und Moslems von so überragender Bedeutung ist, hat geschichtliche, oft kriegerische Ursachen. Doch neben derlei Ursachen tritt die feste Überzeugung, dass Gott selbst es wohl so gewollt hat.
So lässt er seinen Sohn Jesus Christus in Jerusalem sein Werk vollenden und nimmt ihn dort in den Himmel auf. So lässt er Mohammed in Jerusalem in den Himmel auffahren, von dem gleichen Felsen, auf dem einst Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte. Und so schauen alle drei Weltreligionen auf Jerusalem und betrachten diese Stadt zurecht als einen Ort von herausragender Bedeutung.
So gilt es nun also, vom Mittelpunkt der Welt zu reden.
Jener Stadt, in der sich Juden und Moslems, Palästinenser und Israelis oft so erbittert bekämpfen, und in der in früheren Zeiten die christlichen Kreuzfahrer meinten, Jerusalem von den Andersgläubigen befreien zu müssen.
Wie viel wäre gewonnen, würden die Fundamentalisten aller drei Religionen die eben gehörte Verheißung Jesajas endlich hören und begreifen! Gott allein ist es, der Jerusalem aufrichtet und zum „Lobpreis auf Erden“ werden lässt.
Man stelle sich vor, was wohl geschehen würde, wenn man statt sich zu bekämpfen, Gott mit seinem Gebet in den Ohren läge. Wenn aus allen drei Religionen tatsächlich Wächter auf den Mauern Jerusalems stünden und nach Kräften Gott darum bitten würden, das ihnen heilige Jerusalem endlich wieder aufzurichten. Die Juden an der Klagemauer, die Moslems im Felsendom und die Christen in der Grabeskirche.
Höchstwahrscheinlich würde sich kurzfristig gar nichts ändern, aber vielleicht würde die Gelassenheit wachsen, Gott in seiner Entscheidung, wie er Jerusalem wieder aufzurichten gedenkt, nicht ins Handwerk zu pfuschen.
So wunderschön das Bild vom friedlichen Wettstreit im Gebet ist, so schnell hören wir auch den Einwand: „Ihr habt gut reden im fernen Europa. Lebt doch erst einmal jeden Tag mit der Angst vor dem Terror.“
Aber waren die Zeiten, als Jesaja seine Verheißung empfing, wirklich so anders ? Aus Zerstreuung und Verbannung heimgekehrt, erlebten die Israeliten ein gebrochenes Land. Der Tempel zerstört, das Land mit Fremden besetzt, der Alltag voller Mühsal und Enttäuschung.
Und so braucht es vor der Verheißung der Wiederherstellung des heiligen Jerusalem ein paar ganz praktische Verheißungen Gottes, um nicht aufzugeben. Dein Getreide soll dir selbst und nicht deinen Feinden gehören. Deinen Wein sollst du mit deinen Freunden trinken und niemand soll ihn dir rauben. Ein Stück Brot, ein Schluck Wein und die Verheißung, dass der Ertrag meiner Hände Arbeit mir nicht geraubt werden soll, mehr braucht es nicht, um die Hoffnung auch gegen alle Widerstände zu behalten.
Und wir spüren, wie die Verheißung Gottes weit über die Israeliten vor langer Zeit hinausreicht. Denn zu allen Zeiten machen Menschen ähnliche Erfahrungen. Sie kehren heim aus dem Krieg und finden verbrannte Erde. Die Häuser zerstört, die Frauen geschändet, die Kinder ihrer Kindheit beraubt. Worauf noch hoffen, wenn nicht allein auf die Verheißung, dass Gott das Leben zurückbringen wird.
Da flüchten sie vor Krieg und Verfolgung oder einfach nur vor der Armut. Doch am Ziel ihrer Flucht erfahren sie Hass und Ablehnung. Sie werden weggesperrt oder abgeschoben. Und selbst, wenn sie Glück haben, bleiben sie in den Augen so vieler unnötiger Ballast in Asylbewerberheimen. Worauf noch hoffen, wenn nicht darauf, dass Gott das Herz der Menschen öffnet, so dass sie eine Chance bekommen neu anzufangen.
Da stehen sie auf dem Flur des Arbeitsamtes, ihre Kraft, ihre Ideen, ihre Begabung werden nicht gebraucht. Sie fühlen sich als eine lästige Nummer im sozialen Getriebe. Worauf noch hoffen, wenn nicht darauf, dass nach Gottes Verheißung Arbeit und deren Früchte für alle sein sollen?
Und so beginnt Veränderung nicht mit einem „Gewaltakt von Oben“, sondern mit dem „Sinneswandel von Unten“. Wo wir Menschen beginnen, auf Gottes Verheißungen zu vertrauen und uns darauf zu berufen, wächst die Kraft, auch in der Bedrohung und im Angesicht der Katastrophen unseres Lebens, nicht zu verzweifeln. Und es wächst die Kraft zu handeln.
Und so heißt es dann in der Verheißung des Jesaja: Geht hinaus vor die Stadt und räumt den Neuankömmlingen die Steine aus dem Weg. Seid nicht voller Furcht dabei, euch abzuschotten und kleinlich zu berechnen, was sie euch kosten werden.
Wenn ihr wollt, dass eure Stadt wirklich ein heiliger Ort sei, dann bedarf es neben eurem Gebet auch der Tat. Wie gesagt, nicht die großen Vorhaben machen ein Volk heilig und eine Stadt zum begehrten, gern gesuchten Ort. Dass ein gerechter Ausgleich in ihr herrsche und dass man menschlich in ihr lebe, damit beginnt es - in Jerusalem nicht anders als bei uns. Amen.

Die vorgeschlagene Liturgie ist einer Arbeitshilfe des Klosters Denkendorf zum Israelsonntag 2000 entnommen. Dort finden Sie auch eine ausführliche Meditation zum Sonntag und zum Text. Siehe : www.kloster-denkendorf.de/predigthilfe_israelsonntag_2000.htm
Elemente für die Liturgie am Israelsonntag
Votum:
Wir kommen zusammen im Namen des einen Gottes, im Namen des Herrn, der Himmel und Erde geschaffen und Israel zu seinem Volk gemacht hat, im Namen Jesu Christi, Sohn Israels und Erstgeborener aus den Toten, der uns herbeigeführt hat aus der Fremde, im Namen des Heiligen Geistes, der uns hilft, zu glauben, zu lieben und zu hoffen.
(P. von der Osten-Sacken, „ Dass sie allezeit beteten und nicht nachlassen sollten...“ Gebetsadressaten der christlichen Gemeinde - Neutestamentliche und altkirchliche Weichenstellungen, Ms 1998, 21 f.)
Gruß:
Wir feiern heute den 10. Sonntag nach Trinitatis. Er wird auch Israelsonntag genannt. Dieser fällt stets auf einen Sonntag im Sommer. Denn im Sommer wurde einst der Tempel in Jerusalem zerstört - für Juden und Jüdinnen ein Ereignis, das tiefste Spuren hinterlassen hat. Bis heute halten sie deshalb jedes Jahr einen Gedenktag, an dem sie fasten und ihre Klage um den verlorenen Tempel vor Gott bringen. Auch die Kirche erinnert sich seit langem jedes Jahr an die Tempelzerstörung - nämlich am 10. Sonntag nach Trinitatis. Dieser Sonntag ist für uns ein Anlass, über unser Verhältnis zum Judentum nachzudenken, das auch ohne Tempel unter der Treue Gottes steht. Das besagt auch der Wochenspruch aus Ps 33,12: „Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat!“

Psalm:
Das Psalmgebet kann mit folgenden Worten eingeführt werden:
Bis zum heutigen Tag verbinden uns die Psalmen mit Israel. Sie gehören zum jüdischen Gebet und zu jedem Gottesdienst in der Synagoge. Auch wir beten jeden Sonntag an dieser Stelle unseres Gottesdienstes einen Psalm. Damit schöpfen wir immer neu aus dem Reichtum des Volkes Gottes.
Eingangsgebet:
Vater im Himmel,
du Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jakobs,
du hast das Volk Israel erwählt
zum Zeugen deines Namens in der Welt
und bist ihm bis heute treu geblieben.
Durch Jesus Christus hast du auch deine Kirche berufen,
dir zu dienen, hast sie geführt und getragen bis heute.
Wir bitten um deinen Heiligen Geist,
dass er uns und alle Getauften hineinwachsen lasse
in deine Kirche, dass er uns wachsen lasse im Glauben
und in der Solidarität mit deinem Volk.
Gemeinsam mit Israel loben wir dich, preisen dich, beten dich an.
Dir sei Ehre in Ewigkeit.
Amen.
(nach: Christen und Juden. Anregungen zum Gottesdienst, hg. v. Kirchenamt der EKD und dem Lutherischen Kirchenamt der VELKD, 13)
Schriftlesung:
Röm 11,25-32: Die Schriftlesung kann mit folgender Vorbemerkung eingeführt werden:
Im elften Kapitel des Römerbriefes prägt Paulus der Gemeinde in Rom die bleibende Treue Gottes zu seinem Volk Israel ein. Er nennt damit den Maßstab, an dem sich unser Verhalten zum jüdischen Volk messen lassen muss.
(nach: F. Duensing / P. von der Osten-Sacken, Präfamina. Neue Texte für den Gottesdienst, H.5/6. Hannover 1980)
Evangelium: Luk. 19, 41-48
Predigttext:
Jesaja 62,6-12
Fürbitte:
Herr, unser Gott, wir bitten Dich für Dein Volk Israel.
Schenke ihm, dass es im Frieden mit seinen Nachbarn leben kann.
Lass es im Frieden leben im Land Deiner Verheißung.
Segne alle Menschen, die sich um diesen Frieden mühen.
Wehre denen, die Falsches und Böses im Sinn haben.
Wir bitten Dich für die Juden in unserem Land und weltweit
in der Diaspora.
Gib, dass sie ihr Leben in Sicherheit und Gerechtigkeit führen können.
Uns allen, Christen und Juden, schenke ein neues Hören auf Dein Wort
und lass daraus das Tun Deines Willens wachsen.
Aktuelle Fürbitten....
Vaterunser
oder
Lit: Lasst uns voll Hoffnung zu Gott beten:
Für Christen und Juden, dass sie sich begegnen und einander
vertrauen können,
dass die Wunden und Verletzungen, die Christen den Juden
zugefügt haben, nicht mehr schmerzen,
dass Schuld ernstgenommen und nicht verdrängt wird,
dafür lasst uns zu Gott beten

Gem: Herr, erhöre uns

Lit: Für die Menschen im Nahen Osten, Juden, Christen und Muslime, dass sie das Gespräch suchen und Misstrauen abbauen, dass sie einander verstehen und sehen, wie sie einander brauchen, dass ein gerechter Friede für diesen Teil der Welt gefunden werde, dafür lasst uns zu Gott beten:

Gem: Herr, erhöre uns

Lit: Für alle Flüchtlinge und Heimatlosen auf unserer Erde,
dass sie Aufnahme finden,
oder heimkehren können in sichere Verhältnisse,
dass Krieg und Verfolgung ein Ende haben;
für alle Minderheiten in der Welt,
dass ihnen ein Lebensrecht zugestanden wird
und Menschenverachtung ein Ende hat
und sichtbar wird, dass Gott allen Menschen zugetan ist,
dafür lasst uns zu Gott beten:

Gem: Herr, erhöre uns

Wir beten gemeinsam im Namen unseres Herrn Jesus Christus:

Vaterunser
(nach: Agende I der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, 1996)

Verfasser: Pfr. Ulf Rödiger, Poststraße 38, 06385 Aken/ Elbe

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