Der kommende Erlöser
von Gerry Wöhlmann (06110 Halle (Saale))
Predigtdatum
:
04.12.2005
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
2. Advent
Textstelle
:
Jesaja 63,15-16.(17-19a).19b; 64,1-3
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Wochenspruch:
Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. (Lukas 21,28)
Psalm:
80,2-7.15-20
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 63, 15-16 (17-19a) 19b; 64,1-3
Epistel:
Jakobus 5,7-8
Evangelium:
Lukas 21,25-33
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 11
Wie soll ich dich empfangen
Wochenlied:
EG 6
Ihr lieben Christen, freut euch nun
Predigtlied:
EG 9
Nun jauchzet, all ihr Frommen
Schlusslied:
EG 12
Gott sei Dank durch alle Welt
15 So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung! Wo ist nun dein Eifer und deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich. 16 Bist du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel kennt uns nicht. Du, HERR, bist unser Vater; »Unser Erlöser«, das ist von alters her dein Name.
[17 Warum lässt du uns, HERR, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten? Kehr zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbe sind! 18 Kurze Zeit haben sie dein heiliges Volk vertrieben, unsre Widersacher haben dein Heiligtum zertreten. 19 Wir sind geworden wie solche, über die du niemals herrschtest, wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde.]
Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen, 64,1 wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht, dass dein Name kundwürde unter deinen Feinden und die Völker vor dir zittern müssten, 2 wenn du Furchtbares tust, das wir nicht erwarten - und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen! – 3 und das man von alters her nicht vernommen hat. Kein Ohr hat gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren.
BESONDERES
In der Adventszeit kann der Lobpreis entfallen.
In vielen Liedern der Adventszeit wie auch in biblischen Verheißungen ist von Zweigen und Blumen die Rede. An diesem Tag (Barbaratag, 4. Dezember) können Zweige an die Gemeinde ausgeteilt werden, die - in Wasser gestellt - Weihnachten blühen.
GEBET ZUM BEGINN
Herr, unser Gott,
du sendest uns Jesus Christus, deine Verheißungen zu bestätigen
und dein Werk an uns und der ganzen Welt zu vollenden.
Wir bitten dich: Komm zu uns und hilf uns,
dass wir deine Zeichen erkennen und auf deinen Trost hoffen.
Erfülle uns mit Freude und Frieden,
dass wir unseren Blick erheben,
weil sich unsere Erlösung naht.
TAGESGEBET
Komm du uns nahe, Gott.
Komm mit deiner Gerechtigkeit,
die Verschlossenes öffnet,
die wohl tut und heilt.
Helle unsere Gesichter auf,
von innen her,
dass wir aus uns herausgehen können
und einander gerecht werden
wie Jesus uns.
FÜRBITTENGEBET
Lasst uns beten zu unserem Herrn Jesus Christus,
dem Erlöser der Welt, der die Sehnsucht der Völker erfüllt:
Stärke, Herr, in deiner Kirche die Hoffnung auf dein Kommen.
Hilf allen, die in deinem Dienste stehen, dir den Weg zu bereiten.
Befreie die Welt von Unheil und Krieg.
Gib den Regierenden Gedanken der Gerechtigkeit und des Friedens.
Schenke den Kranken Geduld und Hoffnung.
Lass denen, die dich suchen, deine Klarheit leuchten.
Erwecke in unserer Gemeinde den Geist der Liebe.
Rufe junge Menschen in deinen Dienst.
Nimm unsere Verstorbenen auf in die ewige Freude.
Allmächtiger, ewiger Gott,
höre unsere Bitten durch ihn, den wir erwarten,
Jesus Christus, unseren Herrn.
Liebe Gemeinde,
dieser Textabschnitt aus dem Jesajabuch ist wie ein Lied, wie ein Ruf der Klage, mit der Bitte, dass Gott sich zuwenden möge. Es ist ein intimes Suchen, welches durch das Bekenntnis zum Vater eine besondere Tiefe erreicht. Nur selten, und erst sehr spät in der Geschichte Israels, wird Gott von seinem Volk als Vater angeredet. Lange Zeit wollte man sich von anderen Völkern auch dadurch unterscheiden, dass der Mensch ein Geschöpf Gottes sei, aber nicht ein Kind Gottes.
Die neue Qualität der Gottesbeziehung liegt nun darin, dass der ferne allmächtige Schöpfer zum ansprechbaren Vater wird! Das heißt, Gott ist nicht allein im Anfang zu suchen, sondern er ist mit den Menschen gegenwärtig unterwegs in das Künftige.
Die klagenden Worte, die wir nicht überhören können, erzählen von einer Zeit kurz nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Babylonier im Jahre 587 v. Chr.
Eine Zeit der allgemeinen Krise und Verunsicherung. So, als ob eine unsichtbare Trennwand Gottes Barmherzigkeit abhält, so, als wenn seine Liebe keinen Einfluss hat auf die Sehnsüchte der Menschen.
So werden die Fragen bitter, so werden aus geglaubten Grundsätzen Begriffe ohne Inhalt und Tiefe: Gott, von dem wir immer hörten er sei ein liebender Gott, - wo ist jetzt deine Liebe?
Liebe Gemeinde, aus solchen Fragen können Einsichten erwachsen, die davon erzählen, dass in großer Not keiner helfen kann: Niemand hilft dir, hilf dir selber.
Diese Einsichten sind gut praktizierte Alltäglichkeiten, und das gestern wie heute. Wir brauchen da nicht erst von den Fehlern prominenter Menschen zu sprechen, sondern es beginnt dort, wo Menschen aufhören das Leben zu meistern, trügerische Sicherheiten aufbauen oder vor Umwegen resignieren.
Martin Luther sagte einmal in einer Predigt: „Ein jeglicher muss in eigener Person mit dem Tod kämpfen.“ Und dieses kann wohl auch bedeuten: Wir müssen im Leben selbst kämpfen, wenn es hart wird! Denn das Leben kann einem niemand abnehmen, und die Dinge, die uns betreffen, betreffen unsere Herzen und Sinne.
Ein gutes Beispiel ist die Arbeit eines Zahnarztes. Als jener Arzt einen Weisheitszahn ziehen wollte, meinte er, solche Zähne selten erlebt zu haben – und er zog ihn, und er schnitt und schließlich nähte er die Wunde zu! Zum Trost für den Patienten sagte er, „in einem Monat werden sie nicht mehr an diesen Tag denken müssen, dann sind die Schmerzen vorbei und die Wunden sind verheilt.“
In diesem Moment konnte der Patient nicht über das Gesagte nachdenken, geschweige denn daran glauben, dass eintritt, wie ihm gesagt wurde. Allein mit den Schmerzen und einigen Tabletten ging der Patient in den ersten Tag jenes Monats, dessen Ende auch das Ende der Schmerzen sein sollte.
Liebe Gemeinde, niemand nimmt uns unsere Schmerzen ab, niemand lebt für uns unser Leben. Dennoch blicken wir Menschen weiter, dennoch sind wir voller Sehnsüchte und angespannter Erwartungen.
Was es heißt, im Advent auf das Kommen Gottes zu warten, wird uns deutlich, wenn wir das Warten auf einen geliebten Menschen betrachten.
Während wir auf den Ersehnten warten, malen wir uns aus, wie es sein wird, wenn der Erwartete kommt. Oft werden unsere Erwartungen nicht eingelöst. Wir erwarten mehr, als der Erwartete schenken kann. Unsere Sehnsüchte übersteigen alle menschliche Erfüllung.
Oft sind wir enttäuscht, weil das lang erwartete Wiedersehen nicht so verläuft, wie wir es uns vorgestellt haben. Aber das nächste Mal erwarten wir doch wieder das Unerfüllbare.
Im Advent feiern wir bewusst vier Wochen lang unsere Sehnsüchte!
Kann man dies? Können wir feiern, was so unvollkommen erscheint? Ist das nicht der Weg in eine Unmündigkeit, die am Ende nichts ernten wird?
Liebe Gemeinde, das Gegenteil ist der Fall! Indem wir bewusst unsere Sehnsüchte feiern, bekommen sie eine positive Funktion. Wir brauchen unsere Sehnsüchte nicht zu verdrängen, noch kurzatmig auf uns bezogen zu handeln, wir brauchen nicht Enttäuschungen zu erliegen und in Resignation zu verfallen.
Ich brauche als Mensch in dieser Welt mein Leben nicht mit übertriebenen Worten zu beschreiben, um die eigenen Fehler und Enttäuschungen zu verbergen. Gerade wenn ich sie benenne, wenn ich in mein Leben Licht lasse, dann findet die Ungeduld ein positives Gegenüber, nämlich die Wahrhaftigkeit.
Advent heißt eben auch, sich darüber klar zu werden, dass es mit Gott seine Zeit braucht. Advent heißt aushalten, dass Gott noch nicht dort ist, wo ich ihn gerne haben möchte, sondern dass ich mich aufmache, ihn zu suchen.
Im Advent dürfen wir Menschen uns der Realität der Klage und zugleich unseren Sehnsüchten stellen, die die Wirklichkeiten unseres Lebens übersteigen.
Wir dürfen bekennen, dass unsere Sehnsucht so groß ist, dass niemand sie stillen kann, kein Mensch, kein Erfolg, kein Prüfungsergebnis, keine Wahl, und auch der schönste Urlaub kann sie nicht stillen.
Erst nach diesen Einsichten, erst da, wo ich mit mir selbst nicht mehr weiterkomme, erlebe ich Gott. Und ich erlebe ihn nicht als den fernen und tauben Gott, als den schwachen und gebundenen, sondern ich erlebe eine Weite, die nur er mir weist, eine Weite, in der all meine Sehnsüchte Frieden und Stille finden, weil ich geliebt bin, so wie ich bin.
Der Advent erlaubt uns zu klagen in der Realität unserer Zeit, und er erlaubt uns, Sehnsüchte zu formulieren – auf dass wir am Ende der Reise erkennen – Gott ist der Anfang, und er ist der Weg, und er ist das Ziel unserer Wege. Amen.
Pfarrer Gerry Wöhlmann, An der Johanneskirche 1, 06110 Halle (Saale)
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