Der kommende Herr
von Susanne Kraft (55234 Nieder-Wiesen)
Predigtdatum
:
29.11.1998
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
1. Advent
Textstelle
:
Jeremia 23,5-8
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Wochenspruch:
Wochenspruch: Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. (Sacharja 9,9)
Psalm: 24 (EG 712)
Lesungen
Altes Testament:
Jeremia 23,5-8
Epistel:
Römer 13,8-12 (13-14)
Evangelium:
Mt. 21,1-9
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 1,1-3
Macht hoch die Tür
Wochenlied:
EG 4
oder EG 16
Nun komm, der Heiden Heiland
Die Nacht ist vorgedrungen
Predigtlied:
EG 12,1-4
oder EG 640
Gott sei Dank durch alle Welt
Laß uns den Weg der Gerechtigkeit gehn
Schlußlied:
EG 1,5
Komm, o mein Heiland Jesu Christ
Liebe Gemeinde!
Vor wenigen Wochen ging ich einen dunklen Feldweg in Richtung meines Wohnortes – einem kleinen, im Tal gelegenen Dorf. Dieser Weg ist mir vertraut – und doch erschien er mir durch die jetzt wieder früh einsetzende Dunkelheit fremd. Welche Erleichterung breitete sich in mir aus, als ich das erste Straßenlicht erblickte! Mein Weg erhielt wieder eine klare Orientierung und ein Ziel.
Das Licht unserer ersten Adventskerze, die wir heute entzündet haben, erinnert mich an diese Begebenheit. In den letzten Wochen des zu Ende gegangenen Kirchenjahres haben wir zurückgeblickt: Hauptthemen dieser Zeit waren Sterben, Zeit und Vergänglichkeit.
Heute beginnt das neue Kirchenjahr. Es beginnt mit der Vorbereitung auf das Kommen von Jesus Christus, dem Retter der Welt. Er sagt von sich selbst: „Ich bin das Licht der Welt.“ Er ist Quelle des Lebens, Orientierung und Ziel zugleich.
Lassen wir die Traurigkeit der trüben Novembertage hinter uns. Schauen wir freudig voraus und orientieren uns neu an dem Licht Jesu Christi, das unsere Zukunft erhellt.
Der Prophet Jeremia beginnt unseren heutigen Predigttext mit einer adventlichen Vorankündigung:
5 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, daß ich dem David einen gerechten Sproß erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. 6 Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der HERR unsere Gerechtigkeit«. 7 Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der HERR, daß man nicht mehr sagen wird: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«, 8 sondern: »So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel herausgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.« Und sie sollen in ihrem Lande wohnen.
„GERECHTIGKEIT“ ist das Leitwort unseres Predigttextes. Es ist uns allen vertraut, und doch scheuen wir uns, konkrete Aussagen darüber zu machen. Im biblischen Sinne umfaßt das Wort Gerechtigkeit weit mehr, als es das deutsche Wort erkennen läßt. Gerechtigkeit ist die Grundlage des Lebens in der Gemeinschaft, die rechte, heilsame Ordnung schlechthin. Sie meint keine feste oder gar absolute Norm, sondern ein Verhältnis zwischen Gott und Mensch sowie der Menschen untereinander.
Insbesondere wird von Regenten, vom König gefordert, daß er Recht und Gerechtigkeit zu üben hat. Und dies bedeutet primär, daß er den Hilfsbedürftigen Recht schaffen muß: Schutz für die Schwachen, die Fremden und Flüchtlinge, Witwen und Waisen.
Jeremia richtet seine Worte an das Volk Israel und seine Machthaber, die dafür verantwortlich waren, daß ihr Volk umkam oder zerstreut wurde. Geschichtlicher Hintergrund ist die Vertreibung großer Teile des jüdischen Volkes im Jahr 597 v. Chr in das babylonische Exil. Aber auch der neu eingesetzte König des Volkes Israels ist kein gerechter Führer. Er nutzt seine Macht schamlos aus und verläßt sich auf seine eigene Kraft und Sicherheit. Auch er wird wenig später ins Exil verbannt. Das gelobte Land ist unter die Herrschaft der Babylonier gefallen.
Jeremia spricht in die Situation von Menschen, die ihre Heimat verloren haben, die sich entwurzelt fühlen. Das jüdische Volk ist politisch und religiös in seinen Grundfesten erschüttert. Der Prophet verkündet Gottes Wort in aller Klarheit. Er spricht im Namen Gottes, der treu ist und zu seinen Verheißungen steht :
Ein neuer König wird kommen, dieser wird es an Recht und Gerechtigkeit nicht mangeln lassen. Sein Name lautet: „Gott ist unsere Gerechtigkeit.“ Und Jeremias prophetisches Wort kündigt die Befreiung des jüdischen Volkes aus der Knechtschaft Babylons an. Gottes Volk soll ins Land der Väter zurückgeführt werden und „sie sollen in ihrem Land wohnen.“
Jeremia übt durch seine Worte scharfe Kritik an den gegenwärtigen Machthabern. Gott selbst wird eingreifen, indem er aus dem Hause Davids einen gerechten „Sproß“ erwecken wird. Der neue König wird nicht aus dem Samen Davids hervorgehen. Die Bezeichnung „Sproß“ verdeutlicht den radikalen Bruch mit dem vorangehenden Herrschergeschlecht. Der neue König der Gerechtigkeit wird nicht aus dem alten Stamm herauswachsen, sondern durch das schöpferische Wirken Gottes neu hinzugefügt.
Die Aktualität der Bibel ist überwältigend. Die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit war eines der Hauptthemen des vergangenen Wahlkampfes. Gerade heute müssen sich Regierungen wieder an die soziale Frage erinnern lassen. Täglich erreichen uns Nachrichten aus dem ehemaligen Jugoslawien, die von dem entsetzlichen Leid flüchtender, vertriebener Menschen berichten.
„Gott ist unsere Gerechtigkeit“: Diese Zusage will uns dazu ermutigen, Ungerechtigkeit und Leid entgegenzuwirken. Veränderung geschieht nicht von alleine, sondern ist auf unsere Beteiligung angewiesen. Unser Glaube bewährt sich in der Tat.
Unsere Kirchen haben sich zum Ziel gesetzt, Sprachlosen Gehör zu verschaffen, Minderheiten zu unterstützen und Armen zu ihrem Recht zu verhelfen. Am heutigen Sonntag wird z.B. die Aktion „Brot für die Welt“ eröffnet. Gerechtigkeit ist der Grundgedanke dieser Hilfsorganisation. Durch gezielte Spendenvergabe und Projekten direkt vor Ort soll nicht nur die größte Not gelindert werden. Es werden neue Strukturen geschaffen, die den Menschen auf lange Sicht lebenswertes Leben ermöglichen, unabhängig von Spenden.
Caritas und Diakonie sind in unseren Regionen mit ihren Hilfsangeboten und Beratungsstellen präsent. Sie beschränken sich nicht nur auf karitative Hilfeleistungen, sondern machen auf Hintergründe wachsender Verarmung aufmerksam.
Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der EKD haben ein gemeinsames Wort „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ verfaßt. Diese Resolution möchte auf Gründe und Folgen von Arbeitslosigkeit, Benachteiligung von Frauen und Familien mit Kindern, Gefährdung der Alters- und Gesundheitsvorsorge machen.
Es gäbe noch Etliches aufzuzählen.
Gott ist unsere Gerechtigkeit. Dort, wo Gerechtigkeit praktiziert und erfahren wird, ist Gott selbst gegenwärtig. Im Advent bereiten wir uns auf das Kommen Jesu Christi vor. Er ist der König der Gerechtigkeit; so wie wir eingangs gesungen haben: „Er ist gerecht, ein Helfer wert.“ Durch ihn werden Autorität, Macht und Besitz neu definiert. „Sanftmütigkeit ist sein Gefährt!“ Gott kommt uns selbst entgegen, er will unser Leben zu-recht rücken. „All unsre Not zum End er bringt !“ Unser Leben steht im Licht seiner Barmherzigkeit und Liebe, deshalb zünden wir in dieser nun begonnen Adventszeit wieder unsere Kerzen an. Sie lassen vieles in neuem Licht erscheinen, sind Orientierung und weisen auf das Ziel. Hören wir, was sie uns zu sagen haben:
„Vier Kerzen brannten am Adventskranz. Es war ganz still. So still, daß man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen. Die erste Kerze seufzte und sagt : ‘Ich heiße Gerechtigkeit. Mein Licht leuchtet, aber die Menschen üben keine Gerechtigkeit, sie wollen mich nicht.’ Ihr Licht wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz.
Die zweite Kerze flackerte und sagte : ‘Ich heiße Glaube. Aber ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, daß ich brenne.’ Ein Luftzug wehte durch den Raum, und die zweite Kerze war aus.
Leise und sehr traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort. ‘Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich an die Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie liebhaben sollen.’ Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht. Da kam ein Kind in das Zimmer. Es schaute die Kerzen an und sagte : ‘Aber ihr sollt doch brennen und nicht aus sein.’ Und fast fing es an zu weinen.
Da meldete sich auch die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte: ‘Hab keine Angst, solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden. Ich heiße Hoffnung.’ Mit einem Streichholz nahm das Kind Licht von dieser Kerze und zündete die anderen Lichter wieder an.“
(Aus : Elsbeth Bihler, Symbole des Lebens – Symbole des Glaubens, Limburg 1992, S. 16 f.)
Amen.
Verfasserin: Prädikantin Susanne Kraft, Kriegsfelder Str. 10, 55234 Nieder-Wiesen
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