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Der kommende Herr

von Christian-Erdmann Schott (55124 Mainz)

Predigtdatum : 28.11.1999
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 1. Advent
Textstelle : Offenbarung 5,1-5.(6-14)
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Wochenspruch:

Wochenspruch: Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. (Sacharja 9,9)

Psalm: 24 (EG 712)

Lesungen

Altes Testament:
Jeremia 23,5-8
Epistel:
Römer 13,8-12 (13-14)
Evangelium:
Mt. 21,1-9

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 69
Der Morgenstern ist aufgedrungen
Wochenlied:
EG 4
oder EG 16
Nun komm, der Heiden Heiland
Die Nacht ist vorgedrungen
Predigtlied:
EG 12,1-4
Gott sei Dank durch alle Welt
Schlußlied:
EG 1,5
Komm, o mein Heiland Jesu Christ

Überlegungen zur Predigt
1. Dieser Text kann eine willkommene Hilfe sein, dem 1. Advent seinen Charakter als Einstieg in eine gemütvoll-gemütliche vorweihnachtliche Feierzeit ein wenig zu nehmen. Er richtet unseren Blick über Weihnachten, über das erste Kommen Jesu Christi in diese Welt hin auf die Passion, aber auch auf die Erhöhung und - noch viel weiter - auf die zukünftig-eschatologische Durchsetzung und universumsweite Anerkennung seiner Herrschaft.
2. Diese Perspektive kann und sollte von der Gemeinde aufgenommen und zur Orientierung, Stärkung und Hoffnung werden.
3. Die Bildersprache des Predigttextes ist in der Predigt nur zum Teil sinnvoll einsetzbar.

Liebe Gemeinde!
Weltweit feiern die Christen heute mit dem 1. Advent den Beginn eines neuen Kirchenjahres; des letzten Kirchenjahres in diesem Jahrtausend. Und so wie wir heute hier in ... singen sie ihre vertrauten, oft sehr geliebten Adventslieder - so wie schon die ersten Christen vor 2000 Jahren beim Einzug Jesu in Jerusalem ihr Adventslied gesungen haben “Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe” (Matth. 21,9). Nach der Erzählung des Matthäus haben sie es sehr laut und jubelnd, vielstimmig und begeistert gesungen. Bis heute spüren wir die Hoffnung, die sie mit diesem Einzug und mit ihrem Lied verbunden haben.
Noch viel lauter, fast unerträglich, gewaltig, erhebend, großartig muß der Gesang gewesen sein, von dem wir in unserem Predigttext hören. Schon der Ort, an dem er stattgefunden haben soll, war gewaltig - nämlich der Thronsaal Gottes im Himmel. Von dort ist er dann in alle Himmel, auf die Erde und ins Universum hinausgeklungen, hat alles erfüllt und so hat es sich dann auch Johannes, der blinde prophetische Seher vorzustellen und in Worte zu fassen versucht.
1 Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln.
2 Und ich sah einen starken Engel, der rief mit großer Stimme: Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen? 3 Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hineinsehen. 4 Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch aufzutun und hineinzusehen.
5 Und einer von den Ältesten spricht zu mir: Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel.
[6 Und ich sah mitten zwischen dem Thron und den vier Gestalten und mitten unter den Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet; es hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande.
7 Und es kam und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß. 8 Und als es das Buch nahm, da fielen die vier Gestalten und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen, 9 und sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen 10 und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden.
11 Und ich sah, und ich hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron und um die Gestalten und um die Ältesten her, und ihre Zahl war vieltausendmal tausend; 12 die sprachen mit großer Stimme: Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.
13 Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!
14 Und die vier Gestalten sprachen: Amen! Und die Ältesten fielen nieder und beteten an.]
Ganz vorstellen kann man sich das nicht. Die Sprache ist zwar voller Symbol- und Bildgehalte, aber doch nicht anschaulich. Zum großen Teil sind die Bilder nicht vorstellbar, zum Beispiel die sieben Hörner und die sieben Augen - wo sollen sie ihren Sitz haben? Oder das innen und außen beschriebene Buch - wie kann man sehen oder wissen, daß es innen und außen beschrieben ist, wenn es verschlossen und versiegelt ist? Oder: Wie können die 24 Ältesten (V. 8) zugleich niederfallen, Harfe spielen und Räucherschalen in ihren Händen halten? Aber darauf kommt es zuletzt nicht an. Diese Bilder sind kein Protokoll einer tatsächlich erlebten Vision, sondern eine Komposition uralter, zum Teil auch alttestamentlicher Bildmotive, die alle zusammen eine theologische Aussage machen wollen. Sie heißt: Jesus Christus, er allein kann das Buch mit den sieben Siegeln öffnen. Aber was ist das für ein Buch?
Dieses Buch mit den sieben Siegeln ist unsere Bibel. Es ist das Alte und Neue Testament, das wir fast alle besitzen, das in uns Bücherschränken steht und auf den Altären unserer Kirchen liegt - das wir aber fast gar nicht kennen. Wir lesen nicht darin. Wir fragen, was steht da eigentlich drin? Wir kennen es nicht. Es ist uns verschlossen wie mit sieben Siegeln. Weil es uns aber von Gott gegeben ist und Gott will, daß wir darin lesen; weil wir uns aber gegen seine Öffnung verschließen - darum weint der Seher. Er sieht weit und breit keinen Menschen, der das Buch Gottes ernst nimmt und daraus liest, selbst wenn er es von Berufs wegen liest, zum Beispiel als Pastor. Alle sind wir in diese Tränen eingeschlossen.
Nur einer hat das Buch öffnen können: Jesus Christus. Durch sein Leben hat er uns seinen Sinn aufgeschlossen. Er heißt: Gott ist der Herr Schöpfung - und nur ihm allein gebührt der Ruhm und die Anbetung - nicht Menschen, Mächten, Meinungen, Moden und Methoden. Sie sind alle nichts, vergänglich und letztlich ohne Zukunft. Die einzige Macht, Zukunft für die Menschheit gibt und verspricht, ist Gott. Ihn sollen wir “über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen” (Martin Luther).
Für diesen Glauben hat Jesus Christus mit dem Leben bezahlt. Die Welt will diesen Anspruch Gottes nicht hören, und die Christen haben Angst, ihn zu hören, weil wir fürchten, daß wir genauso wie die Lämmer von den Wölfen geschlachtet werden. Darum lesen wir die Bibel lieber nicht oder lieber nicht so genau.
Diese Angst hatten die Christen immer, auch zu den Zeiten des Johannes. Damals fürchteten sie die Verfolgungen, die Folterungen und Grausamkeiten der Beauftragten des Domitian (röm. Kaiser 81-96-nach Christus). Johannes zeigt allen Verängstigten die Größe Gottes, die Herrlichkeit seines Thronsaales und die Ehre, die er seinem um seinetwillen getöteten Sohn erweist. Und nicht nur das: Johannes zeigt, wie die wahren Machtverhältnisse sind. Gott war - ist - wird sein. Er ist der Ewige und Allmächtige. Er wird nicht kapitulieren vor der Gottesfeindschaft vieler Menschen. Sein Reich wird sichtbar kommen. Aus diesem Glauben an die Größe Gottes dürfen und sollen die Christen auch heute schon leben.
Und wenn wir bedrückt und traurig sind, wenn wir klagen, “wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht” (Julie Hausmann ) und zittern, dann sollen wir uns dieses große Bild vom Thronsaal Gottes vor die Augen stellen; dann sollen wir das Buch mit den sieben Siegeln aufmachen und sehen, wie Gott das Lamm zum Sohn erhebt und neben sich auf den Thron setzt (inthronisiert) und wie die Zukunft in ihrer beider Macht und Herrschaft liegt.
Dieses Bild zeigt die Perspektive, die die Schöpfung von Gott her - nur von Gott her, nicht aus sich selbst - hat. Darum kann sie uns auch eine innere Ruhe geben, die uns befähigt, nicht nur im Glauben und in der Hoffnung, sondern auch in der Liebe, in Freundlichkeit und Güte, in der Barmherzigkeit zu bleiben.
Das Bild vom Lamm meint ja auch, daß die Christen sich nicht mit Bösem wehren, mit Bösem vergelten und zurückschlagen, sondern auch einstecken, und mit ausdauernder Liebe antworten. Diese Liebe ist - langfristig - stärker als das Böse. Sie verändert den Geist, das Klima in den Gemeinden, Familien und erweist sich so als siegender Löwe. Das Lamm ist der Löwe, wenn es ausdauernd und glaubend in der Treue der Liebe und Wahrheit bleibt. Darum gibt es letztlich nichts, was dieses neue Leben mitten unter den Bedingungen der alten, gottesfeindlichen Welt hindern oder aufhalten kann.
Stellen wir uns einmal vor, das Buch mit den sieben Siegeln wäre uns durch das Leben Jesu Christi nicht entschlüsselt worden. Wie traurig müßte alles Leben sein. Albrecht Grözinger hat einmal eine solche deprimierende Vision beschrieben:
“Und ich sah in der Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln. Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hineinsehen. Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch aufzutun und hineinzusehen.
Doch mein Weinen wurde nicht gesehen. Kein Trost ist mir zugekommen. Das Buch blieb verschlossen, die Welt ungelesen und somit vergessen. Und der Thron entschwand und mit dem Thron der, der auf ihm saß. Und Finsternis bedeckte die Erde, und die Erde ward wüst und leer. Doch kein guter Geist Gottes schwebte über den Wassern, und keine Stimme rief die Welt wieder ins Licht”.
Gott sei Dank lautet die Geschichte nicht so!
Damit Glaube und Liebe stark bleiben, müssen wir sie ernähren. Johannes tut das mit seinem starken, positiven Bild. Es gibt auch andere Möglichkeiten: Viele von uns haben bei ihrer Konfirmation oder bei der Trauung oder bei einer anderen Gelegenheit (zum Beispiel bei einer Feier des hl. Abendmahls) einen Spruch aus dem Buch Gottes zugesprochen bekommen. Diese Zusprache ist eine persönliche Übereignung:
Dieses Wort soll dich begleiten. Von Maria heißt es “Sie behielt all diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen” (Lk. 2,19). So werden einzelne Worte für mich wichtig. Ich wachse mit ihnen zusammen. Sie stärken mich, trösten mich. Weitere können wir dazulernen. Glaube und Liebe müssen genährt werden durch Bilder, Worte, Erinnerungen, Geschichten - und durch Lieder.
Die Adventszeit ist noch immer eine Zeit, in der mehr gemeinsam gesungen wird als zu anderen Zeiten des Kirchenjahres. Auch die Adventslieder können unseren Glauben stärken, indem sie uns hineinnehmen in die Erwartung, in der die Christenheit lebt; aber auch in das Lob Gottes und die Freude an ihm. Dabei wird dann auch deutlich, daß es eine große Gemeinde ist, die schon immer, heute wieder und einstmals Gott lobt. Die ersten Christen sangen am 1. Advent “Hosianna, gelobt sei der da kommt...”. Wir singen “Macht hoch die Tür, die Tor macht weit...” Und alle werden wir einstmals singen “Das Lamm, das erwürgt ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob” (V. 14).
Über die Grenzen der Jahrtausende hinweg, über alles Irdische, über Zeiten und Räume hinaus schließen uns alle Lob, Dank, Hoffnung und Freude zusammen zu einer großen adventlichen Gemeinde Gottes. Amen.

Verfasser: Pfr. em. Dr. Christian-Erdmann Schott, Elsa-Brändström-Str.21, 55124 Mainz-Gonsenheim

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