Der Leib Christi
von Hans-Ulrich Deußen (55270 Schwabenheim)
Predigtdatum
:
12.10.2008
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
20. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Korinther 12,12-14.26-27
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Wochenspruch:
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
(Römer 12,21)
Psalm: 19,10-15 EG 708)
Lesungen
Altes Testament:
Jeremia 29,1.4-7.10-14
Epistel:
Epheser 6,10-17
Evangelium:
Matthäus 6,38-48
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 268
Strahlen brechen viele
Wochenlied:
EG 273 oder
EG 377
Ach Gott, vom Himmel sieh darein
Zieh an die Macht, du Arm des Herrn
Predigtlied:
EG 259, 3
Er mache uns im Glauben kühn
Schlusslied:
EG 251, 6
Liebe, du hast es geboten
12 Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus. 13 Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt. 14 Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele. 26 Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit. 27 Ihr aber seid der Leib Christi und jeder von euch ein Glied.
Liebe Gemeinde,
Korinth zur Zeit des Paulus: Eine Multi-Kulti-Hafenstadt, wie wir sie uns heute vielleicht mit Hamburg vorstellen können. Wahrscheinlich waren in ihr alle Religionen vertreten, die es um das Mittelmeer gab: die griechischen und ägyptischen Götter; weil sich viele altgedienten Soldaten des römischen Heeres gern dort ansiedelten, natürlich die römischen Götter. Eine kleine jüdische Gemeinde und mitten dazwischen eine christliche Gemeinde. Natürlich war sie zur Zeit ihrer Entstehung eine lebendige Gemeinde gewesen. Aber nun hatten sich so einige unschöne Dinge eingenistet, es hatten sich gesellschaftliche Gruppierungen gebildet, Unterschiede zwischen Arm und Reich bildeten sich je länger je mehr heraus.
In dieser Situation nimmt Paulus in seinem Brief wohl Bezug auf eine alte Legende des römischen Patriziers Meneneus, in der erzählt wird, wie sich alle Körperteile gegen den Bauch verschworen hätten, weil er nichts tue. Durch diesen Streik der Körperteile wurden aber alle Glieder und der ganze Körper entkräftet. Endlich stellten alle Körperteile fest, dass auch der Magen seinen Dienst für die Gesamtheit tue und deshalb der Aufstand gegen ihn sinnlos sei.
Bei Meneneus ging es um einen Aufstand der Plebejer gegen die patrizische Oberschicht. Auch Plato benutzt das Bild von Leib und Gliedern, um zu zeigen, dass erst ein Staatswesen entstehen könne, wenn alle sich mit einer Sache in gleicher Weise identifizieren.
Paulus betrachtet das Thema von anderer Seite: „Ihr seid der Leib Christi!“ Wenn also etwas im Namen Jesu Christi geschehen soll, müssen dazu Menschen gefunden werden, die dies tun.
Wenn Kinder oder Konfirmanden unterrichtet werden sollen, müssen Menschen gefunden werden, die die Begabung haben, sie zu unterrichten. Wenn ein Kranker gesund werden soll, muss ein Arzt gefunden werden. Wenn die Geschichte Gottes und Jesu Christi mit den Menschen verkündet werden soll, müssen Prediger und Missionare gefunden werden. Gemeinde muss buchstäblich der Leib Christi sein: Hände, die die Arbeit tun, Füße, die sich auf den Weg machen, die Stimme, die für ihn spricht. Dabei geht Paulus wie selbstverständlich davon aus, dass jeder in der Gemeinde seinen Arbeitsplatz hat. Ein Körper ist nur gesund und leistungsfähig, wenn alle Glieder gut funktionieren und aufeinander eingespielt sind.
Und jetzt stehen mir ganz deutlich die Einwendungen vor Augen: Gemeinde – ein Leib, schön und gut. Aber was ich sehe, ist im günstigsten Fall ein kranker Leib. Vielleicht spricht auch der eine oder die andere von der toten Gemeinde, einbalsamiert, gepflegt, respektvoll behandelt, aber tot; die Glieder nehmen nicht mehr ihre Aufgaben wahr.
Und dann kommt das traurige Ende: wir resignieren.
Aber Moment mal! Wie schreibt Paulus im letzten Vers unseres Textes? „Ihr aber seid der Leib Christi...!“ Es kommt ja gar nicht darauf an, was wir zustande bringen, sondern auf das, was er durch uns tut. Er ist das Haupt des Leibes, das Gehirn, von dem alle Impulse ausgehen. Das ist es!
Wie heißt es so schön in dem Lied von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf? „Er das Haupt, wir seine Glieder...“. Christus will etwas durch uns tun. Er weist uns Funktionen, Aufgaben zu. Allerdings werden wir vorab mit den notwendigen Fähigkeiten ausgerüstet. Und wenn wir dann die Gaben und Fähigkeiten ausnutzen, entsteht daraus der Leib der Gemeinde. Das ist ganz eindeutig, und eigentlich können wir uns dem nicht entziehen. Es gäbe ein Miteinander und Füreinander, der Dienst des Einen für den Anderen und miteinander für die Gemeinschaft, die Gemeinde. Das Bild vom Leib ist da ganz eindeutig.
Das Bild ja, aber die Wirklichkeit? Natürlich fragen wir uns: Was ist denn dann meine Aufgabe, und wo ist mein Platz? Da bleibt oftmals vor lauter Überlegen und Diskutieren über Aufgaben des Einzelnen gar keine Zeit, die mir zugewiesenen Fähigkeiten zu entwickeln und umzusetzen.
In einer Ansprache vor indischen Christen hat es einmal geheißen:
„Ihr sollt Christi Hände sein – ihr sollt jene Werke der Barmherzigkeit tun, die Christus tun würde, wenn er unter euch wäre.
Ihr sollt Christ Augen sein – ihr sollt unter den Menschen die Not sehen, die Christus sehen würde; die Hoffnung und die Sehnsucht nach Vergebung und Freiheit, die Christus sehen würde, wenn er unter euch wäre.
Ihr sollt Christi Mund sein – ihr sollt das Wort der Erlösung sagen, das unser Meister sagen würde, wenn er unter euch wäre.“
Wenn wir unsre Aufgaben als Glieder an dem einen Leib so sehen würden, alles wäre gut.
Aber welches Glied bin ich denn nun an dem Leib?
Bin ich eine Hand? Nein, denn ich tue nicht viel in der Gemeinde!
Bin ich ein Fuß? Na ja, vielleicht. Ich mache ja manche Wege. Aber andererseits: Manchmal sitzt der Schuh Gemeinde an meinem Fuß nicht gerade sehr passend. Manches ist mir zu eng, anderes wieder viel zu weit. Wenn ich da an die Gemeinschaften denke oder an den Feminismus...! Nur als Beispiel!
Ach jetzt weiß ich, was ich bin! Ich bin mein kaputter Rücken oder mein schmerzendes Knie! Aber stimmt das dann auch? „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit“? Bereite ich der Gemeinde Schmerzen? Stört meine Enge oder Weite das Wohlbefinden der Gemeinde? Ist das meine Bestandsaufnahme? Nun ja, immerhin heißt es ja: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. Das gilt für mich, aber auch für die anderen. Und das ist ein Grund, einer für den anderen da zu sein. Grund für die Hoffnung, dass unser Herr Jesus Christus uns die Gaben dazu gibt, die Gaben, unsere Gemeinde lebendig zu erhalten, denn sie hat die Aufgabe, mit dem Haupt Christus in und für die Welt da zu sein. Dieses Bild von Haupt und Gliedern hat einmal jemand so beschrieben:
„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit zu tun;
er hat keine Füße, nur unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu führen;
er hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um Menschen von seinem Tod zu erzählen;
er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe, um Menschen an seine Seite zu bringen.
Wir sind die einzige Bibel, die die Öffentlichkeit noch liest.
Wir sind den Sündern das Evangelium, den Spöttern das Glaubensbekenntnis.
Wir sind Gottes letzte Botschaft, in Taten und Worten geschrieben.
...und wenn die Schrift gefälscht ist – nicht gelesen werden kann?
Was dann?“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn und Heiland. Amen.
Wir singen den Vers: „Er mache uns im Glauben kühn und in der Liebe reine.“
Verfasser: Prädikant Hans-Ulrich Deußen
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