Wochenspruch: „Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.“ (Psalm 103)
Psalm: 104
Reihe I: Jesaja 58,7-12
Reihe II: Markus 8,1-9
Reihe III: 2. Korinther 9,6-15
Reihe IV: 5. Mose 8,7-18
Reihe V: Lukas 12,(13-14)15-21
Reihe VI: 1. Timotheus 4,4-5
Eingangslied: EG 508 Wir pflügen und wir streuen
Wochenlied: EG 324 Ich singe dir mit Herz und Mund
Predigtlied: EG 419 Hilf, Herr meines Lebens
Schlusslied: EG 170 Komm, Herr, segne uns
(13 Es sprach aber einer aus dem Volk zu ihm: Meister, sage meinem Bruder, dass er mit mir das Erbe teile. 14 Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Schlichter über euch gesetzt?)
15 Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.
16 Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Land hatte gut getragen. 17 Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. 18 Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Güter 19 und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! 20 Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Und wem wird dann gehören, was du bereitet hast? 21 So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.
Die Geschichte vom reichen Kornbauern ist wahrscheinlich vielen bekannt. Sie würde aber nur verkürzt wahrgenommen, wenn sie nur die Erkenntnis vermitteln sollte: Das letzte Hemd hat keine Taschen.
Ich möchte herausarbeiten, dass es nicht darum geht, Besitz und Wohlstand madig zu machen, sondern dass der Text zu einem Perspektivwechsel verlocken will: vom „ich“ und „mein“ hin zu „wir“ und „unser“.
Aktuelle Bezüge im Text können bzw. müssen ersetzt und ergänzt werden.
Liebe Gemeinde!
„Jaja, das letzte Hemd hat keine Taschen!“ – das hört man manchmal, wenn jemand gestorben ist – plötzlich vielleicht sogar – der viel Geld hatte. Hat man vorher vielleicht mit ein wenig Sehnsucht oder auch ein bisschen Neid auf den Wohlstand dieses Menschen geschaut, so ist doch jetzt die Gerechtigkeit wieder hergestellt. Am Ende unseres Lebens können wir alle gleich viel mitnehmen – nämlich gar nichts.
Aber ist das die einfache Botschaft dieser kurzen Geschichte, die Jesus erzählt hat? Das wäre doch ein wenig dürftig. Wir sind von ihm in der Regel mehr gewohnt.
Also schauen wir einmal genauer hin. Was hat dieser reiche Mensch falsch gemacht? Warum hatte er zwar viele Schätze, war aber nicht reich bei Gott? Oder anders herum gefragt: Was macht reich bei Gott?
Der reiche Bauer hat eine gute Ernte eingefahren. Reich war er schon vorher, jetzt wird er also noch reicher. So ist das manchmal: Wo schon Geld ist, da kommt noch mehr dazu. Nicht, dass der reiche Bauer nicht auch dafür gearbeitet hätte. Er ist sicher kein Faulenzer. Von nichts kommt nichts. Und er verdient sein Geld nicht mit Aktienspekulationen oder irgendwelchen windigen Geschäften, sondern mit seiner Hände Arbeit. Da kann er mit Recht stolz sein auf das Erreichte.
Nun aber hat er ein Problem: Die Ernte ist zu groß; seine Lagerkapazitäten reichen nicht aus, um sie unterzubringen. Sie sind nur für den Normalfall ausgelegt. Auch Reichtum bringt so seine Probleme mit sich.
„Die Sorgen möchte ich haben“, mag mancher denken. „Ich bin froh, wenn ich gerade so rumkomme und wenn’s zu ein bisschen Wohlstand, ein bisschen Luxus reicht.“
Und seit einem guten Jahr erleben wir: Menschen hier bei uns haben Sorge um ihre Existenz. Menschen haben Sorge, dass sie ihre Stromrechnung oder ihre Heizkosten nicht mehr bezahlen können; dass das Geld am Ende gerade noch für die Lebensmittel reicht. Menschen haben Sorge, dass vieles von dem, was für uns lange Zeit ganz selbstverständlich war und zum Leben dazugehört hat, nicht mehr möglich sein wird. Und diese Sorgen sind für manche durchaus berechtigt.
Ja, wir leben immer noch in einem reichen Land. Und hungern wird bei uns niemand. Auch die medizinische Versorgung ist gut, wenn man sie mit anderen Ländern vergleicht.
Und doch: Der Wohlstand in unserem Land scheint erstmals seit vielen Jahren wieder ernsthaft bedroht.
Und die Menschen, denen es geht wie dem reichen Bauern in der Geschichte, werden immer weniger. Und immer mehr gehören zu denen, die gerade so rumkommen mit dem, was sie haben. Von denen gab’s übrigens auch mehr als genug zu der Zeit, in der Jesus diese Geschichte erzählt hat.
Aber sei’s drum, dieser reiche Bauer hat nun einmal mehr, als er lagern kann. Was tun mit dem Überfluss? Gut anlegen. Investition in die Zukunft. Scheunen, Lagerhäuser und Silos abreißen und neue, größere bauen. Der kluge Mann baut vor.
Ist daran etwas falsch? Das tun doch alle. Viele haben eine Lebensversicherung. Alle haben wir in die Rentenversicherung eingezahlt oder anders fürs Alter vorgesorgt. Damit im Alter nicht eine Versorgungslücke klafft und es mit dem Wohlstand dann ganz schnell vorbei ist. Der kluge Mann, die kluge Frau baut vor. Und ein Narr ist, wer das nicht tut und einfach meint: Es wird schon alles gut gehen. Der soll sich hinterher nicht beschweren und vor allem den anderen nicht zur Last fallen.
Was ist also falsch am Verhalten dieses reichen Bauern?
Nicht, dass er reich ist. Darin wird er nicht kritisiert. Das ist so, und das ist nicht zuletzt Ergebnis seiner harten Arbeit. Reichtum und Wohlstand werden in der Bibel nicht madig gemacht. Im Gegenteil: Sie werden immer auch als ein Segen gesehen.
Nicht, dass er reich ist, ist der Fehler des Bauern. Auch nicht, dass er für die Zukunft vorsorgen will.
Was aber dann? Wenn man sich das kurze Selbstgespräch dieses Bauern ansieht, in dem er überlegt, was er denn mit seiner guten Ernte anfangen soll, fällt auf: Zehnmal kommen in den wenigen Sätzen die Worte „ich“ und „mein“ vor.
Meine Früchte, meine Scheunen, mein Korn, meine Vorräte; und schließlich: meine Seele….
Das ist sein Problem. Es kreist alles um seinen Besitz: sein Denken, sein Planen, sein Handeln – auch sein Fühlen? Wie kann ich meinen Besitz vermehren? Wie kann ich meinen Reichtum ausbauen? Wie kann ich dadurch meine Zukunft sichern?
Und der gefährliche Trugschluss dabei ist, dass er meint: Auf diese Weise kann ich auch mein Leben sichern; auf diese Weise kann ich meine Seele sichern und beruhigen. Auf diese Weise finde ich meine innere Ruhe; auf diese Weise komme ich in Einklang mit mir selber und meiner Umwelt; auf diese Weise finde ich meinen „Seelenfrieden“, könnte man auch sagen. „Liebe Seele, …hab nun Ruhe, iss und trink und habe guten Mut!“ Deshalb muss er sich sagen lassen: „Du Narr! Du Idiot! Du hast genau danebengelegen! Du hast völlig falsch kalkuliert bei all deinen klugen Plänen und Berechnungen!“
Alles kreist bei diesem reichen Mann um seinen Besitz und vor allem: um ihn selber.
Und ich frage mich: Wo kommen da die anderen vor? Welche Rolle spielen die für ihn? Seine Frau, seine Kinder, seine Familie; die Arbeiter, die er beschäftigt; seine Nachbarn und Berufskollegen; seine Geschäftspartner; die anderen Menschen in seinem Dorf – also auch die Tagelöhner, die Kranken; die, die sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen müssen? Haben die in seinen Gedanken einen Platz? Bezieht er sie irgendwie ein in seine Überlegungen und Planungen? Wenn er überlegt, was er mit dem unerwarteten Überfluss anfangen soll, der ihm da beschert worden ist – kommen sie ihm da in den Sinn?
Anscheinend nicht. Und deswegen ist er nicht reich bei Gott. Deswegen hat er zwar seine Schätze, die er angesammelt hat – aber mehr nicht. Und deswegen irrt er sich, wenn er sagt: „So liebe Seele, habe nun Ruhe…!“
Wie hätte er nun reich werden können bei Gott? Hätte er alles aufgeben müssen – oder zumindest auf seine gute Ernte verzichten müssen?
Ich denke, daran ist gar nicht gedacht. Er hätte vielleicht anders, vielleicht grundsätzlicher nachdenken müssen. Nicht nur technisch: Wie kriege ich das hin, meine Ernte unterzubringen und meinen Wohlstand zu sichern? Da legt er bemerkenswerte Klugheit an den Tag. Und trotzdem heißt es am Ende. „Du Narr!“
Vielleicht hätte er grundsätzlicher nachdenken müssen. „Niemand lebt davon, dass er viele Güter hat!“
Diesen einfachen Satz sagt Jesus vor unserer Geschichte. Klar, der reiche Bauer hat ihn nicht gekannt. Er ist ja selbst nur Teil einer Geschichte, einer anderen Geschichte. Aber er hätte angesichts seines unerwarteten Gewinns einmal nachdenken können über die Frage: „Wovon lebe ich eigentlich? Was ist mir wichtig? Worauf kommt’s an? Was verschafft mir wirklich meinen Seelenfrieden?“
Und dann hätte er sich immer noch freuen können an seinem Reichtum und an der guten Ernte. Dann hätte er noch lange kein schlechtes Gewissen bekommen und hätte schon gar nicht verschämt und mit gesenktem Blick herumlaufen müssen.
Er hätte stattdessen einen ganz anderen Blick bekommen. Einen weiteren Blick. Weiter als nur auf sich selber und seine Probleme mit seinem Besitz. Da wären für ihn auf einmal die anderen in den Blick gekommen. Und er hätte eine andere Antwort gefunden auf die Frage: „Was soll ich tun?“
Auf diesen anderen, einen weiten Blick kommt es auch für uns an. Wir spüren immer deutlicher die Veränderungen im Klima. Die Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine spüren wir im Alltag, beim Einkaufen, bei den Strom- und Gaspreisen. Und dass die Ressourcen unserer Erde endlich sind, wird uns ganz konkret vor Augen geführt.
Aber aus der Erkenntnis, dass ein solcher anderer Blick nötig ist, folgt nicht automatisch die Umsetzung im alltäglichen Leben. Und die ist ja auch nicht immer einfach – zugegeben. Und zudem mitunter auch unbequem.
Die Heizung niedriger einzustellen – das hat viele im letzten Winter auch schon frösteln lassen in Wohnungen und Büros. Manche, die es sich leisten konnten, waren auch nicht dazu bereit. Ich drehe die Heizung auf wie sonst auch; die werden das Gas schon nicht abdrehen. Ich möchte es warm haben! Auch solche Sätze waren zu hören.
Aber was würde denn passieren, wenn alle so denken, die es sich leisten können? Wenn sie ihren Energieverbrauch nicht senken und wenn dann durch den hohen Verbrauch vieler die Energie immer noch teurer wird – für alle? Vor allem für die, die sich dann keine warme Wohnung mehr leisten können und sich fragen müssen: Wie oft koche ich warm?
Es kommt auf einen anderen, weiteren Blick an. Einen Blick, der sich nicht nur darauf richtet, wie ich selber durchkomme und möglichst meinen Lebensstandard bewahre. Sondern der sich auch auf andere richtet.
Auf diesen anderen, weiteren Blick wird es nicht nur für uns alle ganz persönlich ankommen, sondern auch für uns als Gemeinden. Da müssen wir nicht nur die Frage stellen: Wieviel Heizung können wir nun in den Kirchen noch leisten? Sondern auch die Frage: Was können wir tun für diejenigen, die nun in wirkliche Nöte kommen durch die dramatischen Kostensteigerungen?
Gut, dass die Kirchen sich entschlossen hatten, die Mehreinnahmen an Kirchensteuer, die sich aus der Energiepauschale ergeben, sozial Schwächeren zur Verfügung zu stellen. Es werden Menschen unterstützt, die besonders unter den gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten leiden.
Auf einen weiten Blick kommt es an. Und in diesen schwierigen Zeiten wird es darauf ankommen, ob wir als Gesellschaft zusammenbleiben oder uns immer weiter auseinanderdividieren. Ob das „Ich-Sagen“ gewinnt – oder das „Wir-Sagen.“
Noch einmal zurück zu der Geschichte, die Jesus erzählt hat. Da stand der reiche Bauer nicht vor einer drohenden Notsituation. Es drohten weder Inflation noch Energienotstand. Er musste sich nicht einschränken, im Gegenteil. Alles schien in bester Ordnung. Weiter so, war die Devise.
Meine Früchte, meine Scheunen, mein Korn, meine Vorräte; und schließlich: meine Seele…. Darauf richtete er seinen Blick.
Was hätte er anders gemacht, wenn er einen weiten Blick gehabt und nicht nur auf sich selber geschaut hätte? Wenn er nicht nur gefragt hätte: Was kann ich für mich tun, damit mein Reichtum erhalten bleibt oder vermehrt wird?
Vielleicht hätte er ein großes Fest gegeben für seine Leute, die – wie er hart – gearbeitet haben auf seinen Feldern. Vielleicht hätte er ein, zwei neue Leute mehr eingestellt und ihnen und ihren Familien Lohn und Brot gegeben. Vielleicht hätte er eine Lohnerhöhung beschlossen für seine Arbeiter und auch für die Tagelöhner – oder eine einmalige Gewinnbeteiligung. Vielleicht…
Dann wären die neuen Scheunen und Lagerhäuser und Silos am Ende etwas kleiner ausgefallen. Vielleicht hätte er auf den einen oder anderen Neubau sogar ganz verzichtet, weil die alten Gebäude für den Normalfall doch schon gut ausgelegt waren.
Und am Ende hätte er nicht alleine dagesessen und gerechnet und am Ende gesagt: „So liebe Seele, habe nun Ruhe!“
Sondern ich stelle mir vor: Am Ende hätte er mit allen zusammen ein Fest gefeiert. Und er hätte in einer großen Runde dagesessen; zufrieden und auch ein wenig stolz; und er hätte für sich die Sache überschlagen und sich gewundert, wie viele Früchte seine Ernte jetzt schon getragen hat; und dann wäre er irgendwann aufgestanden und hätte zu den anderen gesagt: „Gott sei Dank, dass wir genug haben und wir nicht Not leiden müssen.“
Verfasser: Pfarrer Michael Tönges-Braungart
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