Der rettende Ruf
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
23.07.2000
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
4. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Mose 12,1-4a
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Wochenspruch:
Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. (Epheser 2,8)
Psalm: 73,14.23-26.28 (EG 733)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 12,1-4a
Epistel:
1. Korinther 1,18-25
Evangelium:
Lukas 5,1-11
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 503
Geh aus, mein Herz
Wochenlied:
EG 245
oder EG 241
Preis, Lob und Dank sei Gott dem Herren
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
Predigtlied:
EG 406
Bei dir, Jesu, will ich bleiben
Schlusslied:
EG 445,5
Führe mich, o Herr, und leite
1 Der HERR sprach zu Abram: “Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. 2 Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. 3 Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.” 4 Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte.
Liebe Schwestern und Brüder,
Vor dieser Geschichte erzählt die Bibel die Geschichte der Menschheit: eine Geschichte voll von Leid und Schuld, von Eigensinn und Feindseligkeit, von Ruhmsucht und Herrschsucht. Es ist eine Geschichte von dem Misstrauen der Menschen gegen Gott und vom Scheitern Gottes an diesem Misstrauen.
Und am Ende dieser Vorgeschichte wird vom Versuch der Menschen erzählt, sich einen großen Namen zu machen durch den Turmbau von Babel und dieser Versuch scheitert in der Sprachverwirrung. Und dann wird von dem Aufbruch des Tarach nach Kanaan erzählt - und dieser Aufbruch ins gelobte Land bleibt stecken in Haran, irgendwo in der Wüste.
So heißt das Ergebnis der Urgeschichten aufs Ganze: Wo Menschen versuchen, die Wege des Lebens selbstherrlich in den Griff zu kriegen, da landen sie in Sackgassen! Wo Menschen versuchen, zu sein wie Gott, da erleiden sie schmählich Schiffbruch. Und weiter heißt das Ergebnis: Gott landet bei seinen Menschen einen Misserfolg nach dem anderen. Sie sind nicht von der Art, dass sie ihm vertrauen und seine Wege gehen. Es wäre keine Wunder, wenn Gott nach diesen Erfahrungen resigniert die Flinte ins Korn wirft.
Aber Gott gibt sich nicht mit dieser Vorgeschichte zufrieden. Er sagt nicht: das ist das Ende meiner Träume. Gott hat einen Traum vom Menschen, den er nicht preisgibt. Und deshalb fängt er eine neue Geschichte an.
Darum geht es heute. Gott fängt mit der Welt etwas Neues an, indem er mit Abraham etwas Neues anfängt. Gott fängt mit der ganzen Welt eine neue Geschichte an, indem er mit einem einzigen Menschen, mit diesem Abraham eine neue Geschichte anfängt. Das alles steckt in diesen Worten: Da sprach Gott.
Darum geht es für uns heute: Gott will mit uns heute Neues anfangen. Es gilt für uns wie für Abraham: Und Gott sprach. Und Gott will in unser Leben hineinsprechen durch diese alte Geschichte wie in das Leben des Abraham - in unser Konfirmandenleben und in mein Berufsleben, in das von Ihnen als Mann und Frau, mit Ihren Lebensfragen und Ihren Lebensenttäuschungen!
Gott setzt einen neuen Anfang, indem er mit einem Menschen, mit Abraham, spricht. Wo Gott sein Wort an einen Menschen richtet, da kann etwas Neues anfangen. Wo Gott das Schweigen bricht und sagt: “DU” - da kann eine neue Geschichte ihren Anfang nehmen. Und wenn Sie jetzt das “Du” Gottes hören, dann macht er mit Ihnen einen neuen Anfang - wenn Sie sich nur von ihm ansprechen lassen.
Dabei wird uns keine Voraussetzung bei Abraham erzählt. Wir erfahren nicht, dass er besondere Qualitäten hätte. Er wird uns nicht als Jahwe-Verehrer beschrieben und es heißt von ihm auch nicht: er war fromm. Nein, alles hängt daran, dass Gott spricht - und dass nun dieser Mensch Abraham dies Sprechen Gottes hört.
Das gilt! Damit Gott in unserem Leben eine Geschichte anfangen kann, eine neue Geschichte anfangen kann, braucht es nicht irgendwelche Voraussetzungen auf unserer Seite. Wir müssen nicht konfirmiert sein, nicht einmal getauft, wir müssen nicht im Glauben stehen, wir müssen nicht besonders kirchlich sein. Es braucht keine goldene Glaubensspange und keinen Leistungsnachweis: alle Hauptstücke des Katechismus sind bekannt. Das alles ist nicht nötig!
Was nötig ist: dass dies eine geschieht, dass Gott, der Herr spricht und wir hören. Was nötig ist, ist dies, dass wir die leise Stimme Gottes in unserem Leben nicht überhören, sondern ihr das Ohr leihen.
Das ist, so habe ich es immer wieder erfahren, für fromme Leute genauso schwer wie für unfromme. Das ist für Kirchgänger genauso schwer wie für die, die viel eher in die Wirtschaft gehen oder sich jetzt viel lieber ins Schwimmbad legen oder die Tour de France anschauen.
Wir überhören die Stimme Gottes, weil sie uns nicht ins Konzept passt, weil sie uns neue Wege zumutet und wir lieber unsere alten Wege gehen. Ich glaube, dass wir die Stimme Gottes oft genug schlicht deshalb nicht wahrnehmen, weil wir viel zu lautstark mit unseren eigenen Sachen beschäftigt sind. Was steht alles auf unserer Tagesordnung und ist angeblich unaufschiebbar. Was verlangt nicht alles unsere Aufmerksamkeit - wie sollten wir da aufmerken für so eine leise Stimme?
Wir wissen es ja nicht, wie Abraham gewusst hat: jetzt ist Gott da, jetzt hat er das Wort. Es steht so einfach da: da sprach Gott - und für Abraham gab es keine Frage mehr.
Darin liegt ein Versprechen: Wenn Deine Gottesstunde ist, dann wirst du wissen: jetzt geht es nur um mich und mein Hören und mein Gehorchen. Und hinterher wirst Du vielleicht auch nicht sagen können, wie das war, als Gott zu Dir sprach und du wirst es nicht erklären können - aber Du wirst davon bewegt und auf den Weg gebracht. Und das alleine zählt!
Lasst uns jetzt noch einmal schauen, was Gott dem Abraham sagt: Geh aus deinem Vaterland, aus deiner Verwandtschaft und aus deiner Vaterhaus in ein Land, das ich dir zeigen werde.
Das heißt: alles, was bis dahin Sicherheit für Abraham bedeutete, soll er zurücklassen. In diesem Land war er aufgewachsen und war er jemand. In seiner Sippe hat er Halt und Rechtsbeistand. In seinem Vaterhaus hat er seine Lebenswurzeln, seinen Lebensstil gefunden. Und Abraham war ja kein junger Mensch mehr. Er hat in Haran sein Leben gelebt. Durch Jahre hin ist das sein Platz geworden - an dem er Freude und Leid, erfüllte Wünsche und durchkreuzte Hoffnungen erlebt hat.
Nicht mehr und nicht weniger will Gott von Abraham als einen ganz neuen Anfang über den gewohnten Umkreis des Lebens hinaus!
Wir machen aus der Abrahamsgeschichte eine weit entfernte Märchenstunde, wenn wir diese Einladung Gottes an unser Leben nicht auch hören: Gott traut uns wie dem Abraham zu, dass wir neu aufbrechen - aus unserem Vaterhaus, aus unserem Vaterland, aus unserer Verwandtschaft.
Ich kann nur andeuten, was das heißen könnte:
Vielleicht gibt es einen unter uns, dem haben die Eltern von klein auf beigebracht: Passe dich an an die Verhältnisse. Nimm alles so hin, wie es ist. Denke daran, dass du nur ein kleiner Mensch bist, der nichts verändern kann. Mag sein, er hat einmal dagegen aufbegehrt, aber dann hat er seine Lektion gelernt: nur nicht auffallen, nur nicht aus der Reihe tanzen, nur nicht aufmucken. So ist er ein braver Bürger geworden.
Wenn Gott diesen Menschen aus seinem Vaterhaus führt, dann wird er ihn aus der Enge solcher Gedanken herausführen! Dann wird er ihm zeigen, dass es nicht wahr ist, dass man sich anpassen muss um jeden Preis, dass nur die gut dran sind, die den Kopf einziehen und sich ducken. Wenn Gott so jemanden aus seinem Vaterhaus führt, dann wird er ihn stark machen, notfalls auch alleine einzustehen für Recht und Gerechtigkeit, für einen Menschen, den alle anderen niedermachen.
Vielleicht gibt es eine unter uns, der ist immer wieder gesagt und gezeigt worden: du bist doch nur eine Frau. Als sie geboren wurde, da kam der Vater nicht mit dem Rosenstrauß voller Freude, den er für den Stammhalter bereit hatte. Und als sie heranwuchs, da war da keine Zeit - was soll ein Vater auch mit einem Mädchen anfangen? Und immer wieder hat sie es erfahren: ja, wenn ich eine Junge wäre, dann würde ich wirklich zählen.
Wenn Gott diese Frau aus ihrer Verwandtschaft herausführt, dann wird er ihr ein neues Selbstbewusstsein schenken: das nicht mehr an die alten Grenzen glaubt; das nicht mehr den Kopf einzieht und sich wie von selbst in die zweite Reihe stellt. Und er wird ihr zeigen: ich darf über meine alten Grenzen hinaus neue Lebensmöglichkeiten entdecken.
Das ist die Botschaft dieser Abrahams-Erzählung: wir dürfen über unsere alten Grenzen hinaus neue Lebensmöglichkeiten entdecken. Gott will uns an jedem neuen Tag dazu helfen, dass wir neue Wege wagen und nicht die alten nur deshalb für die besseren Wege halten, weil wir sie schon tausendmal gegangen sind. Gott will uns dazu helfen, dass wir die Zukunft vor uns als sein Neuland für uns entdecken und es nicht immer so anschauen, dass wir sagen: was da kommt, das kenne ich doch alles schon.
Seltsam unbestimmt sagt Gott zu Abraham: “Mach dich auf in ein Land, das ich Dir zeigen will.” In diesem Satz steckt das größte Geschenk dieser Geschichte verborgen!
Erinnern Sie sich, wie das war, als Sie schwimmen gelernt haben? Da hat Sie niemand ins Wasser geschmissen und gesagt: schwimm! Da ist einer mit Ihnen ins Wasser gestiegen und hat Sie gelockt: komm auf mich zu. Und als das Wasser über Ihnen zusammenschlagen wollte, da war er da und hat Sie festgehalten. Und so haben Sie in seiner Nähe schwimmen gelernt und entdeckt: das Wasser, vor dem ich mich fürchte, trägt mich.
Und genauso geht es mit dem Weg über die alten Grenzen, aus den alten Sicherheiten. Gott sagt: Ich bin mit dir. Ich zeige dir das neue Land. Ich teile mit dir den Weg und die Fragen und die Ängste. Ich bin da, wenn Du nicht weiterweißt. Ich bin da, wenn du voller Glück bist. Ich bin da, wenn Du einen brauchst, der dich festhält. Und ich locke dich hinaus in den weiten Raum.
Das ist das Geschenk Gottes an Dich und mich: Er will in unser Leben hinein - Tag um Tag. Wohin du auch gehst - Gott ist da. Wie es auch um dich steht - er steht zu Dir. Wie sehr Du dich auch verrennen magst - er bringt dich in das Land, das er dir zeigen will. Dass das nicht nur dem großen Abraham gilt, sondern auch uns kleinen Leuten, das dürfen wir glauben, weil Jesus dies Versprechen allen seinen Jüngern gegeben hat: Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an die Enden der Erde und ans Ende der Zeit!
Auf dem Weg mit Gott werden wir - wie Abraham - zum Segen für unsere Umwelt: dann kann man sich in unserer Nähe des Lebens freuen, dann ist bei uns Hilfe für die Schwachen, Trost für die Traurigen, Schutz für die Verfolgten und ein gutes Wort voller Glauben für die, die voller Zweifel sind. Das alles empfangen wir von Gott auf dem Weg und können es weitergeben als seine Gaben.
Gott will mit mir und Dir - wie mit Abraham - einen neuen Anfang machen und durch den neuen Anfang mit uns auch einen neuen Anfang mit der ganzen Welt. Amen.
Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg
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