Der rettende Ruf
von Ralf Günther (04838 Eilenburg)
Predigtdatum
:
22.06.2008
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
4. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
2. Thessalonicher 3,1-5
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Wochenspruch:
Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. (Epheser 2,8)
Psalm: 73,14.23-26.28 (EG 733)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 12,1-4a
Epistel:
1. Korinther 1,18-25
Evangelium:
Lukas 5,1-11
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 503
Geh aus, mein Herz
Wochenlied:
EG 245
oder EG 241
Preis, Lob und Dank sei Gott
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
Predigtlied:
EG 384
Lasset uns mit Jesus ziehen
Schlusslied:
EG 398
In dir ist Freude
1 Weiter, liebe Brüder, betet für uns, daß das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch 2 und daß wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding. 3 Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen. 4 Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, daß ihr tut und tun werdet, was wir gebieten. 5 Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.
Liebe Gemeinde,
„Der Glaube ist nicht jedermanns Ding.” Das klingt so einfach. So, als wenn man sagen würde: „Motorrad fahren oder Tanzen ist nicht jedermanns Sache.” Was für den einen etwas ist, muss für den anderen nichts sein. Ganz normal finden wir das. Schließlich sind wir ja tolerant. Es gibt eben diese und jene. Der eine guckt Fußball, die andere liebt Turnen. Der eine ist Raucher, die andere Nichtraucherin, die eine musikalisch, der andere unmusikalisch, Frühaufsteherin oder Morgenmuffel, der eine gläubig, die andere ungläubig.
Aber da hört es für viele auf. Menschen, denen der Glaube etwas bedeutet, werden spätestens hier stutzig. Gläubig oder ungläubig steht auf derselben Stufe wie Tee- oder Kaffeetrinker? Das geht doch nicht. Schließlich sagt Jesus: „Gehet hin in alle Welt und taufet sie…” Haben wir denn nicht immer gedacht, zum Glauben könnte jeder Mensch finden? Vielleicht haben wir diesem Gedanken hinzugefügt: “...wenn er oder sie es nur will!” Sicher muss man sich täglich neu mühen, den Glauben zu finden: Bibel lesen, beten, zum Gottesdienst gehen – dann geht einem schon ein Glaubenslicht auf.
Doch nun hören wir: „Der Glaube ist nicht jedermanns Ding!“ Es gibt Menschen, die werden nie gläubig werden. Es ist vergebliche Liebesmüh, ihnen den Glauben eintrichtern zu wollen so wie den Satz des Pythagoras. Auch kann man den Glauben nicht üben, wie einen Kopfstand oder einen Salto. Nein: „Der Glaube ist nicht jedermanns Ding!”
Doch ob es damit sein Bewenden hat, das ist die Frage. Was führt einen Menschen dazu, dass dieses oder jenes sein Ding ist? Oft sind es Familientraditionen, weshalb sich jemand beim Fußball oder im Kleingartenverein engagiert. Manchmal sind es körperliche oder intellektuelle Gründe. Da fragt man sich: „Gibt es solch eine Veranlagung auch für den Glauben?” Eine alte Frage: „Gibt es ein Organ für den Glauben?” Oder: „Muss man eine Antenne dafür haben?”
Im Osten Deutschlands lebt die Mehrheit der Menschen ohne Bindung an die Kirche. Viele der Ostdeutschen haben sicher eine Antenne für den Glauben, finden aber keinen Zugang zur Gemeinschaft der Christen, zur Institution Kirche. Viele haben eine solche Antenne für den Glauben jedoch nicht. Sie kommen gut ohne Gott und Glauben zurecht. Sie haben vergessen, dass sie etwas vergessen haben. Und das lässt sich zunächst erst einmal nur feststellen und wenig daran ändern.
Der Schreiber unseres Briefes hat offensichtlich schon gekannt, was uns bis heute bewegt. Ihn wie uns kann dies nicht ruhig schlafen lassen. Wir leiden darunter, wenn unsere Kinder, Enkel, gute Freunde oder auch Ehepartner nicht glauben können. Es fällt schwer zu akzeptieren, dass der Glaube nicht „ihr Ding“ zu sein scheint. Wir hadern mit uns selbst, weil wir nicht wissen, was wir tun können, damit der Glaube zu „ihrem Ding“ wird. Schmerzhaft müssen wir zusehen und die Dinge sich selbst überlassen. Der Apostel entlässt seine Gemeinde in die Eigenständigkeit mit einer Zuversicht, die er wohl selbst erst mühsam hat lernen müssen. So legt er Zeugnis dafür ab, was Glauben damals wie heute bedeuten kann: Loslassen, eigene Wege gehen lassen, den eigenen Einfluss aufgeben – und trotzdem mit ganzem Herzen in Gedanken, Gebeten und Taten mitgehen.
Die Christen in Thessaloniki, für die der Brief geschrieben ist, bilden erst die zweite Generation der Kirchengeschichte. Anfang und Ursprung sind noch lebhaft in Erinnerung. Als die Botschaft der Apostel sie erreichte, waren sie begeistert. Seither glauben sie, dass mit Jesus Christus eine neue Schöpfung begonnen hat. Er wird wiederkommen und die Welt vollenden und sie würden es noch miterleben. Doch mit der Zeit geraten sie in Zweifel. War es nur ein Strohfeuer? Wird alles immer weniger und ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es keine Kirche mehr gibt? Diese Fragen kennen wir heute immer noch, etwa 60 Generationen weiter und an einer ganz anderen Ecke Europas. Schon nach wenigen Jahren lebten die Christen in Thessaloniki wie wir im mühsamen Alltag einer kleinen Gemeinde, die von ihrer Umgebung kaum wahrgenommen wird und mit sich selber einen Haufen von Problemen hat. Immer wieder gab es damals Streit, wer denn der „richtige” Apostel sei und die Gemeinde aus der Niedergeschlagenheit führen kann. Ohnmächtig und hilflos schaut der Apostel von Ferne zu. Er will seinen Leuten vertrauen, will auf ihren Glauben bauen und die vertrauensvolle Beziehung zu ihnen nicht abreißen lassen.
Darum schreibt er: „Betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde”. Dies ist ein Aufruf auf die Kraft des Wortes Gottes zu vertrauen. „Das Wort läuft.” Aber kann denn ein Wort laufen? Ja, wo läuft es denn? Oder haben Sie schon einmal eine Bibel mit zwei Beinen und Füßen laufen sehen?
Das Wort Gottes läuft von Mund zu Mund, von Herz zu Herz. Es braucht unsere Beine und Füße, um von einem Haus in das andere zu gelangen. Glaube wird durch Menschen weitergegeben, die sich für ihn einsetzen. Dafür braucht man kein Organ oder eine Antenne, sondern Menschen, denen man anmerkt, dass der Glaube ihre Sache ist. Darum: „Rede nicht von Gott, wenn keiner nach ihm fragt. Sondern lebe so, dass dich die Leute nach ihm fragen.” Schau der Realität in die Augen. Es gibt Menschen, deren Ding der Glaube nicht ist. Dann lass sie auch mit klugen Worten und frommen Wünschen in Frieden. Doch finde dich damit nicht ab, sondern lebe so, dass sie dich fragen: „Warum tust du dies und lässt das andere? Was trägt dich, wenn du traurig bist? Wie stellst du dir Gott vor?“
Dass der Glaube nicht jedermanns Ding ist, und ich ergänze: vor allem nicht zu jeder Zeit auch das eigene Ding, das müssen wir akzeptieren. Die spannende Frage aber ist, wie leben wir am besten damit? Und da sind die Anregungen unseres Predigttextes ganz wichtig.
Die erste Anregung ist: Beten. Die zweite Anregung: Auf Gott vertrauen und seine Liebe schauen, und die dritte: Nur Geduld! Nicht aufregen!
Im Grunde sind die Antworten ganz einfach. Aber das Einfache ist oft das Schwierige.
Nur Geduld! Nicht aufregen!
Fangen wir mal mit dem dritten an. Nur Geduld! Nicht aufregen! Es lässt uns nicht kalt, dass nur noch so wenige Menschen in unseren vielfach frisch renovierten Gotteshäusern zum Gottesdienst kommen. Wir werden ungeduldig und vor allem traurig, dass viele, die uns am Herzen liegen, einfach nicht glauben können.
Doch Vertrauen braucht Geduld. „Geduld haben”, heißt nicht „Probleme aussitzen”. Die Geduld Christi hat etwas mit „dulden” oder besser „erdulden” zu tun. Sie zeigt sich darin, dass Jesus das Misstrauen und die Glaubenslosigkeit seiner Mitmenschen erduldet, ja dass er darunter leidet. Erst als alle sehen, wohin das führt, nämlich zum Tod am Kreuz, kann er zeigen, wie er den Tod mit Glauben und Vertrauen überwindet. Und so geht es oft auch in unserem Leben. Oft lässt sich ein Problem nur dann angehen und lösen, wenn alle viel erduldet haben. Leider braucht es viel zu oft erst einen großen Leidensdruck, bis wir überhaupt das Problem erkennen. Und erst dann können Lösungswege gefunden werden. Wir brauchen als Kirche heute viel von dieser Hoffnung und auch leidensbereiten Geduld Christi. Denn einerseits wird unsere Kirche den Mitgliederzahlen nach immer kleiner, und das auch, weil die Bevölkerung abnimmt und nur wenige junge Menschen nachrücken. Andererseits muss Gott mit uns noch viel vorhaben, wenn er jetzt so viele Kirchen renovieren, so viele Orgeln restaurieren und so viele Glocken neu gießen lässt. Wir brauchen die Geduld Christi, wenn wir sehen, dass „der Glaube nicht jedermanns Ding ist”.
Wir sehen aber auch das Wunder, dass nicht nur die zweite Generation der Christen von Thessaloniki, sondern jede neue Generation in der Kirche das Wort am Laufen hält. Immer wieder sind da Menschen, die es annehmen und weiter tragen, oft genug auf seltsame und ungewohnte Weise. “Der Herr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen”. Das heißt doch: es ist längst gesorgt dafür, dass es weitergeht und wir nicht auf verlorenem Posten stehen. Die Treue, die alles hält und voranbringt, ist anderswo verankert als in unseren Worten und Befürchtungen. Unsere Treue ist etwas ganz anderes: ruhig und gelassen weitergehen – uns nicht die Sorgen machen, die nicht die unseren sind – unsere Herzen anrühren lassen von der Liebe Gottes und der Geduld Christi. Das ist Arbeit genug.
Auf Gott Vertrauen und seine Liebe schauen
Und da kommt unsere zweite Anregung aus dem Predigttext zum Tragen: Auf Gott vertrauen und seine Liebe schauen. Wir denken manchmal wie die Christen in Thessaloniki: „Mit der Kirche geht es nur noch bergab.“ Immer mehr Menschen sagen: „Ich glaube nicht (mehr) an Gott? Der Glaube ist nicht mein Ding!” Wir können darüber traurig oder verärgert sein. Wir können klagen und jammern. Wir können womöglich gar auf die anderen schimpfen oder uns selbst die Schuld daran geben. Aber von Nutzen ist das alles nicht. Das einzige, was etwas „nützt”, ist auf Gott zu vertrauen, auf seine Liebe schauen und dann fröhlich das tun, was unsere Aufgabe ist, sei unser Beitrag scheinbar auch noch so klein. Schwierige Zeiten hat es in der Geschichte der Kirche immer gegeben. Aber Gott hat sich auch immer neu um seine Leute gekümmert. Gott hat Jesus Christus geschickt, damit wir erfahren, dass wir für ihn wichtig sind. Er rechnet mit uns und hat seine Welt nicht abgeschrieben. So können wir Geduld haben und warten. Deshalb legen wir freilich nicht die Hände in den Schoß oder lassen das Herz in die Hose rutschen. Wir verlassen uns darauf, dass Gott die anderen auch erreicht, vielleicht auf eine andere Art, wie wir es uns vorstellen. Wir vertrauen darauf, dass Gott niemanden fallen lässt und tun, was nur wir tun können.
Auf dieses „trotz allem” und „in allem” kommt es an. Es ist nicht unsere mögliche Antenne, die den eigenen Glauben oder den der anderen macht. Es ist auch nicht unsere Tradition, in die wir zufällig hineingestellt worden sind. Es ist schon gar nicht unsere tausendprozentige Glaubensüberzeugung, von der alles abhängt. Sondern Gott hält trotz allem und in allem an seiner Schöpfung fest. Er hält sein Wort am Laufen.
Unser Predigttext spielt mit den Worten. Man könnte auch übersetzen: “Nicht aller Ding ist es, dem Herrn zu trauen, treu aber ist der Herr. Mögen einige auch nicht glauben, an sie aber glaubt der Herr.” Anders gesagt: „Der Glaube ist zwar nicht jedermanns Sache, aber jede Frau, jeder Mann und jedes Kind sind Gottes Sache.” Dieses Vertrauen und diesen Glauben möge Gott in unsere Herzen und in die Herzen der anderen pflanzen. Darauf warten wir mit Geduld.
Beten
„Das Wort läuft.” Die Frohe Botschaft von Jesus Christus hat Beine, und manchmal muss man ihr Beine machen, dass sie läuft. Aber nicht mit der Peitsche, auch nicht mit Trainingsprogrammen, nicht mit Kraftanstrengungen, die alle überfordern, sondern mit Beten. „Betet für uns”, schreibt der Apostel. Denn wenn ihr betet, lasst ihr los, legt aus der Hand. Und zugleich seid ihr doch ganz dabei, ganz engagiert, geht in Gedanken und in eurem Herzen mit. Wer betet, sieht von sich selbst weg und schaut auf Gott.
Und damit wären wir auch schon bei der dritten Anregung unseres Predigtextes: Beten: den Kontakt zu Gott halten. Beten für die Menschen, die mir am Herzen liegen, denen ich Gottes befreienden Glauben von Herzen wünsche. Das Gebet ist unsere erste, manchmal einzige Tat, die wir in der Hoffnung tun können, dass Gott unserem Ehemann, unserer Frau, unserem Vater, unserer Tochter und all den anderen, denen wir den Glauben wünschen, diesen Glauben auch schenkt! Wir können mit unserem Beten nichts erzwingen. Wir können mit unserem Gebet aber Gottes Wort in unserem eigenen Herzen am Laufen halten und somit teilhaben am Lauf der Frohen Botschaft um die ganze Welt.
Abschließend noch eine kurze Geschichte: Etwa einhundert Kinder hatten sich in einem abgelegenen Dorf Norwegens in einer Kirche versammelt. Einige von ihnen waren 40 km dafür gelaufen und hatten noch nie eine Kirche gesehen. Nachdem der Bischof eingezogen war, suchte er das Gespräch mit den Kindern. Um das Eis zu brechen, war seine erste, sehr einfache Frage: „Wie heißt dieses Haus, in dem wir jetzt sind?” Alle riefen: „Kirche.” – „Wozu brauchen wir denn solche Häuser, die wir Kirche nennen?” Mehrere Finger gingen hoch. Ein Lappenjunge sagte: „Zum Beten!” Der Bischof freute sich, fragte dann aber allzu schwer: „Aber wenn du nun ‚Beten’ sagst, dann muss es doch etwas geben, für was wir hier in der Kirche beten sollen?” Der Junge zögerte keinen Augenblick mit seiner Antwort: „Wir sollen füreinander beten, dass wir Glauben in unseren Herzen haben.”
Noch nie hatte der Bischof eine solche Antwort bekommen. Auch die anderen Erwachsenen wussten nicht, woher er das hatte. In Büchern stand diese Weisheit des Zwölfjährigen auch nicht. Aber der Bischof trug diese Antwort weiter, wohin er auch kam. Er sagte: „Von einem Jungen lernte ich, was eine Gemeinde ist! Eine Gemeinde sind die, welche einander durch ihr Gebet helfen, den Glauben in ihren Herzen zu finden und zu behalten.” Amen.
Autor: Pfarrer Dr. Ralf Günther, Bahnhofstraße 13, 04838 Eilenburg
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