Der rettende Ruf
von Gundula Guist (Usingen)
Predigtdatum
:
08.07.2007
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
4. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Lukas 14,25-33
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Wochenspruch:
Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.
(Epheser 2,8)
Psalm: 73,14.23-26.28 (EG 733)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 12,1-4a
Epistel:
1. Korinther 1,18-25
Evangelium:
Lukas 5,1-11
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 503
Geh aus, mein Herz
Wochenlied:
EG 245
oder EG 241
Preis, Lob und Dank sei Gott
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
Predigtlied:
EG 384
Lasset uns mit Jesus ziehen
Schlusslied:
EG 398
In dir ist Freude
Einführende Worte
• Der Predigttext steht im Lukasevangelium zwischen dem Gleichnis vom großen Abendmahl und den Gleichnissen vom Verlieren und Suchen. Diese formulieren auf der einen Seite das Thema des Anspruch des Glaubens an unser Leben (Gleichnis vom große Abendmahl), auf der anderen Seite das Thema des gnädigen Zuspruches Gottes (Gleichnisse Lukas 15 + Wochenspruch).
• Um das Wort „hassen“ (Vers 25) zu vermeiden, habe ich die Übersetzung der Guten Nachricht gewählt (bis auf Vers 33b). Mir scheint das Wort so stark, dass es schon beim Vorlesen fest im Gedächtnis bleibt und für die Predigt, die dann folgt, zu sehr ablenkt. Außerdem sind sich die Fachleute nicht einig, wie es genau gemeint ist.
• Die Predigt bemüht sich, am Text entlang zu gehen, die verschiedenen Schattierungen des Predigttextes aufzugreifen und zum Teil auch nebeneinander stehen zu lassen. Sie ist im Blick auf eine volkskirchliche Gemeinde formuliert.
• Der 8.7.2007 / 5. Sonntag nach Trinitatis 2007 ist in Hessen der erste Sonntag in den Sommerferien.
Was Jesus von denen verlangt, die ihm folgen wollen
25 Als Jesus wieder unterwegs war, zog eine große Menge Menschen hinter ihm her. Er wandte sich nach ihnen um und sagte:
26 »Wer sich mir anschließen will, muss bereit sein, mit Vater und Mutter zu brechen, ebenso mit Frau und Mann und Kindern, mit Brüdern und Schwestern; er muss bereit sein, sogar das eigene Leben aufzugeben. Sonst kann er nicht mein Jünger sein. 27 Wer nicht sein Kreuz trägt und mir auf meinem Weg folgt, kann nicht mein Jünger sein. 28 Wenn jemand von euch ein Haus bauen will, setzt er sich doch auch zuerst hin und überschlägt die Kosten. Er muss ja sehen, ob sein Geld dafür reicht. 29 Sonst hat er vielleicht das Fundament gelegt und kann nicht mehr weiterbauen. Alle, die das sehen, werden ihn dann auslachen und werden sagen: 30 Dieser Mensch wollte ein Haus bauen, aber er kann es nicht vollenden. 31 Oder wenn ein König gegen einen anderen König Krieg führen will, wird er sich auch zuerst überlegen, ob er mit zehntausend Mann stark genug ist, sich den zwanzigtausend des anderen entgegenzustellen. 32 Wenn nicht, tut er besser daran, dem Gegner Unterhändler entgegenzuschicken, solange er noch weit weg ist, und die Friedensbedingungen zu erkunden.«
33 Jesus schloss: »Niemand von euch kann mein Jünger sein, der sich nicht lossagt von allem, was er hat.«
Liebe Gemeinde,
„Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr“, so lautet ein allseits bekannter Spruch. Im Sinne des heutigen Predigttextes ließe sich in Anlehnung daran formulieren: „Christ werden ist nicht schwer, Christ sein dagegen sehr.“
Die meisten von uns sind erst einmal ganz unfreiwillig Christ geworden. Da hat uns jemand – meist unsere Eltern – als Baby oder Kleinkind in die Kirche getragen, und als wir wieder heraus kamen, waren wir getauft und somit Christen. Große Veränderung hat das in unserem Leben damals nicht hervorgerufen.
Dann kam der Konfirmationsunterricht. Da muss man sich schon ein wenig anstrengen. Schließlich soll einiges gelernt und verstanden werden, wie das geht mit dem Christsein. Am Ende steht der Konfirmationsgottesdienst: Als Jugendliche sagen wir „Ja“ zu Gott und „Ja“ zu unserer Taufe. Damit sind wir mündige Mitglieder unserer Kirchengemeinde, erwachsene Christen.
Den wenigsten ergeht es so, wie Jesus es als Möglichkeit aufführt: Dass wir brechen mit Vater und Mutter, mit unserer gesamten Familie, nur um Christ zu werden. Bei den meisten ist es eher umgekehrt: wer nicht zur Konfirmation geht, bekommt Schwierigkeiten mit den Eltern und Großeltern. Wie schnell sich so etwas ändern kann, erzählen uns Erfahrungen aus der DDR. Dort war die Konfirmation politisch nicht gewünscht und viele Eltern haben ihren Kindern davon abgeraten oder es verboten, weil sie z.B. berufliche Nachteile für die ganze Familie befürchteten. Diese Furcht war leider nicht unbegründet.
Die Konfirmation soll ja eine bewusste Entscheidung sein für den christlichen Glauben, die nicht nur für diesen Tag gilt, sondern ein Fundament legt für das ganze Leben. Die Konfirmation berührt nicht nur einen kleinen Teil meines Lebens, sondern sie demonstriert eine grundsätzliche Lebenseinstellung, die der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten verpflichtet ist. In der DDR ist sie oft in diesem Sinne verstanden worden und war deshalb von einem Staat, der sein eigenes Wertsystem durchsetzten wollte, nicht gut gelitten. Ob das bei uns in ähnlicher Tragweite gesehen wird, darf man bezweifeln.
Jesus redet nicht zu Menschen, die als Kinder getauft worden sind und dann mit 14 konfirmiert worden. Er redet zu Menschen, die ihm folgen, weil sie ihn als Person und das, was er sagt und tut, für interessant, anziehend und faszinierend halten. Etwa so, wenn wir in die Kirche gehen, weil jemand ganz Bekanntes den Gottesdienst hält.
Diesen Menschen, die sich für ihn und den Glauben interessieren, redet Jesus ins Gewissen. Sie sollen sich überlegen, worauf sie sich einlassen. Ob ihr Glaube Fundament genug bietet, auch im Alltag und ein ganzes Leben Bestand zu haben. Ob sie sich nicht verrechnen und sich etwas vormachen, wenn sie jetzt vollmundig Versprechungen machen, die sie später nicht einhalten können. Wahrscheinlich hat er es selbst erlebt: dass Menschen ihm zujubeln, ihn begrüßen wie ein Popstar oder Fußballheld, seine Rede mit begeisterten Halleluja-Rufen begleiten, dann mit einem guten Gefühl nach Hause zurück kehren - doch am nächsten Tag läuft alles so weiter wie bisher und der Streit mit dem Nachbarn wird bis zum bitteren Ende weiter geführt, von Gottesliebe und Menschenliebe bleibt nur die Erinnerung an einen besonderen Event.
Jesus ist nicht an flammenden Strohfeuern interessiert. Er will uns ein Fundament geben, auf dem wir unser Leben aufbauen können. Ein Fundament, das hält und wir sollen uns an dieses Fundament ein Leben lang halten, ohne Wenn und Aber. An diesen Anspruch sollen wir denken, wenn wir Christ werden, wenn wir taufen und konfirmieren.
Jesu Beispiele veranschaulichen noch einmal, was er meint. Er nimmt sie aus der harten Wirklichkeit, dem Hausbau und der Kriegsführung. Etwas abgeändert könnten wir passend zur Jahreszeit das erste Beispiel auch so formulieren:
Will jemand in Urlaub fahren, dann überschlage er zunächst die Kosten. Er muss ja sehen, ob sein Geld reicht. Nicht dass er losfährt und in Südfrankreich merkt, dass am Ende des Geldes noch viel Urlaub übrig ist. Wenn er dann zuhause anruft, und um Unterstürzung bitten muss, wird man ihn auslachen und sagen: Dieser Mensch wollte in Urlaub fahren und konnte nicht berechnen, was es ihn kosten würde.
Soll man dann lieber gar nicht fahren? Plädiert Jesus dafür, dass derjenige, der sich nicht voll und ganz, mit Haut und Haaren, mit seinem ganzen Eigentum und allem, was ihm am Herzen liegt, für seinen Glauben einsetzt; dass derjenige es lieber ganz lassen sollte? Also lieber nicht taufen, denn man weiß ja nicht? Also lieber nicht sich konfirmieren lassen, denn wer will das Leben berechnen? Also lieber nicht Christ werden, Jesus nachfolgen, denn ob das Fundament ausreicht, wer kann das sagen?
Ja! Das Beispiel von dem, der sich verrechnet, ist radikal. Zum christlichen Glauben gehört die Bereitschaft mit allem, was ich habe, zu brechen und radikal einen anderen Weg zu gehen. Christen in der DDR haben sich nicht staatskonform verhalten. Sie haben ihr Kreuz tragen müssen durch vielfältige Einschränkungen. In immer noch zu vielen Ländern der Erde ist Christsein bis heute lebensgefährlich und der Besitz der Bibel im besten Fall nicht gern gesehen. Eine Russlanddeutsche erzählte mir, dass ihr Vater viele Jahre im Gefängnis saß, weil er heimlich Bibelstunden in seinem Haus abgehalten hatte. Würde ich unter solchen Umständen auch noch Christ bleiben und mich zu Jesus Christus als meinem Herrn und Heiland bekennen, ihm die Ehre geben und mich für meinen bedrohten Mitmenschen einsetzen? Ich hoffe, dass mir diese Frage so nie gestellt wird. „Wer sich mir anschließen will, muss bereit sein mit allem zu brechen, ja sich selbst aufzugeben“ sagt Jesus.
Doch – und das finde ich für die etwas Schwächeren im Glauben eine Gnade – zum Glück lässt Jesus es nicht bei dem ersten Beispiel. Das zweite Beispiel aus der Kriegsführung ist etwas anders gestrickt. Es beinhaltet vielleicht einen möglichen Ausweg, wenn uns das Radikale nicht gelingen will. Wir erinnern uns: Der König, der voraussieht, dass er den Feind nicht besiegen kann, versucht einen Friedensschluss. Der König berechnet realistisch, was er zu leisten im Stande ist und sucht kreative Lösungen angesichts seiner mangelnden Stärke.
Wenn wir in unserem Bild bleiben, hieße das: Verreisen ja, aber nicht so weit und nicht so teuer. Die eigenen Möglichkeiten müssen wirklichkeitsgetreu eingeschätzt werden. Lieber mit den eigenen Möglichkeiten Frieden schließen, als sich wegen Überschätzung auslachen lassen.
Wer neu in eine Kirchengemeinde kommt, sei es durch Umzug oder durch Taufe oder durch eine andere Wendung in seinem Leben, ist oft voller Enthusiasmus und Elan. Am liebsten würde man dann alles auf einmal machen: neue Kindergruppen, neue Jugendgruppen, neue Bibelkreise, einen neuen Besuchsdienst, neue Gottesdienste … Die Begeisterung kennt keine Grenzen! Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen erfahren oft am eigenen Leib, wie schnell der Schwung vom Anfang verfliegt und die Alltagsgeschäfte einen gefangen nehmen. Es gibt Kirchengemeinden, in denen alles angefangen, aber nichts wirklich durchgeführt wird. Da steht dann der nagelneue Tischkicker, aber es sind keine Jugendlichen da; die Bibeln sind angeschafft, aber es fehlt ein Hauskreisleiter; die neue Gottesdienstform wird nach dem zweiten Mal eingestellt, so dass die Gemeinde gar keine Möglichkeit hatte, sich daran zu gewöhnen. Natürlich muss man vieles ausprobieren, aber man muss dann auch bei etwas bleiben und nicht nur eine Ruine neben die andere setzen.
Das zweite Beispiel Jesu plädiert dafür, den Bau nicht zu groß zu planen, wenn man schon abschätzen kann, dass die Kräfte nicht reichen. Wer sich vornimmt, täglich in der Bibel zu lesen, sollte nicht gleich mit ganzen Kapiteln anfangen. Wer sich vornimmt, den Besuchsdienst zu verstärken, sollte sich vielleicht nicht gleich 2 Besuche pro Tag vornehmen. Schließe Frieden mit dir selbst und deinen Möglichkeiten.
Das ist kein Freibrief dafür, gar nicht zu tun, um nichts falsch zu machen. Und wer andere, die etwas tun wollen, nur mit Bedenken bombardiert, gehört nicht zu den Zuversichtlichen im Reich Gottes. Die Schätze, die wir haben, gehören nicht vergraben. Die Möglichkeiten, die uns Gott geschenkt hat, sollen wir zu seiner Ehre und zum Wohl der Menschen einsetzten.
Jesus schloss: »Niemand von euch kann mir nachfolgen, der sich nicht lossagt von allem, was er hat.«
Es gilt nach wie vor der Satz vom Anfang: „Christ werden ist nicht schwer, Christ sein dagegen sehr.“ Wir sind aufgefordert, uns mit unseren Möglichkeiten wirklich im Reich Gottes einzubringen. Das erfordert Zeit, Arbeit, Engagement, Fantasie und Durchhaltevermögen. Das erfordert Berechnung, Kraft, den Mut einen hohen Anspruch zu haben und dennoch mit den eigenen Möglichkeiten Frieden zu schließen. Das kann gehen bis zur Aufgabe alles dessen, woran unser Herz in der Welt hängt: Beruf, Lebensstandard, Familie.
Wen Jesus in seine Nachfolge ruft, den will er ganz haben. Mit allen seinen Begabungen. Da gilt keine Ausrede. Wer Jesus folgt, der darf sich ihm ganz verschreiben, mit allem, was er oder sie als Person ausmacht. Wer ihm nachfolgt, dem wird sein Einsatz belohnt werden. Er wird das Leben erfahren in all seiner Fülle.
Verfasserin: Gundula Guist, Pfarrerin in Anspach und Westerfeld
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