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Der rettende Ruf

von Manfred Wiefel (99084 Erfurt)

Predigtdatum : 26.06.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 4. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Johannes 1,35-42
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Wochenspruch:

Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. (Epheser 2,8)

Psalm: 73,14.23-26.28 (EG 733)

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 12,1-4a
Epistel:
1. Korinther 1,18-25
Evangelium:
Lukas 5,1-11

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 166
Tut mir auf die schöne Pforte
Wochenlied:
EG 245
oder EG 241
Preis, Lob und Dank sei Gott dem Herren
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
Predigtlied:
EG 343
Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ
Schlusslied:
EG 398
In dir ist Freude

35 Johannes der Täufer stand am Jordan, und zwei seiner Jünger; 36 und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm! 37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. 38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi - das heißt übersetzt: Meister -, wo ist deine Herberge? 39 Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde. 40 Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus. 41 Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte. 42 Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.

Liebe Gemeinde!
Menschen auf der Suche nach neuen Lebensinhalten – das ist heute schon etwas beinahe Alltägliches. Viele Menschen sind auf der Suche. So wie jene Frau, die unzufrieden mit dem Einerlei ihrer Ehe und dem ständigen Kleinkrieg um ihre Stellung in der Familie in einer Selbsthilfegruppe landet und die hier Schutz erwartet und Aufbruch zu etwas Neuem. Oder wie jener Mann der jahrelang um Erfolg gekämpft hat in seiner Firma und nun merkt, die Arbeitslosigkeit ist ihm näher als der angestrebte Erfolg. Es hat sich nicht gelohnt, der Verzicht auf so vieles, der Raubbau an seiner Gesundheit.
Und wenn wir einmal über den Tellerrand unserer eigenen Probleme und Sorgen hinaussehen, dann werden wir sehr schnell gewahr, dass die Unsicherheiten, die wir empfinden, wenn wir fragen, wie wird es wohl weitergehen, was für eine Zukunft haben wir, haben unsere Kinder, dass diese Unsicherheiten viele Menschen in der Welt unruhig machen.
Wo können wir Geborgenheit erleben in all der Unruhe und all den Veränderungen, die wir erleben und die noch auf uns zukommen? Was macht unser Leben aus, was macht es sinnvoll? Wo doch vieles nicht mehr ist von dem, was einmal war? Wo haben wir ein Zuhause, das uns Sicherheit gibt in unsicheren Zeiten? Zu oft kommen wir uns unbehaust vor. Die Wende in unserem Land, die Wende in der Welt mit dem Zusammenbruch einer Großmacht und dem Ende der alten Feindbilder hat uns nicht sicherer gemacht, sondern im Gegenteil die Unsicherheit gesteigert. Oder hat sie sie nur ans Tageslicht gebracht? Am Ende jedenfalls wird nach neuen Feindbildern gesucht, werden neue Feindbilder aufgebaut, um Menschen zu neuen Todeszielen zu lenken.
Da wird uns von zwei oder besser von drei Menschen erzählt, die auch auf der Suche nach einem neuen Lebensinhalt sind. Ihre Lebenssituation ist vermutlich nicht mit unserer vergleichbar. Auch wenn sie in einer Zeit des gesellschaftlichen und politischen Umbruchs leben. Aber sie sind Suchende. Und so landen sie zuerst bei Johannes dem Täufer, der sie auf Jesus aufmerksam macht. Damit beginnt eine Geschichte gegen das schleichende Gift der Resignation. Denn aus Suchenden werden Findende. Sie suchen Geborgenheit und Orientierung in einer unsicher gewordenen Welt, und sie finden Jesus.
Ist das eine zu einfache Antwort in unserer so komplizierten Welt: Jesus suchen! Es ist auf alle Fälle eine Antwort. Denn da geschieht eine Bewegung aufeinander zu. Da ist nichts Einseitiges. Hier die Ratlosen, und da der Ratgeber. Da ist einer, der uns einlädt: Kommt und seht! Und die Frage ist, ob wir neugierig genug sind, uns auf seine Einladung einzulassen.
Wir sind ja in all unserer Unsicherheit merkwürdig fertige Menschen. Die alles schon wissen. Die auch immer schon wissen: es hat ja doch keinen Zweck. Das habe ich ja alles schon versucht. Es ändert sich ja doch nichts. Die Politiker versagen, die Gewerkschaften versagen, die Kirche versagt. Und so ziehen wir uns in die Höhle unserer vermeintlichen Geborgenheit zurück, in unsere vier Wände, die uns schützen sollen vor der bösen Welt. Und kümmern uns um nichts. Und landen doch nur bei uns, stehen nur uns selbst gegenüber, unserm Jammern und Klagen und Anklagen, fressen uns in unsere Unzufriedenheit. Und ahnen doch zumindest, dass das alles nichts hilft.
Ob wir nicht doch Jesus fragen sollten: was hast du uns zu bieten? Er jedenfalls hat uns von Vornherein schon geantwortet: Kommt und seht! Und was werden wir sehen, wenn wir zu ihm kommen?
Wir werden etwas Hoffnungsvolles sehen. Nämlich, dass Jesus uns einen neuen Horizont eröffnet. Wenn wir ihm begegnen, stehen wir nicht mehr uns selbst gegenüber, denn er öffnet den Zirkel, der uns in uns selbst einschließt. Jene leichtfertige Ich-Orientierung, die nur darauf bedacht ist, für sich selbst zu gewinnen. Die aus dem Blick verliert, dass wir Menschen zum Zusammenleben bestimmt sind und deshalb füreinander denken und handeln.
Wenn heute aus dem Mund zahlreicher Leute die Klage immer wieder ertönt, wir hätten einen Werteverlust in unserer Gesellschaft und das mache das Zusammenleben immer schwerer, dann hängt das wohl damit zusammen, dass wir vielfach nur noch uns selbst gegenüberstehen. In diese Einsamkeit kommt Jesu Ruf zur Gemeinsamkeit. Jesus öffnet den Blick: er preist nicht die Sieger selig, sondern die Leidtragenden. Er preist nicht die Starken selig, sondern die Schwachen.
Was werden wir sehen, wenn wir zu ihm kommen? Wir werden Jesus, den Freund, sehen, der uns eine neue Zukunft eröffnen will. Jenseits unserer Resignation. Denn die spinnt uns völlig ein in die Gegenwart. Die macht uns blind für die Zukunft. Denn auch das sagt Jesus, den sie den Messias nennen: Ihr habt nicht nur ein Leben in der Gegenwart, sondern ihr habt ein Leben in der Zukunft!
Der Evangelist Johannes erzählt, wie Jesus Traurigen und Verzweifelten Zuspruch und Bestätigung gab, und wie sich jene dann verwandelten, glücklich lächelten, wenigstens für Augenblicke, weil sie sahen, dass es für sie einen Grund gab, sich zu freuen. Auch in Zukunft. Aus Jammerlappen wurden hoffnungsfrohe Menschen. Johannes erzählt, wie Jesus körperlich und seelisch Hungrige und Durstige sättigt. Und wie die dann befreit aufleben und auch zukünftig die Hoffnung auf Freiheit und Sättigung nicht mehr aufgeben wollten.
Im Predigen, Trösten und Heilen Jesu bekommen die alten prophetischen Zukunftsbilder vom Heil für alle Menschen, vom weltumspannenden Frieden Gottes Hand und Fuß, Kopf und Herz. Kein Leid mehr. Kein Geschrei. Ein neuer Himmel, der sich auftut über einer erneuerten Erde. Hier und da. Für Augenblicke. Aus einem Rohr im Winde wird ein starker Fels.
Wenn wir diesen Jesus sehen, der uns einlädt, kommt und seht, dann werden wir die nicht übersehen, die heute alle Hoffnung aufgegeben haben: die Lebensmüden und die Versager, die die zwangsweise ohne Arbeit sind und die über die Verhältnisse in der Welt Resignierenden und auch nicht die in sich selbst Eingeschlossenen, Erstarrten. Der Auferstandene will immer noch in den Geringsten seiner Brüder gesehen werden, und er will wohl, dass wir gemeinsam suchen und nicht allein resignieren. Und er will uns ermutigen Hoffnungsträger zu sein in einer Welt der Mutlosigkeit.
Die drei, die zu Jesus kamen, um einen neuen Lebensinhalt zu finden, sie waren glücklich damit und wurden seine Jünger. Und noch viele andere fanden den Weg zu ihm und hörten sein: Kommt und seht! - und wurden hoffnungsfrohe Menschen. Amen.

Verfasser: Superintendent i. R. Manfred Wiefel, Glockenquergasse 1, 99084 Erfurt

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