Der rettende Ruf
von Mathias Uhlig (99947 Bad Langensalza)
Predigtdatum
:
11.07.2004
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
4. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
1. Korinther 1,18-25
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Wochenspruch:
Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es.(Epheser 2,8)
Psalm: 73,14.23-26.28 (EG 733)
Lesungen
Altes Testament:
1. Mose 12,1-4a
Epistel:
1. Korinther 1,18-25
Evangelium:
Lukas 5,1-11
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 454
Auf und macht die Herzen weit
Wochenlied:
EG 245
oder EG 241
Preis, Lob und Dank sei Gott dem Herren
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
Predigtlied:
EG 409
Gott liebt diese Welt
Schlusslied:
EG 590 (EKHN)
Herr, wir bitten, komm und segne uns
18 Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft.
19 Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14): »Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.« 20 Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? 21 Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben. 22 Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, 23 wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; 24 denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. 25 Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind.
Liebe Gemeinde!
Manchmal gibt es Streit, großen Streit. Da beharren Menschen auf ihrer Meinung, auf ihren eigenen Ansichten. Ist ja klar, denn es sind ja auch ihre Erfahrungen, die dahinter stehen. Oder sie halten sehr stark an ihren Traditionen fest. Die sind ihnen ja schließlich zur Heimat geworden. Oder sie schlagen sich in der Diskussion auf die eine oder andere Seite. Sie lassen nur bestimmte Argumente gelten.
Was es bei anderen und bei uns auch geben kann: einen Streit in der Familie, im Dorf, in der Stadt, in der Gemeinde - wichtig ist, dass wir dabei das Gemeinsame nicht aus den Augen verlieren: die gemeinsamen Traditionen, die gemeinsam gemachten Erfahrungen, die Unterstützung, die wir gemeinsam im Leben erfahren dürfen.
Paulus hat es damals erlebt: in seinen Gemeinden. Und manchmal war der Streit so groß, dass er fast daran verzweifelt wäre. Und er erinnert seine Leute daran: Mensch, es geht doch bei Christus um eine große und bedeutende Sache. Es geht doch darum, ob euer Leben auf einem festen Fundament steht. Ihr seid doch von Gott beschenkt worden, habt seine Taufe empfangen. Das ist doch nicht irgendwas. Auf keinen Fall etwas, das sinnlos einem Streit geopfert werden sollte.
Freilich, die Botschaft des Evangeliums lässt sich nicht einfach erklären, lässt sich nicht in eine vorgefertigte Meinung pressen. Sie spricht manchmal sogar gegen jede Alltagserfahrung. Und trotzdem, erst wenn ich mit dieser Botschaft lebe, wenn ich ihr vertrauen kann, dann erweist sie sich auch als wichtig für mich: Gott will uns in allen Dingen des Lebens nahe sein.
So schreibt er dann seiner Gemeinde in Korinth: Denn es kann nicht anders sein: Für die, die verloren gehen, muss die Botschaft vom Kreuzestod als barer Unsinn erscheinen. Wir aber, die gerettet werden, erfahren darin Gottes Macht. Gott hat gesagt: „Ich will die Weisheit der Weisen zunichte machen und die Klugheit der Klugen verwerfen“ (Jes. 29,14).
Wo bleiben da die Weisen? Wo die Kenner der heiligen Schriften? Wo die gewandten Diskussionsredner? Was für diese Welt als göttliche Weisheit gilt, das hat Gott als reinen Unsinn erwiesen. Denn obwohl Gottes Weisheit sich in der ganzen Schöpfung zeigt, haben die Menschen mit ihrer eigenen Weisheit Gott nicht erkannt. Darum beschloss er, durch die Botschaft vom Kreuzestod, die der menschlichen Weisheit als Unsinn erscheint, alle zu retten, die diese Botschaft annehmen. Die Juden verlangen Wunder, die Griechen Erkenntnis. Wir aber verkünden, dass Christus, der Gekreuzigte, der Retter ist.
Für die Juden ist das eine Gotteslästerung, für die Griechen barer Unsinn. Aber alle, die berufen sind, Juden wie Nichtjuden, erfahren in Christus Gottes Macht und erkennen in ihm Gottes Weisheit. Gott handelt gegen alle Vernunft - und ist doch weiser als alle Menschen. Gott zeigt sich schwach - und ist doch stärker als alle Menschen. (1. Kor. 1, 18-25 - nach: Die gute Nachricht)
Man kann sich richtig vorstellen, wie Paulus sich mit diesen Worten ins Zeug legt. Nicht abfällig spricht er von den anderen. Er beschreibt nur, was er beobachten konnte. Was in seinen Gemeinden vorgefallen war. „Wo seid ihr denn mit all dem Wissen?“, fragt er. Dafür stehen ja vor allem die Menschen aus der Gedankenwelt des alten Griechenland. „Wie weit kommt ihr denn mit euren Traditionen und Gesetzen?“, fragt er. Dafür steht das jüdische Volk und die Gedankenwelt des Alten Testamentes.
Er, der für das Neue der Botschaft von Jesus Christus wirbt, möchte nicht die eine Seite gegen die andere ausspielen. Das machen leider schon die Leute in seinen Gemeinden so. Paulus konnte auch nicht ahnen, dass sehr viel später in der Geschichte einmal eine Zeit kommen sollte, da die Glaubenstraditionen z. B. des jüdischen Volkes so missachtet und mit Füßen getreten werden, dass es in einem Teil Europas zu dessen Vernichtung kommt. Nein, er sieht ganz klar: das, was am Kreuz von Golgatha durch Gott geschehen ist, das ist etwas Neues. Aber auch etwas, dass Menschen als gemeinsames Fundament verbinden kann. Und dass es das tut, das erleben wir ja in unseren Gemeinden bis heute.
Jetzt im Sommer - in einigen Bundesländern haben ja schon die Ferien begonnen - sind sehr viele Menschen unterwegs. In Deutschland oder anderswo. Im Urlaub ist mehr Zeit und mehr Ruhe. Vielleicht schaut man sich eine Kirche an. Oder ein anderes Bauwerk mit Glaubenstradition. Was in einer christlichen Kirche meist auffällt, ist der Schmuck, die Kunstwerke. Oder Reparaturbedürftiges. Und natürlich das Kreuz! Oft ein Abbild des Gekreuzigten. Und nicht nur aus Kindermund ist häufig zu hören: „Was macht denn der Mann dort oben? Warum sieht er so traurig (oder so schrecklich) aus?“ –
Das Kreuz, von dem Paulus eben schon schrieb: es ist nicht zu erklären, jedenfalls nicht auf die herkömmliche Weise. Warum hat Gott am Kreuz etwas gegen alle Vernunft getan, etwas, das doch als Schwäche angesehen werden muss? Im Frühjahr, während der Passionszeit, gibt es den Brauch, das Kreuz zu verhüllen. Nicht, um zuzudecken, was ein Anstoß sein könnte. Sondern um neu einen inneren Blick für dieses Kreuz zu bekommen. Jetzt ist Trinitatiszeit. Aber stellen wir uns unsere Kirche, den Altar, oder einen Platz bei uns zu Hause ohne Kreuz vor. Das geht doch gar nicht. Es würde uns fehlen.
Aber es ist nicht nur das Kreuz. Was kann mir denn Orientierung geben? An wen kann ich mich wenden, wenn ich Sorgen und Nöte habe? Gehe ich nach Weisheit und Verstand, gelange ich zu den Experten. Gut, dass es sie gibt. Aber was ist, wenn ich mich lieber Gott selbst anvertrauen würde? Besteht die Brücke zu ihm noch? Wird sie mich tragen? Und woher weiß ich, dass Gott mich versteht? Interessiert er sich denn für mich, sucht er meine Nähe?
Und hier wissen wir zumindest eines: näher als mit Jesus, gerade am Kreuz, kann uns Gott gar nicht kommen. Denn Jesus kennt all das, was uns doch selbst im Inneren auch beschäftigt. Wenn wir Angst haben, wenn wir Trauer tragen, wenn wir in schwere Konflikte hineingeraten sind, wenn wir Fehler machen oder manchmal auch Gott in unserem Leben außen vorlassen. Da steht er nicht nur teilnahmsvoll neben mir, um mich zu trösten. Da kann er mit meinem Leben mitgehen, auch wenn meine Lebenssituation heute eine andere ist als in biblischer Zeit. Er kann sogar unser Fürsprecher sein, sagt das Neue Testament an anderer Stelle. Er kann helfen, wenn wir meinen: die Brücke zu Gott trägt nicht mehr.
Paulus sagt: „Wir aber, die gerettet werden, erfahren darin, also mit dem Kreuz, Gottes Macht.“ Dieser Satz provoziert, haben sich doch die Menschen in seiner Umgebung einen mächtigen Gott immer ganz anders vorgestellt: Mit Macht wird die Gerechtigkeit wieder hergestellt, die verloren gegangen scheint. Gottes Allmacht ist erhaben über das Leid und die Schwäche in der Welt. Götter sind stark und fit, und die Menschen sind ihnen mit ihrem Schicksal ausgeliefert.
Und dennoch hat es seit Kreuz und Auferstehung genau die andere Erfahrung gegeben: Gott ist in den Schwachen mächtig! Genau dort, wo wir mit unserer Weisheit am Ende sind. Genau dann, wenn wir an die Grenzen unseres Lebens stoßen: Abschied, Trauer, die Sorge um anvertraute Menschen, fehlende Perspektiven, Ratlosigkeit. Jeder von uns hat - wenn auch ganz unterschiedlich - schon solche Grenzerfahrungen gemacht. Und es werden ähnliche Erfahrungen folgen. Das, was wir unseren Kindern oder Enkeln wünschen: dass sie vorankommen im Leben, dass sie mit Wissen und Stärke ausgerüstet sind und sie beides auch gut nutzen können - das kann ohne das Gespür für diese andere Seite des Lebens eine sehr trügerische Angelegenheit werden. Wer fällt nicht alles durch dieses Raster hindurch? Was heißt das z. B. für Eltern und deren Kinder, wenn diese nicht der Norm entsprechen, der Stärkste, der Beste oder der Klügste zu sein?
Oder erinnern wir uns nur an unsere eigenen ganz im Inneren versteckten Wünsche und Hoffnungen: Gesundheit, Geborgenheit, Verständnis, dass im Alter auch alles gut wird mit uns. Kommt es anders, dann geht uns das schon- sprichwörtlich gesagt - ziemlich „an die Nieren“. Und doch will Gott genau dann in unserer Nähe sein.
Gott ist in den Schwachen mächtig. Paulus zeigt es uns: durch Jesus am Kreuz. Sein Kreuz begleitet uns. Es schenkt uns die Freude am Leben ebenso wie Hoffnung und Kraft in einer schweren Zeit. Aber das Kreuz muss mit Leben gefüllt sein. Gerade weil es sich in seiner Bedeutung allem Wissen und aller sonstigen Alltagserfahrung entzieht.
Warum hat es Paulus erwähnt? Weil er darin das Gemeinsame, das Verbindende für Christen in einer Gemeinde sieht. Darin liegt ja mit ein Grund, warum Gott „in den Schwachen mächtig“ ist. Weil Christus uns in die Nachfolge ruft. Weil das gemeinsame Gebet, das gemeinsame Bekennen, aber auch das gemeinsame Handeln uns stützen und stärken kann.
„Wer ist denn mein Nächster?“ - diese Frage schränkt eigentlich jeden nutzlosen Streit von vornherein ein oder lässt uns Konflikte so bearbeiten, dass unser Christ-Sein nicht darunter leidet. Diese Frage erinnert uns daran, doch auch selbst der Nähe Gottes zu vertrauen, der „auch Wege finden (wird), da dein Fuß gehen kann (EG 361,1)“. Ohne das Kreuz würde sich heute sonst vielleicht keiner mehr dieser Frage stellen. Amen.
Verfasser: Pfr. Mathias Uhlig, Auf dem Berge 9, 99947 Bad Langensalza
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