Wochenspruch: „Bereitet dem Herrn den Weg; denn siehe, der Herr kommt gewaltig.“ (Jesaja 40, 3.10)
Psalm: 85,2-8
Reihe I: Römer 15,4-13
Reihe II: Lukas 3,(1-2)3-14(15-17)18(19-20)
Reihe III: Lukas 1,67-79
Reihe IV: 1. Korinther 4,1-5
Reihe V: Jesaja 40,1-11
Reihe VI: Matthäus 11,2-10
Eingangslied: EG 15,1–4 Tröstet, tröstet, spricht der Herr
Wochenlied: EG 16,1–5 Die Nacht ist vorgedrungen
Predigtlied: EG 11,1.4.6.7 Wie soll ich dich empfangen oder EG 18 Seht, die gute Zeit ist nah
Schlusslied: EG 12,1–4 Gott sei Dank durch alle Welt
4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.
5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht,
6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.
7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre.
8 Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind;
9 die Heiden aber sollen Gott die Ehre geben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht (Psalm 18,50): »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.«
10 Und wiederum heißt es (5. Mose 32,43): »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!«
11 Und wiederum (Psalm 117,1): »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preisen sollen ihn alle Völker!«
12 Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen.«
13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Liebe Gemeinde,
der Apostel Paulus lebte sozusagen dauernd im Advent. Er war fest überzeugt: Der Herr Christus wird wiederkommen – und zwar bald. Es dauert nur noch eine kurze Zeit. Das gab seinem Leben etwas Rastloses. Immer unterwegs, von Gemeinde zu Gemeinde, um den Christen in aller Welt zuvor noch Wichtiges mitzuteilen. Sie sollten vorbereitet sein, wenn der Herr kommt.
Am Ende seines Briefes an die Christengemeinde in Rom betont er vor allem die Eintracht. Er schreibt:
(Lesung des Predigttextes)
Es wird eng bis Weihnachten. Die Zeit, die bleibt, ist schon überreichlich ausgefüllt. Wer weiß, was noch an Unvorhergesehenem kommt. Also jeder konzentriert sich jetzt ganz auf das, was er sich vorgenommen hat und was wir ausgemacht haben. Dann kann nichts schief gehen.
Oder?
Nein! Nehmt einander an wie Christus euch angenommen hat. Der Rat des Apostels geht in eine ganz andere Richtung als wir das normalerweise vorsehen, wenn’s eng wird.
Ob wir ihm folgen können? Oder ihn wenigstens verstehen? Nehmen wir uns die Zeit dafür. Soviel Zeit bleibt noch, bis der Herr kommt.
Viele von Ihnen kennen das aus eigener Erfahrung. Wenn die Zeit knapp wird, wenn man unter Druck steht und Zuviel noch zu erledigen ist, dann wird’s brenzlig im Zusammenleben und im Miteinanderauskommen. Dann kann es sein, dass man aneinander hoch geht, dass ein Wort das andere herausfordert. Genervt reagiert der Eine auf die Andere. Und irgendwann ist jeder für sich unglücklich, eingeschnappt, läuft mit deutlich erkennbarem schlechtem Gewissen rum. Das Fest steht dann unter keinem guten Stern, obwohl es so gut vorbereitet hätte sein sollen.
Das kommt in den besten Familien vor. Das kommt in christlichen Gemeinden vor. Und möglicherweise war die Gemeinde der Christen in Rom auf dem besten Weg in so eine überspannte Situation. Denn über allem stand: Wer weiß, wie schnell es gehen kann, dass der Herr wiederkommt. Dafür müssen wir alle bereit sein.
Nun waren die aber nicht alle gleich gestimmt. In jeder Familie gibt es ganz unterschiedlich gestimmte Mitglieder. Rasche und Bedächtige. Musikbegeisterte und reine Leseratten. Ja-Sager und Nein-Sager. Starke und Schwächere. Das macht das Leben ja interessant und halt auch echt anstrengend.
So auch in der Gemeinde in Rom. Das war eine große Familie. Kinder Gottes. So verstanden sie sich. Kinder des einen Gottes. Des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs, des Vaters Jesu Christi. Und doch so verschieden.
Auf der einen Seite die vielen Menschen aus aller Herren Völker. In der Weltstadt Rom kam da einiges zusammen. Die hatten ganz neu von Jesus gehört. Waren begeistert von seiner Botschaft. Endlich ein Gott, dem wir alle vertrauen können. Endlich ein Gott, der uns nicht knechtet. Endlich einer, der uns nicht ans Leben will, sondern der uns den Weg zum Leben zeigt. Ein Gott, der uns erlösen wird aus diesem Jammertal.
Und auf der andern Seite Menschen aus dem einen Volk Gottes. Juden, die seit Jahrhunderten auf den Messias hofften. Von Generation zu Generation. Und die überzeugt waren: Mit Jesus ist er gekommen, der Retter, auf den unsere Väter und Mütter schon gehofft hatten.
Einfach war das nicht, diese beiden so verschiedenen Gruppen zusammenzuhalten in der einen Gemeinde, in der einen großen Familie der Kinder Gottes. Würden die einen in ihrer überschäumenden Begeisterung die anderen abhängen? Würden diese anderen mit den strengen Regeln ihrer Tradition die einen vor den Kopf stoßen, verprellen? Wie soll das gehen, gerade wenn über allem steht: „Die Zeit ist kurz, bis der Herr kommt.“
„Nehmt einander an, wie euch Christus angenommen hat“, ist die flehentliche Bitte des Apostels Paulus. Denn wenn der Herr kommt, dann will er nicht etwa ein kleines Häufchen Gleichgesinnter antreffen, aus dem alle, die stören könnten, bereits aussortiert sind. Wenn der Herr kommt, dann freut er sich über alle Menschen, die aus den vielen Völkern auf ihn warten. Und er freut sich über die Menschen aus seinem eigenen Volk, die mit ihrem ganz großen Schatz an Hoffnungen und Sehnsucht geduldig auf ihn warten.
Eine Frau erzählt aus ihrer Kindheit. Sie ist in einer großen Familie aufgewachsen. Acht Kinder waren es. Zwischen dem Ältesten und der Jüngsten lagen 12 Jahre. Sie lebten beengt in einer Wohnung. Im Alltag ging es oft drunter und drüber. Die Mutter wollte das Beste für ihre Kinder. Sie führte ein strenges Regiment, war aber immer wieder überfordert. Die Größeren schlugen über die Stränge, die Kleinen hatten oft verheulte Gesichter und rote Rotznasen.
Gelegentlich kam Besuch. Die eine oder andere Tante, auch mal die Großeltern. Sie sorgten sich von ferne um diese Familie und wollten irgendwie helfen.
Wenn so ein Besuch angekündigt war, dann gab’s eine große Krisensitzung. Und die Mutter gab vor: Wenn Tante Gretel kommt, dann passt auf, was ihr sagt. Kein Wort davon, dass der Tobias immer noch ins Bett macht. Und die Beule, die Susi am Kopf hat, kommt vom Sportunterricht. Und dass Manuel wahrscheinlich sitzenbleiben wird, das interessiert die Tante überhaupt nicht.
So waren alle eingespurt für den Besuch. Keiner ließ was raus. Jeder achtete auf den Anderen, zur Not auch mit einem kräftigen Stoß ans Schienbein unterm Tisch. Und die Tante reiste zufrieden wieder ab und dachte: Was für ein Segen, so eine Kinderschar.
Wenn der Herr Jesus kommt, dann will er keine heile Familie vorgespielt bekommen. Wozu sollte er dann überhaupt kommen?
Er kommt als Heiland der Welt. Er will heil machen allen Schaden, an dem die Menschen leiden. Zacharias, der Vater von Johannes dem Täufer, hat es im Voraus schon ausgesprochen: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels. Denn er hat besucht und erlöst sein Volk“.
Wir warten noch darauf. Wir sind noch im Advent. Und wir werden tätig warten. Wir können nicht allen schlimmen Schaden heilen, der die Welt oder auch einzelne plagt. Wenn wir’s darauf anlegen würden, dann würde doch nur das Theater der heilen Familie rauskommen. Paulus sagt: nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat. Das meint: Achtet auf die Sehnsüchte. Nehmt war, was einen bedrückt. Erkennt, wenn einem was fehlt.
Und nehmt auch eure Defizite wahr. Tut nicht so, als wäre alles in Ordnung.
Regt euch nicht auf darüber, dass manche anders sind als ihr es für normal oder richtig haltet. Auch die haben ihre Sehnsüchte, ihre Bedürfnisse, ihr Wunsch, dass ihr Leben heil wird.
Dann wird der Besuch ein Heilsgeschehen. Wenn ihr Christus zeigen könnt, was heillos ist. Und ihm sagen: Da schau hin. So steht’s mit uns. Herr, erbarme dich.
Paulus hat die große Hoffnung und Zuversicht, dass unser Leben reicher wird, wenn wir im Warten auf Christus uns öffnen. Wenn wir uns öffnen für unsere Bedürfnisse, für das, was unsere Not ist. Wir brauchen nichts davon zu verstecken, denn er kommt, um zu heilen. Er erwartet nicht, hier perfekte Menschen anzutreffen.
Und unser Leben wird reicher, wenn wir im Warten auf Christus die Nöte und Bedürfnisse der Menschen sehen, die anders sind als wir. Sie müssen nicht erst so werden wie wir. Christus wird sich auch ihnen zuwenden.
Letztlich wird unser Leben reicher werden an Frieden und an Freude. Nicht erst, wenn Christus kommt, sondern bereits in der Zeit des Wartens, im Advent.
Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Amen
Verfasser: Pfarrer Dr. Gerhard Schäberle-Koenigs, Kirchweg 7, 75323 Bad Wildbach
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