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Der Schmerzensmann

von Harald Storch (67547 Worms)

Predigtdatum : 14.04.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Gründonnerstag
Textstelle : Hebräer 9,15.26b-28
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Wochenspruch:

Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. (Johannes 3,16)
Psalm: 22,2-6.12.23-28 (EG 709/710)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja (52,13-15);53,1-12
Epistel:
2. Korinther 5,(14b-18).19-21
Evangelium:
Johannes 19,16-30

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 88
Jesu, deine Passion
Wochenlied:
EG 83
oder EG 92
Ein Lämmlein geht
Christe, du Schöpfer aller Welt
Predigtlied:
EG 79
Wir danken dir, Herr Jesu Christ
Schlusslied:
EG 97
oder EG 93
Holz auf Jesu Schulter
Nun gehören unsre Herzen

15 Christus ist er der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
26 Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für alle Mal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. 27 Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: 28 so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.

Liebe Gemeinde!
„Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Metzger und einem Priester, der Tieropfer schlachtet? “
Mit dieser Frage hat mich einer meiner Lehrer im Studium verblüfft. Das Schlachten von Opfertieren ist so weit weg von unserem Glaubensleben, dass mir die sozusagen technische Umsetzung gar nicht vor Augen war. In eben diese Welt führt uns unser Predigttext, oder vielmehr, aus ihr heraus. Denn es geht ja um Christus als das Ende der Opfer.
Opfer, das heißt etwas Schönes, Wertvolles, Liebes für Gott oder einen besonderen Zweck hergeben, unter Umständen auch: die Gottheit besänftigen. In verschiedenen Religionen wurden oder werden Früchte und Tiere, manchmal sogar Menschen geopfert. Man denke etwa an die umfänglichen Menschenopfer bei den Azteken im alten Mexiko.
Die Bibel hat schon sehr früh eine Tendenz, solche Opfer zurückzudrängen. Christliche und jüdische Ausleger von 1. Mose 22 sind sich darin einig, dass die Isaakgeschichte erzählt wird, um zu sagen: Gott will ein solches Kinderopfer gerade nicht. Deswegen sprechen die Juden auch nicht von der Opferung, sondern der „Bindung“ Isaaks. Gerade angesichts der Kinderopfer bei den kanaanäisch-phönizischen Nachbarn war es wichtig, immer wieder zu betonen: Gott will nicht, dass ihr eure Kinder opfert.
In unserem Text hören wir nun: nachdem Gott selbst sein Liebstes, eben Jesus, für uns aufs Spiel gesetzt hat, sind weitere Opfer weder nötig noch sinnvoll.
Wir brauchen Gott nicht mehr irgendwie gut zu stimmen. Wir müssen keine Verrenkungen machen, damit er uns bemerkt. Gott ist uns gut. Das ist die Botschaft von Karfreitag. Er ist auch in den tiefsten Tiefen auf unserer Seite. Darum wird dieser Tag im Engl. ähnlich wie im Niederländischen nicht wie bei uns nach der Kargheit der Trauer um den Tod Jesu benannt, sondern heißt dort „good“ Friday oder „goude Frijdag“.
In seinem Weg der Liebe ist Jesus Gott und sich selbst treu geblieben. Selbst der Tod am Kreuz konnte ihn nicht vom Leben für andere abbringen, oder ihn auf den Weg von Hass und Gewalt führen. Er hat sich „abgelitten“ an unserer kranken Welt und hat so gezeigt: Gott ist bei den Leidenden. „Gott in Jesus“ - das heißt: Gott leidet für uns, insofern er mit und an den Menschen leidet.
Es ist aber nicht so, als ob ein ansonsten zorniger Gott milde gestimmt werden müsste. Jesus zeigt vielmehr Gottes sanfte und mitleidende Seite. Deshalb hat er die Opfer ans Ende gebracht. Gott muss nicht mehr besänftigt werden. Er ist uns gut.
In einem präzise christlichen Sinn kann es das Wort „Opfer“ Gott gegenüber nach Jesus eigentlich nicht mehr geben. Dort, wo Menschen untereinander von „Opfern“ reden, schleicht sich oft so etwas wie eine Schräglage ein. Wenn z. B. vom Opfer des Lebens für eines der Vaterländer die Rede ist, soll damit dem Kriegstod ein höherer Sinn gegeben werden. Ein Land, das Opfer verlangt, ist dadurch aber offensichtlich weniger barmherzig als Gott sich in Jesus gezeigt hat. Wir sprechen aber auch von Verkehrsopfern oder Opfern von Naturkatastrophen. Dann heißt es z. B. ein Unfall habe so und so viele Opfer gefordert, als hätte ein dunkles Schicksal gleichsam die Rechnung präsentiert.
Dem Sterben wird damit aber nur scheinbar etwas von seiner Unerklärlichkeit genommen. Gerade beim Straßenverkehr sind die Unfall-Toten sozusagen die dunkle Rückseite unserer Lebensweise. Statt sich kritisch damit auseinander zu setzen, unterstellt das Wort „Opfer“ so etwas wie eine höhere Notwendigkeit. Ähnliches gilt für Wortverbindungen wie „Opfer des Strukturwandels“ im Bereich der Wirtschaftspolitik.
Gott will aber nicht, dass die Leiden seiner Geschöpfe schöngeredet werden. Jesus ist am Kreuz gestorben um deutlich zu machen, dass selbst Tod und Hass Gott nicht von der Liebe zu seinen Kindern abbringen können.
Er möchte in ein Leben führen, das nicht von Tod und Gewalt überschattet wird. So wie Gott keine Opfer braucht, möchte er auch nicht, dass sie die Menschen voneinander verlangen. Gottes Gnade verträgt sich nicht mit menschlicher Gnadenlosigkeit. Auch nicht mit Gnadenlosigkeit gegen uns selbst.
Seine Güte ruft uns zum guten Leben. Es mag sein, dass jemand wegen des guten Lebens für andere Nachteile auf sich nimmt und nicht nur an sich selber denkt. Der Weg mit Jesus kann auch ins Leiden führen, weil Gottes Liebe und Gerechtigkeit mit Hass und Gewalt beantwortet werden. Das Leiden in der Nachfolge ist aber kein Opfer, das Gott von uns verlangt, damit er uns lieb hat. Er ist ja längst auf unserer Seite.
Es ist ein manchmal schrecklicher Schatten menschlicher Gnadenlosigkeit, der auf Gottes neue Welt fällt. Ich denke dabei z. B. an die Person von Pastor Martin Luther King, den Kämpfer für die Bürgerrechte der Schwarzen in den USA. Kurz bevor er von einem Fanatiker ermordet wurde, hielt er seine berühmte Rede über die friedliche Zukunft eines alle Menschen umfassenden Landes. Sie begann mit den Worten: „I have a dream... - Ich habe einen Traum.“
Für diesen Traum von Frieden und Gerechtigkeit war er bereit, sein Leben zu riskieren. Doch dies hatte nichts Selbstquälerisches oder Selbstzerstörerisches. Er war durchdrungen von der Hoffnung auf Gottes neue Welt, getragen von dem Gott, der es ein für allemal gut mit seinen Menschen meint.
„I have a dream.“ Und Gottes Friede, der höher ist als alle Vernunft behüte und bewahre uns alle. In Christus Jesus, Amen.
Materialien:

Tagesgebet aus: Evang. Gottesdienstbuch. Berlin 2001; S: 313
Jesus Christus, dein Kreuz -
Zeichen der Not, Zeichen des Unrechts,
Zeichen der Vernichtung.
Und doch ist es nicht das Ende deines Weges.
Es wird uns zum Zeichen der Hoffnung,
weil du lebst und wirkst in Ewigkeit.

Sündenbekenntnis oder Eingangsgebet aus: Reform. Liturgie. Wuppertal 1999, S. 125:

Gott, Jahr für Jahr tritt uns am Karfreitag
das Leiden deines Sohnes vor Augen.
Jahr für Jahr hören wir:
um unserer Sünden willen dahingegeben.
Aber als hätten wir nichts begriffen
gehen wir zur gewohnten Tagesordnung über:
denken, reden und handeln genauso verkehrt wie zuvor.
Manchmal scheint es, als sei dein Sohn vergeblich gestorben,
weil wir uns auch im Angesicht seines Kreuzes
so wenig ändern.
Gott, durchbrich unsere Verschlossenheit!
Öffne uns für deinen Schmerz und unsere Schuld.
Lass uns zu einem neuen Anfang finden
mit dir und miteinander.
Zu dir rufen wir: Kyrie eleison...

Fürbitten:
Wir danken dir, Christus,
dass du uns still machst in dir,
damit wir nicht mehr reden müssen
von uns
und unseren blutigen Werken,
wie wir einander ans Kreuz schlagen,
aufs Kreuz legen;
damit wir hören die Stimme der Freiheit, deine Stimme,
die nach uns ruft,
die uns sucht in den Leiden einer ganzen Welt.
Lass uns sein
Mund und Stimme der Stummen,
der Sterbenden und Todkranken
in dieser Gemeinde,
der dumpf und gefährlich schweigenden
Menschen und Völker,
Anwalt auch derer,
die sich aufreiben,
bitter werden und zynisch
im Kampf gegen die unendliche Not
der Menschheit.
Wir lassen sie immer wieder im Stich,
die Ärzte und Schwestern,
die Bewährungshelfer der Strafgefangenen,
Entwicklungshelfer,
Politiker auch,
gute und schlechte -
sie wären besser,
wenn wir ihnen auf die Finger sähen,
kritisch und hilfreich.
Nein,
lass uns schweigen von uns selber,
solange
bis wir hören,
wie wunderbar du uns allen geholfen,
uns getröstet, ermutigt hast mit deinem Kreuz.
Dann lass uns aufs neue
Reden von dir,
mit Furcht und Zittern,
in Liebe zu all deinen Geschöpfen.
Wir loben dich in der Stille,
danken dir
für die Gaben deines Abendmahles,
Brot und Wein für die Welt,
damit jeder satt werde,
jeder sich freue.
AMEN

Aus: K. Adloff, Erhebungen. Göttingen 1979, S. 78 f.

Christen und Heiden (Dietrich Bonhoeffer, Juli 1944):
Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.
Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,
sehn ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod,
Christen stehen bei Gott in Seinen Leiden.
Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
und vergibt ihnen beiden.
Amen.

Verfasser: Dekan Harald Storch, Seminariumsgasse 1, 67547 Worms

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