Der Schmerzensmann
von Mechthild Gäntzle (64354 Reinheim)
Predigtdatum
:
25.03.2005
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Gründonnerstag
Textstelle
:
Lukas 23,33-49
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Wochenspruch:
Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. (Johannes 3,16)
Psalm: 22,2-6.12.23-28 (EG 709/710)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja (52,13-15);53,1-12
Epistel:
2. Korinther 5,(14b-18).19-21
Evangelium:
Johannes 19,16-30
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 88
Jesu, deine Passion
Wochenlied:
EG 83
oder EG 92
Ein Lämmlein geht
Christe, du Schöpfer aller Welt
Predigtlied:
EG 79
Wir danken dir, Herr Jesu Christ
Schlusslied:
EG 97
oder EG 93
Holz auf Jesu Schulter
Nun gehören unsre Herzen
33 Als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. 34 Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. 35 Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. 36 Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig 37 und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! 38 Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König.
39 Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! 40 Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? 41 Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. 42 Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! 43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.
44 Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, 45 und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. 46 Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.
47 Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! 48 Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. 49 Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles.
Liebe Gemeinde,
„…und das Volk stand da und sah zu.“
Ein Satz, den wir auch heute immer wieder erfahren. Sie standen da oder saßen vor ihren Fernsehschirmen und schauten zu, als am 11. September die Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Centers rasten. Zuschauer gab es auch als Kinder und Erwachsene Opfer des Terroranschlages auf die Schule in Ossetien wurden. „Beslan wurde zum Friedhof und die ganze Welt schaute zu“, so sagte es ein Reporter.
Wir sind heute mehr und mehr Zuschauer, wenn andere Leid, Schmerz und Trauer ertragen müssen, sehen zu, wenn Tränen fließen. Wir sind unbeteiligte Zuschauer, die den Schmerz der Leidtragenden sehen, aber ihn nicht ermessen können. Neugierige Zuschauer sammeln sich stets dort, wo sich etwas Besonderes ereignet.
Auch damals, vor den Toren Jerusalems, war das nicht anders als Jesu mit zwei Übeltätern gekreuzigt wurde.
Da standen die Oberen, die ihren Spott trieben, die ihm vorhielten, anderen geholfen zu haben, und jetzt so hilflos und verlassen am Stamm des Kreuzes zu hängen. Da waren die Soldaten, die nicht nur ihre Pflicht ausübten, sondern auch ihrem Spott treiben. Jesu Bekannten, die von ferne standen, werden erwähnt und Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren.
Wir wollen heute am Karfreitag, an dem wir wie in jedem Jahr an Jesu Leiden und Sterben erinnert werden, keine Zuschauer sein. Wir wollen uns mithineinnehmen lassen in das Geschehen von damals, wollen Jesu Weg zum Kreuz und seinen Tod bedenken. So wie es das Lied aussagt, das wir zum Beginn des Gottesdienstes gesungen haben:
Jesu, deine Passion will ich jetzt bedenken;
wollest mir vom Himmelthron Geist und Andacht schenken.
In dem Bilde jetzt erschein, Jesu, meinem Herzen,
wie du unser Heil zu sein, littest alle Schmerzen.
Liebe Gemeinde!
Wir feiern Karfreitag als den Tag, an dem das Leiden Jesu seinen Höhepunkt nahm. Kritiker sagen und fragen uns Christen heute: Jahrhunderte trauert ihr um einen Menschen, der unschuldig starb und wie viele unschuldige Menschen und Kinder, sogar Säuglinge mussten in diesem Jahr wieder ihr Leben lassen? Die vielen Opfer der gepeinigten, gedemütigten und verhöhnten Männer und Frauen aber sind heute nach kurzer Zeit vergessen.
Wir lesen von den Taten der Spötter, die einer gequälten und gedemütigten Christin ein Kreuz auf den Bauch zeichneten, und neben einem Christusbild die lästerliche Inschrift verfassten: „Wenn das ein Kind Gottes ist, dann komm doch runter und rette deine Gläubigen!“ (Der Spiegel 52/1997)
Vielen ist dieser Tag ein Tag wie jeder andere, weil sie der Botschaft des Christentums längst den Rücken zugewandt haben. Doch was bedeutet der Tod Jesu uns, die wir heute morgen hier zusammengekommen sind?
Aus dem bekannten und gehörten Text können wir zwei wichtige Punkte heraushören und so Antwort auf die Frage bekommen: Was bedeutet uns das Kreuz?
1.Vergebung unserer Schuld
2. Vertrauen und Hoffnung in ausweglosen Situationen
1. Vergebung unserer Schuld
„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Dies ist eines der Worte Jesu am Kreuz, wie sie Lukas uns übermittelt hat. Es wurde zu einem Schlüsselwort, und ist in der Lutherbibel fettgedruckt. Mag es heute oft auch sprichwörtlich gebraucht werden, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun, so wollen wir doch einmal die Einstellung Jesu beleuchten und fragen, aus welcher Kraft er solche Worte sagen konnte. Gequält, gefoltert, zu Unrecht beschuldigt, gegeißelt, bespuckt und mit Dornen gekrönt, so hängt er ans Kreuz genagelt mit der Spottüberschrift, „der König der Juden“. Er, der nur Liebe den Menschen entgegenbrachte, der geheilt, getröstet, Hungrige gesättigt, der immer und überall geholfen hatte, bekommt Spott und die Gewalttat der Menschen am eignen Leib zu spüren, und doch bringt er es fertig, für die Peiniger zu beten und Gott um Vergebung zu bitten.
Er hat der Gewalttätigkeit nicht durch einen Akt der Gegengewalt widerstanden. Auf den abgrundtiefen Hass, der ihm von allen Seiten entgegen wehte, reagierte er mit Liebe, selbstloser Liebe zu den Armen, den Verachteten und Gepeinigten. Er gab keinen Menschen auf.
So ist das Kreuz für uns das Zeichen unzerstörbarer Liebe.
Es gibt für ihn keine Schuld, die nicht vergeben werden könnte. Aber es gibt viele, die ihre Schuld nicht erkennen. Sie wissen nicht, was sie tun, sie handeln verblendet, doch unter dem Kreuz Jesu kann Schuld erkannt und vergeben werden.
Einer der beiden Verbrecher, die mit Jesus gekreuzigt wurden, erkannte das. Beide Mitgekreuzigten hatten gewiss ihre Strafe verdient. Während der eine in den beißenden Spott der Zuschauer mit einstimmt, erkannte der andere sein verkehrtes und verkorkstes Leben. Er musste keine große Lebensbeichte ablegen, sondern die Bitte genügte: „Denke an mich, wenn du in dein Reich kommst“. Er durfte Jesu vergebenden Zuspruch hören: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein“.
Auch wir finden bei ihm Befreiung und Vergebung unserer Schuld, Schuld, die Menschen krank werden lässt.
Da lebt ein Mann, der in seiner Jugend Unrecht getan hat, das zwar nie öffentlich wurde, weil alle geschwiegen haben, aber es quält ihn in einsamen Nachtstunden. Es belastet ihn so, dass auch seine Gesundheit darunter leidet. Eines Tages hörte er im Gottesdienst, dass Jesu heilendes Licht auch in die dunkelsten Ecken unserer Vergangenheit hinein leuchten kann und ihm wird ganz persönlich die Vergebung zugesprochen. Befreit lebt er auf, der Druck, der ihn all die Jahre belastete, ist von seiner Seele gewichen. Er hat neuen Lebensmut und Kraft bekommen.
In vielen Lebenssituationen, in Familie, Schule oder Beruf werden wir aneinander schuldig. Es geschehen Dinge, die wir nicht mehr rückgängig machen können. Auch Jesus kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, aber er befreit von der Last der Schuld und schenkt uns neue Perspektiven.
Darum ist dass Kreuz für uns auch Zeichen der Vergebung.
2. Vertrauen und Hoffnung in ausweglosen Situationen
„Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“
Das waren nach dem Evangelisten Lukas die letzten Worte Jesu am Kreuz, Worte aus dem 31. Psalm. Es war das Abendgebet, das in Israel jeder kannte, vertrauensvoll gebetet oder in Angst und Not herausgeschrien, so verschied Jesus am Kreuz.
Wir brauchen auch solche stärkenden Worte, wenn Leid, Krankheit und Tod nach uns greifen. Darum ist es gut, wenn solche Worte in der Jugend auswendig gelernt werden. Psalmen, die uns in schweren Stunden helfen, die uns Trost und neue Hoffnung geben. Sie stärken das Vertrauen und Wissen, dass ich nicht tiefer fallen kann als in die Hand meines Gottes, der mich liebt.
So konnte eine Julie Hausmann beten: „Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht.“
Sie war als junge Braut in freudiger Erwartung und Liebe zu ihren Bräutigam nach Afrika gekommen und musste dort erfahren, dass der geliebte Mann gerade gestorben war.
Gebete, Lieder Psalmen, können uns Trost und neue Hoffnung auf unseren Lebenswegen geben.
In deine Hände - mit diesen vertrauensvollen Worten stirbt Jesus am Kreuz. Beeindruckend für alle, die das Geschehen miterlebt haben.
Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Nur der Hauptmann erkannte: „Dieser ist ein frommer Mann gewesen.“
Auch wir haben diese Geschichte vom Kreuzestod Jesu wieder neu gehört, waren bewegt von all dem Geschehen, waren keine unbeteiligten Zuschauer. Denn auch in diesem Jahr will die Passion Jesu uns zeigen, dieser Tod ist unser Leben, sein Leiden und Sterben ist unserer Rettung. Vergebung ist möglich, Hoffnung bleibt, denn die Ostersonne, die Auferstehung leuchtet bald hervor. In dankbarem Vertrauen dürfen wir unsere Wege gehen, auch dann, wenn es schwere, leidvolle Tage und Stunden sind. Die Hoffnung bleibt, dass alles Leid uns zum Besten dienen kann und wird.
Damit ist das Kreuz für uns auch Zeichen der Hoffnung.
So wollen wir mit Paul Gerhard einstimmen in den Vers: „Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund, für deines Todesschmerzen, da du’s so gut gemeint, Ach gib, dass ich mich halte zu dir und deiner Treu und, wenn ich nun erkalte, in dir mein Ende sei.“ Amen.
Verfasserin: Prädikantin Mechthild Gäntzle, Egerländer Straße 33, 64354 Reinheim
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