Der starke Trost
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
01.10.2006
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
14. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Apostelgeschichte 12,1-11
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Wochenspruch:
Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.
(2. Timotheus 1,10b)
Psalm: 68,4-7a.20-21 oder 146 (EG 757)
Lesungen
Altes Testament:
Klagelieder 3,22-26.31-32
Epistel:
2. Timotheus 1,7-10
Evangelium:
Johannes 11,1 [2] 3.17.27 [41-45]
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 169,1-5
Der Gottesdienst soll fröhlich sein
Wochenlied:
EG 113
oder EG 364
O Tod, wo ist dein Stachel nun
Was mein Gott will, gescheh allzeit
Predigtlied:
EG 364
Was mein Gott will, gescheh allzeit
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns, Gott
1 Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln. 2 Er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert.
3 Und als er sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort und nahm auch Petrus gefangen. Es waren aber eben die Tage der Ungesäuerten Brote. 4 Als er ihn nun ergriffen hatte, warf er ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn vier Wachen von je vier Soldaten, ihn zu bewachen. Denn er gedachte, ihn nach dem Fest vor das Volk zu stellen. 5 So wurde nun Petrus im Gefängnis festgehalten; aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott. 6 Und in jener Nacht, als ihn Herodes vorführen lassen wollte, schlief Petrus zwischen zwei Soldaten, mit zwei Ketten gefesselt, und die Wachen vor der Tür bewachten das Gefängnis. 7 Und siehe, der Engel des Herrn kam herein und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen. 8 Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und zieh deine Schuhe an! Und er tat es. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um und folge mir! 9 Und er ging hinaus und folgte ihm und wusste nicht, dass ihm das wahrhaftig geschehe durch den Engel, sondern meinte, eine Erscheinung zu sehen. 10 Sie gingen aber durch die erste und zweite Wache und kamen zu dem eisernen Tor, das zur Stadt führt; das tat sich ihnen von selber auf. Und sie traten hinaus und gingen eine Straße weit, und alsbald verließ ihn der Engel. 11 Und als Petrus zu sich gekommen war, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes errettet hat und von allem, was das jüdische Volk erwartete.
Liebe Gemeinde!
„Auf dem Newski Prospekt, der breiten Hauptstraße Leningrads mit den vielen traditionsreichen Gebäuden verteilt ein 19-jähriges Mädchen 46 handgeschriebene Neujahrskarten. Es handelt sich um einige von ihr selbst verfasste Verse unter der Überschrift: Sucht Gott, solange ihr ihn findet. Während sie die Karten verteilt, wird sic verhaftet.“
„Wer Kinder beten lehrt, religiöse Literatur verbreitet oder im privaten Kreis Gottesdienst feiert, macht sich eines Verbrechens schuldig. Er behindert die staatliche Aufsicht über die Schule.“ Mit dieser Begründung wurden in der CSSR mehrere Priester und Laien zu langen Haftstrafen verurteilt. Im Irak sind aus Wut über die USA auch christliche Kirchen in Flammen aufgegangen. In Ost-Timor hat die christliche Minderheit zu leiden gehabt. Schlaglichter, die an Einzelbeispielen zeigen, wie Christen der Wind ins Gesicht steht.
Was wir also in der Predigt-Text-Lesung von Jakobus hören, das ist bis auf diesen Tag in weiten Teilen der Welt Wirklichkeit der Gemeinde Jesu Christi geblieben: dass die Machthaber den Konflikt mit den Christen suchen, dass die Machthaber gegen Christen vorgehen, weil sie nicht in das Schema passen, weil sie sich missliebig gemacht haben, weil sie sich nicht der geltenden Weltanschauung unterwerfen. Bis zu diesem Tag hat das Martyrium nicht aufgehört – unzählige namentlich oft nicht bekannte Christen sind in diesem Jahrhundert umgebracht worden, sind zu Zeugen Jesu geworden, die mit ihrem Leben einstehen mussten für das, was sie mit dem Mund bekannt haben.
Wir haben das vielleicht manchmal vergessen in unserer Kirche, in unserer Gesellschaft, in unserem Land. Aber wir werden daran erinnert: das Zeugnis für Jesus Christus gehört zum Christsein dazu, und dieses Zeugnis kann uns ins Leiden führen. Es kann hineinführen in Gefangenschaft, es kann hineinführen in die Todeszelle.
Worauf sollte denn ein Mann wie Petrus sonst noch waren? Seit Tagen saß er fest, bewacht wie der Staatsfeind Nr. 1. Er ist ausgeliefert an die Macht dieses Herodes. Und er weiß es nur zu gut. Herodes hat es nötig, sich Liebkind zu machen bei den Juden. Er hat soviel auf dem Kerbholz – er braucht nun wieder einmal etwas, was die Juden für ihn einnimmt: und da kommt ihm dieser Christenführer gerade recht. Petrus hat das Schicksal des Jakobus vor Augen da gibt es keine Illusionen mehr.
In solchen Stunden kommen dunkle Gedanken: Sind wir denn alle ausgeliefert an die Mächtigen der Welt? Sind Christen denn ein Spielball für die Launen eines Herodes? Ist das denn der Weg, den Gott geht, der Weg, den wir alle gehen müssen? Was steht denn ernsthaft dieser Machtmaschinerie der aufgezogenen Kriegsknechte entgegen? Was hat Gott den Folterknechten, was hat Gott den Terroristen und dem Mob von der Straße, was hat er den Verhören in manchen Ländern entgegen zu setzen?
Es ist wie ein Szenenwechsel, was unser Geschichte uns nun zeigen: auf der einen Seite ist der schwerbewachte Mann im Gefängnis, sind die Truppen, die Waffen, die dicken Mauern und die eisernen Türen. Und auf der anderen? Keine todesmutige Schar, die Pläne schmiedet, keine verwegenen Einzelkämpfer, die ihn noch herausholen werden - da ist eine Gemeinde, die betet. „Die Gemeinde betete ohne Unterlass für ihn zu Gott.“ Das ist die Antwort der Gemeinde. Sie hat erlebt, wie Jakobus umgebracht wurde, und sie haben keine Illusionen, was Petrus bevorsteht. Aber sie beten zu Gott. Keine spektakuläre Aktion - eine Gebetsgemeinschaft für den gefangenen Bruder.
Und nun? Es zeigt sich, dass die gefalteten Hände stärker sein können als die bewaffneten Fäuste. Es zeigt sich, dass das Gebet mehr ausrichten mag als ein ganzes Polizeiaufgebot. Es zeigt sich, dass das Gebet weiter reicht als bis zu der Decke, dass es nicht nur Aufschrei ist, Selbstreinigung und Selbstbefreiung. Das Gebet dieser Gemeinde setzt Gott in Bewegung. Das Gebet bewirkt, dass Gott handelt.
In dieser Szene wird deutlich, dass die Machtverhältnisse in unserer Welt anders aussehen, als uns das die Tageszeitungen wieder und wieder weismachen wollen. Es sind nicht die Mächtigen, die das Schicksal der Menschen in der Hand haben. Gott kann aus ihrer Hand herauslösen. Gott kann Menschen, die nur noch auf den Gang zur Todeszelle warten, aus ihrer letzten Not herauslösen. Der Gedanken, der einen manchmal beschleichen will: wir sind doch alle ausgeliefert, wir sind doch alle nur Marionetten in der Hand derer, die an der Macht sind, die die Apparate bedienen, dieser Gedanke stimmt nicht. Er hält nicht stand vor dieser Geschichte und ihrem Zeugnis. Diese Geschichte bezeugt es uns: die Gemeinde Gottes ist nicht preisgegeben an die Mächtigen der Welt. Gott bewahrt seine Gemeinde.
Das heißt nicht, dass Gott immer bewahrt. Bei einem Ausleger aus der DDR las ich zu diesem Abschnitt: „Gott kann Menschen, wenn er sie dazu braucht, den schweren Weg gehen heißen. Keinem der Märtyrer zwischen 1933 und 1945 war es an der Wiege gesungen, dass er es seinem Herrn und der Welt zeigen müsste, wie viel ihm Gott gilt. Keiner auch von uns wird mit solchen Gedenken spielen. Aber es kann sein, der eine oder die andere wird so geführt. Er soll dann wissen, dass Gott nicht etwa des Geschehens nicht mehr mächtig ist, sondern dass er auch dadurch seine Sache vorantreibt. Christi Herrschaft ist verborgen, sie realisiert sich unter dem Gegenteil: im Untergang der Sieg.“ Solche Worte können wir nur mit Vorsicht sagen aber wir dürfen sie hören von denen, die dem Martyrium näher sind als wir.
Petrus wird von Gott gerettet. Es ist ein Wunder. Es ist dem Petrus selbst wie ein Traum. Er versteht es nicht, er kann es nicht begreifen. Er geht durch die Türen, durch die Wachen hindurch, mehr gestoßen und geschubst vom Engel Gottes als auf eigenen Füßen. Aber dann findet er sich wieder draußen und nicht in der Todeszelle. Er ist, befreit, gerettet.
Vor kurzem sah ich den Film: „Die Zuflucht“. In ihm wird das Leben der Corrie ten Boom gezeigt. Sie wird 1943 ins Konzentrationslager Ravensbrück gebracht, weil ihre Familie Juden versteckt hat. Sie und ihre Schwester waren zusammen im KZ, und ihre Schwester sagte kurz vor dem Jahresende 1944: Corrie, wir werden beide bis zum Jahresende frei sein. Ann 28. Dezember 1944 starb Betsie ten Boom. Am gleichen Tag wurde Corrie ten Boom aus Ravensbrück entlassen. Später stellte sich heraus, dass es eine Verwechselung war. Sie hatte eigentlich, wie alle Frauen ihres Alters in Ravensbrück umgebracht werden sollen. Aber sie wurde befreit.
Gott hat sein Wort an den Ten-Boom-Schwestern wahr gemacht - an jeder auf ihre Weise. Gott ist mit Petrus und mit Jakobus seinen Weg gegangen, und Gottes Weg mit dem einen muss nicht der sein, den er auch mit dem anderen geht. Petrus hat es erfahren: Ich habe meine Rettung nicht nur erträumt. Ich bin wirklich herausgerettet worden aus dem Rachen des Todes.
Und die Gemeinde? Die, die so gebetet haben? Sie sind entsetzt! Sie können es nicht glauben, sie können es nicht fassen. Wie gut, dass auch das in der Bibel erzählt wird! Es gibt ein Beten, das von dem Tun Gottes überholt wird, es gibt ein Beten, das erschrocken ist, wenn es auf einmal sehen kann: Gott hat ja getan, was wir wollten. Gott hat ja wirklich getan, worum wir ihn gebeten haben. Wie oft bitten wir wohl Gott um etwas und trauen ihm doch nicht zu, dass er es uns auch wirklich gibt. Wie oft bitten wir - und rechnen wohl gar nicht ernsthaft mit der Erfüllung unseres Bittens. Da ist es gut für uns zu sehen: das ist der ersten Gemeinde auch schon passiert, aber Gott hat sie doch beim Wort genommen. Gott hat auch das Gebet, das ihm vielleicht schon gar nicht mehr zutraute, um was es betete, gehört.
Ein letztes fällt mit auf: Petrus geht nun nicht in den Ruhestand. Es wäre ja nur zu verständlich, wenn er sagen würde: Wer das durchgemacht hat, der muss erst einmal aussteigen. Und es wäre auch nur zu verständlich, wenn Petrus sagte: jetzt muss ich mich in Acht nehmen. Aber die, ganze Apostelgeschichte macht deutlich: Diese Rettung Gottes war nicht nur für den Petrus bestimmt. Sie zielte über Petrus hinaus. Dieses Wunder ist kein Vorgang mit privatem Charakter.
Gott macht in dieser Rettung deutlich: Du wirst noch gebraucht. Der Weg des Petrus ist noch nicht zu Ende. Er soll noch weiter den Gemeinden dienen. Er soll noch weiter Menschen zu Jesus rufen. Seine Stunde ist nicht, noch nicht gewesen, als Herodes Hand an ihn legte. Als Corrie ten Boom aus Ravensbrück kam, wusste sie: Mein Leben hat noch einen Auftrag. Ich muss noch weitersagen, was ich an Gottes Hand erfahren habe.
Wie ist das mit uns? Mancher von uns hat das Leben noch einmal geschenkt bekommen, als er nach schwerer Krankheit gesund wurde, als er bewahrt wurde in einem schlimmen Unfall. Wir alle bekommen unsere Tage geschenkt, und all dieses Schenken Gottes gibt uns einen Auftrag: du wirst noch gebraucht. Du sollst noch Bote sein, du sollst noch Zeuge sein. Gott sucht Zeugen, die sich ihm anvertrauen und für ihn einstehen: vor den Thronen und in den Schulen, in den Fabriken und in den Familien, in den Parlamenten und in den Kirchen. Und jeder Tag, den er uns schenkt ist ein Tag, an dem er unser Zeugnis, das Einstehen unseres Lebens für ihn sucht. Amen.
Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg
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