Der starke Trost
von Karsten Müller (Halle /Saale)
Predigtdatum
:
05.10.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
14. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Hebräer 10,35-36.(37-38).39
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Wochenspruch:
Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium (2. Timotheus 1, 10)
Psalm: Psalm 68, 4 – 7 a.20 - 21
Lesungen
Altes Testament: Klagelieder 3, 22 - 26.31 - 32
Epistel: 2. Timotheus 1, 7 - 10
Evangelium: Johannes 11, 1.(2).3.17 - 27.41 - 45
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 345 Auf meinen lieben Gott
Wochenlied: EG 113 oder EG 364 O Tod, wo ist dein Stachel nun
oder Was mein Gott will, gescheh allzeit
Predigtlied: EG 195 Allein auf Gottes Wort will ich
Schlusslied: EG 170 Komm, Herr, segne uns
Liebe Gemeinde,
eigentlich müsste doch alles ganz einfach sein mit dem Glauben: Wir haben es mit einer Kraft zu tun, die durch das ganze Leben trägt - und darüber hinaus. Der Glaube weitet den Horizont menschlichen Lebens, er schenkt ganz neue Perspektiven. Es gilt die einfache Lebenserfahrung, dass es hinter dem Horizont weitergeht. Dort, wo Himmel und Erde, Leben und Sterben aneinander stoßen, lauert nicht der Abgrund. Vielmehr vermuten, glauben, vertrauen wir darauf, dass, wie sonst in der irdischen Existenz auch, sich dort neue, über unser Leben hinausgehende Horizonte öffnen.
Aber natürlich, so einfach ist es eben nicht. Wäre es einfach, und für jeden Menschen einsichtig, dann wäre unsere Kirche wohl zu klein für all die Menschen hier in unserem Ort.
Es ist nicht so einfach mit dem Glauben, mit der Gewissheit, dass Gott mit uns auf dem Weg ist und seine Barmherzigkeit alle Morgen neu ist. Wer heute noch einen Spaziergang unternimmt, der kann schon die ersten Zeichen des Herbstes erblicken. Wir spüren, die Tage nehmen ab, das Dunkel nimmt zu. Die irdische Wirklichkeit ist kein ewiges Leben, sondern ein stetiges Entstehen, Werden und eben auch Vergehen.
Dass im Vergehen die Kraft des Lebens steckt, dass der Tod die uns zugewandte Seite jenes Ganzen ist, das Auf-erstehung heißt, das kann man nur glauben.
Die Frauen, die am Ostermorgen den Leichnam Jesu salben wollen finden ein leeres Grab vor. Nahe liegend ist die Vermutung, der Leichnam Jesu wäre gestohlen worden, von den Behörden vielleicht, weil denen die ordentliche Bestattung eines Gekreuzigten ein Dorn im Auge war. Aber da ist ein Engel, der sagt, was geschehen ist: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzig-ten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat.
Man kann diese Botschaft nicht beweisen oder belegen, man kann sie nur glauben oder nicht glauben. Fest steht, dass die Botschaft des Engels und die Hoffnung und Freude, die aus ihr erwächst bis heute Menschen trägt und ihnen Kraft gibt, so wie damals den Frauen. Seit jenem Ostermorgen können Menschen in der festen Gewissheit leben, dass der Tod nicht mehr alle Macht über das Leben hat.
Aber diese Gewissheit und die Sicherheit, die daraus erwächst, sind keine Versicherungen eines gelingenden Lebens. Ein paar Verse vor unserem Predigttext vergleicht der Schreiber des Briefes das Leben mit einem Kampf.
Wenn wir einmal kurz bei diesem Bild bleiben und es in der Welt des Sports angesiedelt lassen, dann gibt es manches zu entdecken: Der Sieg im Kampf, das gelingende Spiel ist ohne Einsatz, ohne Training nicht zu haben. Man muss Re-geln einhalten, Fouls werden bestraft, aber die Versuchung, sich regelwidrige Vorteile (Doping) zu verschaffen, ist ge-rade bei Athleten groß.
Dass das Leben ein Kampf ist, dazu muss man den Sport nicht bemühen, das ist auch so deutlich. Die Wettkampf-arten um den Preis eines gelingenden Lebens - oder was wir dafür halten – wechseln manchmal. Mal brauchst du das 1ser-Abitur, mal die richtige Gesinnung, mal die besseren Beziehungen, mal den richtigen Betrag auf dem Konto.
Der richtige Glaube kommt in dieser Aufzählung nicht vor. Und wenn er in dieser Reihe aufgenommen wird, dann wirkt das auf uns eher peinlich. In der Tat, die Versuchung ist immer wieder groß, den Glauben aus der Hand zu geben, als überflüssigen Ballast über Bord zu werfen.
Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. sagt der Hebräerbrief am Beginn unseres Textes heute. Werft doch nicht ausgerechnet das weg, was den Sieg im Kampf bringt, was euch von allem Ballast befreit, damit ihr euch auf das Wesentliche konzentrieren könnt. Man könnte sagen: Werft doch eure Befreiung nicht weg und begebt euch in die Gefängnisse etwa irdischer Zwänge.
Wir wissen, dass Freiheit zwei Seiten hat: Auf der einen Seite hat man alle Möglichkeiten, man muss nichts befürchten, kann vieles nutzen - auf der anderen Seite ste-hen die verpassten Chancen (oder auch nur die Angst vor ihnen), die Unbarmherzigkeit des Konkurrenzkampfes, der wiederum Zwänge hervorbringt, denen ich mich beugen muss.
Die Freiheit, die Befreiung, die wir nicht wegwerfen sollen, hat aber eine andere Qualität, als dass sie uns nur die beste Position im Konkurrenzkampf verschaffen würde.
Es ist die Freiheit derer, die den Siegespreis schon sicher haben, für die die Medaille schon auf dem Kissen liegt. Und es ist noch besser: der Siegespreis muss nicht errungen werden, sondern er wird geschenkt. Die Aufgabe ist, eben dieses Geschenk nicht gering zu achten, ihm zu vertrauen, es immer wieder in die Gestaltung unseres Lebens einzu-beziehen.
Das ist nicht so einfach, wie es klingt, denn immerhin verlassen wir uns auf etwas, was nicht zu sehen und zu belegen ist. An den irdischen Horizont können wir wandern oder fahren, aber wir wissen, dass wir da nie zum Ziel kommen, weil die Erde eine Kugel ist. Was hinter dem Horizont unseres Lebens liegt, wissen wir nicht. Wir können darauf vertrauen, dass dort das neue Leben bei Gott liegt - aber beweisen können wir es nicht.
Und es ist ja nicht so, dass der Tod, das Leid, Krankheit oder hartes Schicksal durch den Glauben aus der Welt käme. Das hast du nun von deinem Glauben - hat mancher und manche von uns vielleicht schon gehört, wenn etwas schief gegangen ist, eine Krankheit uns niederwirft.
Aber das Vertrauen, der Glaube und die Freiheit, die er uns schafft und die wir nicht wegwerfen sollen, stellen all diese Dinge in anderes Licht. Sie sind die vorletzten Dinge, nicht die letzten.
Auch das immer wieder zu unterscheiden: Was ist das Tra-gende im Leben und was ist nur das (manchmal auch sehr komfortable) Beiwerk, ist nicht immer leicht. Wer wollte behaupten, es sie leicht wegzustecken, wenn man eine sich bietende Chance nicht ergreifen kann. Es macht vielen Menschen Probleme, die Position, die in ihrem Leben einnehmen, auch anzunehmen. Schließlich: Es ist doch ungeheuer schwer, sich damit abzufinden das unsere Existenz eine Grenze hat und vor dieser Tatsache zu sagen: Dieser Therapie unterziehe ich mich nicht, sie verlängert doch nur meine Krankheit, denn heilen kann sie sie nicht.
Für all diese Situationen gibt es keine Patentrezepte, auch keine Patentrezepte des Glaubens. Der Siegespreis ist schon geschenkt, der Engel auf dem Stein beim leeren Grab schenkt mit seiner Botschaft unserem Leben eine neue Perspektive: ja, das stimmt - aber kann ich es auch anneh-men?
Da ist ganz wichtig, dass wir hören: Werft euer Vertrauen nicht weg - nicht: wirf dein Vertrauen nicht weg. Glaube ist Gemeinschaft mit Gott und immer auch Gemeinschaft mit anderen Menschen, Gespräch mit Gott und immer auch Gespräch mit anderen Menschen.
Die Barmherzigkeit und Zuwendung Gottes, die alle Morgen neu ist, ist für viele Menschen nur begreifbar in der Form, in der wir sie widerspiegeln. Amen.
Verfasser: Pfarrer Karsten Müller
An der Johanneskirche 1, 06110 Halle (Saale)
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