Der Vorläufer des Herrn
von Traugott Lucke (06577 Heldrungen)
Predigtdatum
:
16.12.2001
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
3. Advent
Textstelle
:
Offenbarung 3,1-6
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Wochenspruch:
Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig. (Jesaja 40,3.10)
Psalm: 85,2-8
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 40,1-8 (9-11)
Epistel:
1. Korinther 4,1-5
Evangelium:
Matthäus 11,2-6 (7-10)
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 69
Der Morgenstern ist aufgedrungen
Wochenlied:
EG 10 oder
EG 15
Mit „Ernst, o Menschenkinder
„Tröstet, tröstet“, spricht der Herr
Predigtlied:
EG 16
Die Nacht ist vorgedrungen
Schlusslied:
EG 10,4
Ach mache du mich Armen
Kurze Hinführung:
Ich gehe davon aus, dass es in vielen Gemeinden Lähmungserscheinungen gibt. Sie sind verursacht durch die Erfahrung des Sterbens:
größere Pfarrbereiche wegen kleiner werdender Gemeinden, weniger Taufen, Wegzüge von jungen Menschen in Regionen mit Arbeitsplätzen, Kirchenaustritte.
Solche Erfahrungen sind ernst zu nehmen. Aber dabei dürfen wir nicht stehen bleiben. Denn Gott will Leben, das wir weitergeben sollen.
Im Brief an die Gemeinde von Sardes wird u.a. die Überwindung des Sterbens thematisiert. Und das möchte auch diese Predigt.
1 Dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot. 2 Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott. 3 So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. 4 Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert.
5 Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. 6 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!
Liebe Gemeinde!
Was wir eben als Predigttext gehört haben, sind klare Worte. Deutlicher kann man nicht reden. Diese klaren Worte sind zugleich eine Zumutung. Denn sie verlangen viel vom Zuhörer. Diese klaren Worte sprechen ein Urteil aus, das nicht eindringlicher gesagt werden kann: „Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot.“
Ein solcher Satz ist eine Provokation. Er drängt den Zuhörer zu einer Stellungnahme. Er reizt zum Widerspruch. Er löst eine Reaktion aus. „Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot.“ Was fallt einem bei einer solchen Aussage ein?
Vielleicht denken wir an Gemeindemitglieder, die offiziell als evangelisch gelten, aber sich um nichts in der Gemeinde kümmern. Sie sind irgendwie tot, weil sie zu Gott und seiner Kirche kein persönliches Verhältnis haben. In unserem Predigttext geht es aber nicht um Einzelschicksale, sondern eine Gemeinde wird als tot bezeichnet. Wie kann so etwas aussehen? Vielleicht so:
Da hört eine Kirchengemeinde in den 70er Jahren auf, in ihrer zu großen Kirche Gottesdienst zu feiern. Die Kirche wird nicht mehr sauber gemacht. Sie wird nicht mehr gelüftet. Immer mehr Putz fallt von den Wänden. Die Holzbänke werden nach und nach im Ofen des Gemeinderaumes verbrannt. Das Innere der Kirche ist zu einem asozialen Raum geworden. Wenn man sie heute sieht, könnte man nur weinen. Und einer schiebt die Schuld auf den anderen, warum es so ist.
Mit dieser desolaten Kirche ist in dieser Gemeinde viel kaputt gegangen. „Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot.“
Damit kann auch eine Gemeinde gemeint sein, die zwar eine gepflegte Kirche hat, aber keine lebendigen Gemeindemitglieder.
Es kann auch eine Gemeinde sein, in der sich eine lähmende Resignation breitgemacht hat. So nach dem Motto „Wir werden immer weniger.
„Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot.“
Wo das einer Gemeinde gesagt werden muss, ist viel zerbrochen.
Hat es denn aber dann noch einen Zweck, auf eine Änderung zu hoffen? Ist es dann überhaupt noch sinnvoll, von einer solchen Gemeinde etwas Positives zu erwarten? Denn wenn jemand tot ist, ist er doch tot.
In den Augen der Welt ist dies plausibel. Bei Gott aber ist es anders. Es gibt nämlich ein Geheimnis des göttlichen Waltens. Dieses Geheimnis besteht darin, dass Gott Leben schaffen kann, wo vorher alles tot war. Aber Gott will das nicht ohne uns Menschen tun. Er braucht uns dazu.
Darum heißt es: „Werde wach und stärke, was noch übrig ist, was schon im Sterben lag.“ „Werde wach“ ist die erste Aufforderung. Es gibt in jedem Menschen innere Kräfte, die lebendig werden können.
Doch dazu müssen wir zuvor das Urteil hören: „Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot.“ Denn wir müssen betroffen sein über die wirkliche Situation. Es muss so etwas wie einen heilsamen Schock geben. „Werde wach und stärke, was noch übrig ist, was schon im Sterben lag.“ Es heißt nicht: Werde wach und klage über das, was schon im Sterben lag.
Es gibt ein Wach-Sein, das keines ist. Da soll z.B. eine Katechetin in einem ehemaligen Pfarrort vertretungsweise Christenlehre halten. Der zuständige Gemeindepfarrer nennt der Katechetin eine Frau in der Gemeinde, an die sie sich wenden kann, weil sie den Schlüssel für den Gemeinderaum hat.
Als die Katechetin zu dieser Frau kommt, um den Schlüssel zu holen, wird sie mit folgenden Worten empfangen: „Da kommen sowieso keine Kinder. Hier ist alles tot. Denn wir hatten früher immer nur komische Pfarrer.“
„Werde wach und stärke, was noch übrig ist, was schon im Sterben lag.“
Wach werden heißt, seine Kräfte für Gott einsetzen. Wach werden bedeutet erkennen: ich werde gebraucht, damit etwas wieder lebendig wird, was schon im Sterben lag. Wach ist nicht derjenige, der klagt, was alles in einer Gemeinde sein sollte und wie schön es früher war. Wach ist auch nicht derjenige, der weiß, was die anderen machen sollten. Wach ist vielmehr der Christ, der andere ermutigt, von Gott Leben zu erwarten.
Wach ist das Gemeindemitglied, das ein Stück Verantwortung selbst in die Hand nimmt. So wie jener Kirchenälteste, der eine Kirche vor dem Verfall gerettet hat. Der Kirchenkreis hatte beschlossen: diese Kirche wird nicht mehr erhalten, weil in 2 km Entfernung die nächste Kirche steht.
Viele Gemeindemitglieder hatten diese Entscheidung resigniert zur Kenntnis genommen. Nicht so jener Kirchenälteste. Er hätte schimpfen können über den Superintendenten und den Kreiskirchenrat.
Doch er hat die Menschen seiner Gemeinde mobilisiert und angefangen, Schritt für Schritt die Kirche zu erhalten. Vor der Wende wurde das Kirchenschiff neu gedeckt. Nach 1990 wurden die Fenster erneuert. Dann wurde ein neuer Innenputz aufgetragen. 2000 wurde eine neue Holzdecke eingezogen. Und im Jahr 2001 wurden die Emporen, die Bänke und der Kanzelaltar gestrichen.
Bei diesen Arbeiten haben unter seiner Leitung fast alle Dorfbewohner mitgeholfen, ohne Geld zu verlangen. Und ein alter Mann sponsorte das Material.
Dieser Kirchenälteste sorgt nun aber auch dafür, dass in regelmäßigen Abständen Gottesdienste stattfinden, damit diese Kirche mit Leben erfüllt wird. So hat er das gestärkt, was schon im Sterben lag.
Lasst uns beten: Herr Jesus Christus, lass uns wach werden, damit wir das stärken, was wieder leben soll. Lass uns erkennen, wo wir nötig sind. Amen.
Verfasser: Pfr. Traugott Lucke, Hauptstr. 57, 06577 Heldrungen
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