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Der Vorläufer des Herrn

von Eveline Clotz (56340 Dachsenhausen)

Predigtdatum : 15.12.2002
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 3. Advent
Textstelle : Matthäus 11,2-6.(7-10)
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Wochenspruch:

Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig. (Jesaja 0,3.10)

Psalm: 85,2-8

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 40,1-8 (9-11)
Epistel:
1. Korinther 4,1-5
Evangelium:
Matthäus 11,2-6 (7-10)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 11
Wie soll ich dich empfangen
Wochenlied:
EG 10 oder
EG 15
Mit „Ernst, o Menschenkinder
„Tröstet, tröstet“, spricht der Herr
Predigtlied:
EG 5
Gottes Sohn ist kommen
Schlusslied:
EG 10,4
Ach mache du mich Armen

2 Als Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger 3 und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? 4 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht:
5 Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt;
6 und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
[7 Als sie fortgingen, fing Jesus an, zu dem Volk von Johannes zu reden: Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen? Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her weht? 8 Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige. 9 Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch: Er ist mehr als ein Prophet.
10 Dieser ist's, von dem geschrieben steht (Maleachi 3,1): »Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.«]

Liebe Gemeinde!
Was verändert wirklich den Lauf der Welt?
Manchmal geht es uns, wie Johannes dem Täufer: Wir sind gefangen in unserer Sorge und Angst. Wir werden gehindert daran, das zu tun, was wir für richtig und wichtig halten.
Wir sind mundtot gemacht und dürfen oder können nicht sagen, was wir denken, fühlen, wissen.
Da ist jemand, der das nicht hören will, der das verbietet, der uns hindert. Wer oder was hilft dann?
Johannes schickt zu Jesus. Seine Situation ist gefährlich. Er sitzt im Gefängnis. Warum?
Johannes hatte es satt gehabt, dass sich Menschen zufrieden gaben mit ihrer ererbten Religion, mit ihrem Gang zum Tempel, mit Opfer und Gebeten.
Er wollte dass die Menschen den heiligen Gott ganz nah spürten wie er selbst. Sie sollten erkennen, wie falsch sie lebten. Sie sollten wie er sehen, dass Gott dem gottlosen Treiben auf Erden bald ein Ende machen wird. Gott wird kommen und alle Menschen richten.
Johannes lebte so, dass jeder erkannte: er lebte nur auf Gott hin: in der Wüste, sich ernährend von wildem Honig und Heuschrecken, bekleidet mit einem rauen Kamelfell. Und er kündigte Gott an, laut und gewaltig, drohend und angsterregend, zur Umkehr, zur Buße rief er. Und die Leute spürten, dass in seinen Worten Gottes Stimme hörbar wurde.
Und sie kamen, ließen sich taufen zur Vergebung der Sünden, ließen sich sagen, wie sie ihr Leben ändern müssten, um in Gottes Gericht bestehen zu können. „Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt“, dringender konnte niemand sagen, dass es 5 Minuten vor 12 ist. Diese Gewissheit, dass Gott ganz nah ist, machte Johannes mutig und furchtlos. Dem König Herodes sagte er ins Gesicht: Du missbrauchst deine Macht. Gott wird deinen Ehebruch bestrafen. Wütend ließ Herodes ihn ins Gefängnis werfen.
Da saß er nun – die Stimme Gottes – gefangen in seiner Sorge um die Menschen, gehindert am Mahnen und Predigen. – Und „die Axt ist doch schon den Bäumen an die Wurzel gelegt!“
Mit wie viel Ungeduld, mit wie viel Verzweiflung wird er an seinen Fesseln gezerrt haben. Umso stärker richtete sich alles Warten und Hoffen auf Gott: wann kommt er und macht aller Ungerechtigkeit ein Ende?
Da hört er: Jesus, den er getauft hatte, hat seine Nachfolge angetreten. An dem Tag, als Johannes ins Gefängnis kam, fing Jesus an zu predigen – mit den gleichen Worten wie Johannes: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“
Wie erleichtert wird er gewesen sein!
Nein, diese meine Botschaft ist nicht eingesperrt. Herodes zum Trotz geht sie weiter.
Aber dann wurde Johannes der Täufer immer verwirrter. Von Jesus hörte er erstaunliche Sachen. Jesus heilt Blinde und Lahme und Aussätzige! Ein Stummer kann wieder reden, des Jairus Töchterlein hat er ins Leben zurückgerufen und und und ... Er predigt mit Vollmacht und schickt seine Jünger in alle Städte und Dörfer!
Johannes war verwirrt: Ist das Ende der Welt schon da? Ist Jesus der von Gott Gesandte? Ist er der heimliche Messias? Ist das Warten zu Ende? Beginnt bald das große Gericht Gottes? Johannes hatte den sicheren Tod vor Augen - jetzt wollte er es wissen. Er schickte zwei seiner Jünger zu Jesus und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?
Und was antwortete Jesus?
Sein Antwort ist ein Musterbeispiel dafür, wie einfühlsam und heilend Jesus mit Menschen umging. Er hatte ihm etwas sehr Schweres zu sagen, aber er wollte ihm nicht wehtun. Würde Jesus Johannes sagen lassen: „Ich bin es, wie du erwartet hast,“ dann müsste er ganz anders auftreten, als er es tut. Dann müsste er wirklich zu Dreschflegel und Axt greifen, dann müsste er in Gottes Namen alle Unheilsdrohungen wahrmachen. Aber nichts von alledem tut Jesus wirklich.
Würde er aber Johannes sagen lassen: „Ich bin es nicht“, dann bliebe dem eingekerkerten Mann Gottes nichts weiter zurück als eine verlorene Hoffnung, eine enttäuschte Sehnsucht, ein verglühender Glaube.
Wie aber kann Jesus dem Mann im Gefängnis vermitteln, dass alles ganz anders sein kann als er – Johannes – gedacht hatte? Wie kann er ihm schonend beibringen, dass tatsächlich kommt, was er erhofft und erwartet hat – aber völlig anders? Wie kann Jesus der aufgewühlten Seele des Johannes Heilung anbieten?
„Geht“, sagte Jesus zu den Schülern des Johannes, „und erzählt ihm, was ihr selbst seht und hört.“ Aus eigener Erfahrung sollen sie berichten. Nichts vom Hörensagen, keine Theorien und Bekenntnisse. Sie sollen Augen und Ohren aufmachen und erzählen, was sie erlebt haben. Und dann soll der Täufer selbst eine Antwort finden und entscheiden, was gilt.
Und was können die Jünger sehen und hören? Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt. Wenn sie das aufzählen, dann muss sich Johannes erinnern:
Eine Kette von Wundern, das sind ja genau die uralten Prophetenweissagungen, die sich jetzt erfüllen. Es sind nicht meine Prophezeiungen, aber es sind Worte von Propheten: „Das geknickte Rohr wird nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“
Er schreit nicht und schlägt nicht dazwischen. Aber er vermag mit seinen heilenden Worten die Augen zu öffnen, dass wir Gott richtig sehen können. Er richtet Menschen wieder auf, die verkrümmt und entmutigt waren.
Er gibt isolierten und verschlossenen Menschen das Gefühl zurück, von Gott gewollt und geliebt zu sein.
Er verhilft Menschen, aufeinander zu hören und es ganz neu miteinander zu versuchen. Ja, Menschen, die nie wirklich gelebt haben, die lebendig tot sind, ruft er zurück ins Leben. Und nicht zuletzt: Den Armen wird eine frohe Botschaft verkündigt!
Eine frohe Botschaft?
Das muss Johannes aufhorchen lassen! Ja, von der frohen Botschaft für die Elenden redeten die Propheten damals. Aber Johannes hatte aufgerüttelt, gedroht, Angst gemacht, Unheil angekündigt. Ganz vorsichtig will Jesus Johannes dahin führen zu verstehen, dass er sich geirrt hat.
Johannes hat geglaubt, die Menschen könnten all das tun, was er im Namen Gottes von ihnen forderte. „Die Menschen sind gut“, hat er gedacht; „und wenn sie es nicht sind, dann liegt es an ihnen selbst; dann muss man ihnen Beine machen.“ Aber Jesus sieht die Menschen mit anderen Augen an. Er sieht, wie arm sie sind, wie sie sich vergeblich bemühen, gut zu sein, wie sie verzweifeln. Er sieht, wie hilflos viele sind, wie sie zerbrechen unter so vielen Lasten in ihrem Leben, unter ihrer Schuld, unter drückendem Leid. Er sieht, wie sie sich verkriechen, die Augen verschließen oder trotzig auftrumpfen. Diese Menschen brauchen keine Drohungen mehr, keine Peitsche.
Sie brauchen jemanden, der sie aufrichtet, der ihnen eine Weg zeigt, der sie behutsam an der Hand nimmt, der sie tröstet und ihre verwundeten Seelen heilt.
„Und siehst du, Johannes“, scheint Jesus zu sagen, „so wollte ich verwirklichen, was du vorschlugst. So ist das weitergegangen, seit dem du im Gefängnis sitzt. Es ist dasselbe, was du erhofftest, dass Gottes Wille geschieht, und es ist trotzdem ganz anders.
Es ist wirklich ein erneuertes Leben der Menschen, wie du es wolltest. Aber ich habe mich mehr von der Not der Menschen rühren lassen als von ihren Fehlern. Es ist wichtiger zu heilen als zu richten.
Es liegt jetzt an dir, Johannes, zu entscheiden, ob du mich auf der Seite Gottes siehst. Es ist möglich, dass du darauf beharrst, meine Botschaft sei zu gütig, zu liebevoll und dich daran störst. Das wird dich unglücklich machen. Doch glücklich wirst du sein, wenn du trotz all deiner Mahn- und Warnreden nicht daran Anstoß nimmst, wenn du dich nicht ärgerst, wie ich Gott den Menschen nahe zu bringen versuche: nämlich als einen Heiland, der grenzen- und voraussetzungslos gütig ist.
So könnte die Botschaft Jesu an Johannes gelautet haben. Die Evangelien erzählen uns nicht, wie es dem Johannes weiter erging, nur noch seinen gewaltsamen Tod. Wir wissen nicht, ob er eine Antwort gefunden hat, ob er getröstet oder enttäuscht in den Tod ging.
Wir aber sind froh, dass das Evangelium Jesu, seine frohe Botschaft uns immer wieder heilt und aufrichtet.
Auch uns geht es manchmal wie Johannes. Wir haben Wünsche, Hoffnungen, ein Lebenskonzept. Und plötzlich erfahren wir, dass wir uns geirrt haben. Eine Welt bricht zusammen. Wie kann man weiterleben?
Auch uns gilt dann die sanfte heilende Botschaft Jesu: „Es ist nicht schlimm, sich geirrt zu haben. So ist es im Leben. Ich helfe dir, einen neuen Weg zu sehen und zu gehen. Nimm meine Hand, ich will dich die ersten Schritte führen, bis du allein gehen kannst.“
Heute, am 3. Advent, können wir Jesus danken, dass er uns befreit hat von der Angst vor einem zornigen Gott und uns gelehrt hat, unserem gütigen Vater im Himmel zu vertrauen. Amen.

Verfasserin: Pfrn. Eveline Clotz, Rosberg 3, 56340 Dachsenhausen

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