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Der Weg zum Kreuz

von Peter Gergel (64401 Groß-Bieberau)

Predigtdatum : 14.02.1999
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Estomihi
Textstelle : Lukas 10,38-42
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Wochenspruch:

Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. (Lukas 18,31)

Psalm: 31,2-6 (EG 716)

Lesungen

Altes Testament:
Amos 5,21-24
Epistel:
1. Korinther 13,1-13
Evangelium:
Markus 8,31-38

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 449
Die güldne Sonne voll Freud und Wonne
Wochenlied:
EG 413
oder EG 384
Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt
Lasset uns mit Jesus ziehen
Predigtlied:
EG 386
oder EG 157
Eins ist not! Ach Herr, dies Eine
Laß mich dein sein und bleiben
Schlußlied:
EG 171
Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott

Hinführung zur Predigt am Sonntag Estomihi:
Jesus kehrt im Haus der beiden Schwestern ein. Die eine, Martha, befleißigt sich, ihn zu bedienen; die andere, Maria, sitzt still zu seinen Füßen und hört seiner Rede zu.
Tun oder Hören - was ist not ??
Jesus sagt: Beides, aber Hören ist gelegentlich wichtiger.
Denn im Hören des Wortes Gottes geschieht Verwandlung!
Deshalb: „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“

38 Jesus kam in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. 39 Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. 40 Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, daß mich meine Schwester läßt allein dienen? Sage ihr doch, daß sie mir helfen soll! 41 Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. 42 Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

Liebe Schwestern, liebe Brüder!
Heute möchte ich mich nach so vielen Jahren zu Worte melden. Ich bin Martha, ja, die Martha aus Bethanien; die Schwester der Maria, die das gute Teil gewählt hatte. Ihr kennt ja die Geschichte. Über diese Geschichte von damals will ich mit Euch reden.
Viel zu oft habe ich mir einiges anhören müssen, das mich geärgert hat, viel zu oft sind mir Worte in den Mund gelegt worden, die ich nie gesagt habe, ja - viel zu oft bin ich mißverstanden worden. Von gut meinenden Männer und wohlwollenden Frauen. Von Pfarrern und auch von Pfarrerinnen.
Warum meinen die „Schriftgelehrten“, sie wüßten besser, was damals in meinem Hause geschehen ist? Woher wissen diese, wie ich mich gefühlt habe? Woher wollen die überhaupt wissen, was Jesus mit seinen Worten an Maria damals gemeint hat? Wieso haben Männer über Jahrhunderte gemeint, die Frau gehöre an den Herd, bloß weil ich mich gern um diesen Jesus von Nazareth gekümmert habe?
Und wieso meinen gerade die Frauen, sie müßten mich immer in die Rolle der Leidenden zwängen, die tagein, tagaus als Hausfrau ohne Entlohnung und Wertschätzung schuften muß? Was wissen die heutigen Frauen überhaupt von unserer damaligen Welt?
Haben die Männer und Frauen, die sich die Freunde Jesu nennen, überhaupt verstanden, was Jesus damals gemeint hat? Warum wird auch aus dieser Begegnung eine Parole im Kampf zwischen den Geschlechtern gemacht?
Um Jesus zu verstehen, müssen wir sein ganzes Wirken und seine ganze Verkündigung sehen. Auch ich habe diesen Gottesmann aus Nazareth am Anfang nicht verstanden! Auch ich habe einiges über ihn und seine Botschaft dazulernen müssen. Gerade nach seinem Besuch in meinem Haus.
Aber nun der Reihe nach: Es war schon etwas Besonders, als sich Jesus mit seinen Jüngern bei mir als Gast angemeldet hatte. Ich weiß gar nicht, woher er unser Haus kannte; ich vermute von der Maria aus Magdala, die eine Bekannte meiner Schwester Maria ist.
Ich war schon etwas überrascht als ich seine Anfrage erhalten hatte, ob er bei uns einkehren könnte. Es war nicht üblich, daß sich Männer, dazu noch eine ganze Schar, bei unverheirateten Frauen als Gäste anmeldeten.
Aber dieser Jesus hatte sich schon mehrere Male über die gesellschaftlichen Normen und Gebote hinweg-gesetzt. Für ihn galt der Mensch mehr als die Gesetze der Menschen, die ihr Leben so einengten, daß der Nächste zu kurz kommen mußte. Deshalb hat er seinen Mitmenschen das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählt und sogar einen Mann mit verkrüppelter Hand am Sabbat geheilt. Und mit der Frau aus Samarien hatte er auch am Brunnen gesprochen, obwohl die frommen Juden den ungläubigen Samaritern aus dem Wege gehen.
So kam er auch in unser Haus, auch wenn es nach unseren Geboten nicht gestattet war. Natürlich war auch ich etwas besorgt, wie die Nachbarschaft diesen „hohen Besuch“ wahrnehmen und darauf reagieren wird. Als alleinstehende Frauen hatten wir es ja gar nicht leicht, bei den Nachbarinnen nicht und auch nicht bei den Nachbarn. Die erzählten ja schon die tollsten Geschichten über uns.
Und dann noch der Besuch dieses Mannes aus Nazareth...
Aber dieser Jesus war ganz anders. Er kehrte in unser Haus ein - und das ganze Haus schien verwandelt. Sanftmut, Güte und Geborgenheit strahlte er aus - es schien als hätte sich der Himmel geöffnet, ich hatte den Eindruck, ein Stück davon wäre bei uns zu fassen. Wer solch besonderen Gast empfängt, muß sich auch um ihn kümmern.
Was mich am meisten ärgert, ist die Tatsache, daß ich über Jahrhunderte hinweg als die dienende Magd hingestellt werde und meine Schwester als die Frau, die für Glaubensfragen offen ist. Wer hat schon nach meinem Glauben gefragt!
Daß ich mir viel Sorge um die Gäste gemacht habe, ist doch kein Zeichen von Kleinglauben. Gastfreundschaft ist gelebter Glaube! Gastfreundlichkeit ist ein Gebot Gottes, das wir im Alltag zu erfüllen haben. Die Reichen und die Armen.
Reich waren wir nicht, aber auch nicht arm! Wie hätten wir denn sonst diesen Jesus mit seinen zwölf Schülern aufnehmen können?
Da mußten Speisen und Getränke her. Diesmal hatte Jesus nicht für die wunderbare Brotvermehrung gesorgt. Und Wasser hatte er auch nicht zu Wein verwandelt, wie damals auf der Hochzeit in Kana in Galiläa. Nein, diesmal mußte ich für alles sorgen.
Ja, ich habe für alles gesorgt und ich war auch besorgt! Denn als Gastgeberin war ich darauf aus, die Erwartungen der Gäste zu erfüllen. Dabei habe ich in der Begegnung mit Jesus etwas wichtiges gelernt. Ich glaube, Ihr kennt diese Haltung auch!
Wir sind darauf bedacht, die Erwartung der anderen zu erfüllen, damit sie nichts an uns auszusetzen haben. Aber in dieser Sorge geht es eigentlich mehr um uns selbst als um den anderen. Wir wollen, daß der andere zufrieden ist, damit auch wir mit uns zufrieden sein können, damit wir in seinem Urteil gut dastehen und wir den Vergleich mit andern bestehen können.
Bei all unserer Sorge um die Zufriedenheit des andern und um unser Wirken auf ihn übersehen wir sein eigentliches Bedürfnis, wir übersehen ihn als Person.
Aus dem Gespräch mit Jesus habe ich gelernt: Der Gast will nicht nur unser gutes Essen und unsere saubere Wohnung, sondern er will auch unsere Zeit. Ich glaube meine Schwester Maria, die hatte das vor mir schon erkannt. Martha, die Dienende, werde ich oft genannt. In dieser Rolle fühle ich mich nicht gedemütigt, denn es ist eine wichtige und schöne Aufgabe, den Haushalt zu führen.
Ich möchte an dieser Stelle für alle Frauen sprechen, die ohne großen Wirbel zu machen, diese Aufgabe mit Bravour gemeistert haben und auch heute noch meistern. Ich denke besonders an die Frauen, die für ihr Haus und ihre Kinder gesorgt haben, als die Männer, wie schon so oft, in den Krieg zogen oder in der Kriegsgefangenschaft waren.
Ich kenne Frauen, die neben der Aufgabe als Hausfrau das Geschäft des Mannes, nach dessen Tod, weitergeführt haben und so für die Familie aber auch für Arbeit im Ort gesorgt haben. Ich kenne Frauen, die sich bis ins hohe Alter neben der Aufgabe als Frau und Mutter im Geschäft der Familie verdient gemacht haben. Ich kenne Frauen, die neben der täglichen Arbeit in der Landwirtschaft und zu Hause doch noch die Zeit gefunden haben, für Musik und schöngeistige Beschäftigung. Jede von ihnen eine Martha.
All diese Frauen haben eines gemeinsam: Sie haben nie über ihre Rolle als Frau geklagt oder darunter gelitten. In der Rolle der dienenden Frau fühle ich mich nicht gedemütigt, denn Jesus hat uns selbst das Dienen vorbildlich vorgelebt.
„Ich bin nicht gekommen, um mir dienen zu lassen, sondern um zu dienen!“ sagte er und zeigte seinen Jüngern, wie er es meinte. Er schürzte sich und wusch seinen Jüngern die Füße. Eine alte Regel der Gastfreundlichkeit.
Ihm zu dienen - ja ich tat es gern! Denn ich mochte diesen frommen Mann aus Nazareth - und seine Reden. Allzugern hätte ich ihm auch zugehört, so wie Maria, meine jüngere Schwester. Die hatte einfach den Mut, sich zu den Männern zu setzen. Nicht nur, daß ich mich um die Gäste sorgen mußte, mir fehlte damals dieser Mut.
Und ich war auch ein wenig neidisch auf die Maria. Die Welt der Männer und die der Frauen waren noch streng geteilt. Maria aber störte das nicht. Maria war anders. Sie merkte, daß bei Jesus andere Regeln gelten.
Und das hatte auch Jesus erkannt. Deshalb sagte er: „Maria hat das gute Teil gewählt. Das soll nicht von ihr genommen werden!“
Für ihn gab es den Unterschied nicht: Hier die dienenden Frauen und da die hörenden Männer!
In Gottes Augen sind alle Menschen gleich, da ist kein Unterschied, ob arm oder reich, ob jung oder alt, ob Mann oder Frau. Alle sind gleich - als Hörende und als Täter seines Willens.
Maria hatte das verstanden: Sie saß Jesus zu Füßen. Sie wandte sich ihm mit Leib und Seele zu. Sie war ganz Ohr, für das, was Jesus ihr sagen wollte. Sie war offen für das Geheimnis seiner Person.
So konnte sie ihm begegnen. So konnte sie sich von seinem Wort treffen lassen. Sie hörte mit ihrem Herzen, sie ließ das Wort Jesu in ihr Herz fallen, so daß sie auf einmal nicht nur Jesus verstand, sondern auch sich selbst auf eine neue Weise entdeckte. Das Hören verwandelte sie. Sie wurde neu durch das Wort, das ihr das Geheimnis Gottes selbst erschloß.
Maria mochte keine Rolle spielen. Sie war nicht darauf bedacht, gut vor Jesus dazustehen. Sie hatte sich selbst vergessen, sie hatte die Gebote und Gesetze vergessen, weil sie mit Leib und Seele auf Jesus schaute. Sie schenkte Jesus ihre Zeit, ihr Ohr, ja sich selbst. Das war das Notwendige, das war der gute Teil.
Das habe ich an diesem Tag in meinem Haus bei der Begegnung mit Jesus gelernt. Hören und Tun gehören zusammen. Der gute Teil, das Hören - wie Jesus es nannte, schließt den andern nicht aus. Aber das Hören hat einen klaren Vorrang. Denn im Hören des Wortes Gottes geschieht Verwandlung.
Wenn ich mich dem Wort Gottes öffne, werde ich verwandelt. Jeder Mensch, der diesem Jesus von Nazareth begegnet, sich ihm öffnet, sein Sterben am Kreuz und seine Auferstehung von den Toten ernst nimmt, der wird verwandelt. In der Begegnung mit Jesus geschieht Erlösung und Heilung.
Und wenn er morgen wieder bei uns einkehren sollte, würde ich auch zu seinen Füßen sitzen, aber nicht nur um ihm zuhören, sondern ihm auch einige Fragen stellen. Über das Leben und Sterben - und über das Leben nach dem Tod! Vielleicht würde er diesmal sogar für uns Frauen sorgen.
Immerhin hat sich ja die Welt durch seine Botschaft wesentlich verändert. Gerade auch die Welt der Frauen. Vielleicht hört er diesmal unserer Botschaft zu. Oder würde er sogar für uns kochen und uns bedienen! Das soll es ja auch schon geben! Auch hier in unserer Gemeinde.
Bei ihm - bei Jesus von Nazareth - würde mich das gar nicht überraschen! Amen.

Verfasser: Pfr. Peter Gergel, Sudetenstr. 4, 64401 Groß-Bieberau

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